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Beweis der Dörflichkeit

Carl Pollock
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Die hübsche Deutschlandkarte der ZEIT, Münchens hoher Ausländeranteil und ein Haufen Gerüchte um einen LMU-Professor bieten Anlass zur Reflexion auf Dörflichkeit. (Oder: Wie macht man einen OB?)

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Die Deutschlandkarte des dieswöchigen Zeit Magazins hält ein Faktum bereit, das viele erstaunt: Unter den großen Städten in Deutschland ist München diejenige mit dem höchsten Ausländeranteil. 22,6 Prozent sind es, sagt die ZEIT. (Die Stadt München geht übrigens von etwas mehr aus.) Damit liegt die Landeshauptstadt weit vor Berlin (13,7 %), Hamburg (14,1 %) und Köln (17 %). Eigentlich, so möchte man meinen, sollte das niemanden mehr überraschen, da Ex-Kulturstaatsminister und Nebenberufsmünchner Julian Nida-Rümelin diese Zahlen immer wieder betont.

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Julian Nida-Rümelin, Professor für Philosophie an der LMU. (Foto: nida-ruemelin.de)

Er zieht sie als Beweis heran, der zeigen soll, dass München kein Dorf ist: “Meine Berliner Freunde irritiere ich gelegentlich mit der Nachricht, dass der Ausländeranteil in München fast doppelt so hoch ist wie der in Berlin”, sagte er etwa dem Spiegel. “Dass man diesen hohen Ausländeranteil nicht so deutlich merkt wie in vielen Berliner Stadtvierteln, hängt mit einer gelungenen Integrationspolitik der sozialdemokratisch geführten Stadt zusammen.” So spricht der ehemalige Münchner Juso-Chef, der ehemalige SPD-Kulturreferent Münchens, der ehemalige Kulturstaatsminister einer SPD-Bundesregierung und das jetzige SPD-Parteivorstandsmitlied. (Das Prinzip “Nennst du mich Schiller, nenn’ ich dich Goethe” funktioniert: “Er ist ein heller Kopf“, urteilt Münchens SPD-Vorsitzender Hans-Ulrich Pfaffmann über Nida-Rümelin.)

Dass aber München doch ein Dorf ist, kann man Nida-Rümelins eigener Biografie ablesen: Er wurde hier geboren. Studierte hier. War wissenschaftlicher Assistent und habilitierte sich an der LMU. War dann Kulturreferent der Uderegierung. Wurde einige Zeit später an das Geschwister-Scholl-Institut (GSI) berufen. Wechselte dann innerhalb der LMU in das Seminar für Philosophie. Daheim ist’s am schönsten, deswegen will man ihm das nicht zum Vorwurf machen.

Den Beweis der Dörflichkeit erbringen vielmehr die Gerüchte und Halbwahrheiten, die sich um Nida-Rümelin ranken: Schon als er 2003 ans GSI kam, wunderten sich einige. Der Grund: Das GSI ist in einem katastrophalen Zustand, seit der Politikwissenschaftler und ehemalige Kultusminister Hans Maier dort geschlagene anderthalb Jahrzehnte seinen Lehrstuhl vertreten ließ (unter anderem vom umstrittenen Politologen Werner Pfeifenberger, der das südafrikanische Apartheidregime verteidigte). Zurück aus der Politik – nach einem Streit mit Franz Josef Strauß nach der Landtagswahl 1986 - wollte Maier dann natülich nicht mehr zurück an “dieses GSI” – und wechselte zum Philosophie-Seminar.

Wie dem auch sei: Nida-Rümelin jedenfalls wertete sein Kommen 2003 im Interview mit der SZ als ein Signal für die Verbesserung der Situation des GSI “insofern, als ich nicht ohne den Eindruck nach München käme, dass dies langfristig Sinn macht.” Schon damals machten aber Gerüchte die Runde, Nida-Rümelin wolle Christian Ude bei der OB-Wahl im März 2008 beerben (und habe nur deswegen seinen angesehenen Lehrstuhl an der Universität Göttingen aufgegeben). Ude trat aber, für viele einigermaßen überraschend, nochmals an. 2009, also nach nur sechs Jahren, wechselte Nida-Rümelin dann – so viel zu “langfristigem Sinn”! - vom GSI zum Philosophie-Seminar. (Sein ehemaliger Lehrstuhl wird nun übrigens momentan vertreten. History does not repeat itself, but it does rhyme.) Sofort tauchte wiederum das Gerücht auf: 2014 soll, so berichtete der Merkur, Nida-Rümelin nun endlich Udes Nacholger werden. Glück haben dann immerhin die Münchner Philosophiestudenten: Weil Nida-Rümelin 2020, bei der darauffolgenden Wahl also, auch schon 66 Jahre alt wäre, könnte er für eine zweite Wahlperiode nicht mehr wiedergewählt werden.

Quod erat demonstrandum: München ist ein Dorf. Dagegen sprechen nicht 1367314 Einwohner. Und auch nicht der hohe Ausländeranteil. Denn Dörflichkeit ist keine Frage der Quantität.

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