Kultur, Live

Der Englische Garten: “Man lebt für die Musik”

Sebastian Gierke
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Fünf Jahre hat es gedauert, jetzt ist das erste Album einer der besten Live-Bands Münchnes da. mucbook hat vor der Releaseparty im Atomic Café  mit den beiden Bandgründern von Der Englische Garten gesprochen.

Blosn, so nennt Sänger Axel Koch die Band selbst. Vor fünf Jahren hat er sie zusammen mit Bernd Hartwich gegründet. Die beiden Musiker, damals schon in Bands wie den Merricks oder C.L.A.R.K. prägend für die Szene in München, hatten sich in einem Plattenladen kennen gelernt, stellten gemeinsame musikalische Vorlieben fest und sich danach eine Big-Band zusammen. Schnell erspielte sich Der Englische Garten mit energetischen Live-Auftritten viele Fans und einen Ruf wie Bläserhall. Jetzt endlich, nach zwei Singles, erscheint das selbstbetitelte erste Album  auf Firestation Records. Das Warten hat sich gelohnt: Souliger, direkter Gitarren-Pop mit einem großartigen Bläsersatz, fanfarenartig, überrollend. Dazu der manchmal fast crooner-artige Gesang Kochs, die persönlichen und zugleich politischen Texte. mucbook hat vor der Releaseparty im Atomic Café (Freitag, 5. März, 21.30 Uhr.) mit den beiden Bandgründern gesprochen.

Lang hat es gedauert, bis zum ersten Album. Woran lag es?

Bernd Hartwich: Einige Besetzungswechsel haben uns zurückgeworfen. Deshalb spielen auf dem Album auch zwei verschiedene Schlagzeuger. Und das andere war, dass wir die Stücke auch live erproben und entwickeln wollten. Die Lieder verändern sich ja mit jedem Auftritt. Wir wollten einfach erstmal auf die Bühne und schauen, wie die Musik ankommt und haben gesagt: Aufnahme kommt dann später irgendwann.

Ihr wolltet diese Live-Situation ja auch auf das Album holen.

Harwich: Das war auch ein Grund, warum es so lange gedauert hat. Es ist nämlich gar nicht so leicht, einen Raum zu finden, in dem man zu acht aufnehmen kann, so dass es auch diesen Live-Charakter bekommt. Wir hatten ja auch kein großes Budget, haben das mit eigenen Mitteln aufgenommen, zum Teil Mikros ausgeliehen, die Aufnahme selbst hat dann unser Trompeter gemacht.

Du hast mal gesagt, dass ihr münchnerisch klingt, obwohl ihr gar nicht so klingen wollt.

Hartwich: Wir schreiben nicht gezielt Texte über die eigene Stadt, wollen nicht gezielt unser Verhältnis zur eigenen Stadt darstellen. Aber man kann sich auch nicht dagegen wehren, dass das durchkommt.

Was ist denn „das“?

Hartwich: Das geht mit dem Bandnamen los, in einer Textzeile kommt mal die Ludwigsstraße vor, das Cover vom der zweiten Single ist ein Bild der Schwabinger Krawalle.

Das ist das Äußerliche. Aber was findet man denn in der Musik?

Hartwich: Ich weiß nicht, ob es in anderen Städten so eine Band geben kann wie uns. Wir werden ja manchmal mit so was wie Superpunk verglichen, aber das ist schon ganz anders. Im Gegensatz zu Hamburg mit der Beathistorie oder Berlin, wo die Musik immer so ein bisschen kaputt war, ist München schon etwas anderes, vielleicht auch,  weil schon immer mehr Geld da war und die Leute das dann anders umsetzten.

Koch: Ich glaube das hat schon auch etwas mit einem Lebensgefühl zu tun. München im Sommer! Die Stadt hat schon etwas Mediterranes. Aber wir machen das nicht bewusst. Ich höre das aber bei vielen Münchner Bands raus. Bei den Merricks, den Moulinettes, bei der Münchner Freiheit. Aber das ist oft so: Dass eine Musik aus einem bestimmten Ort kommt und man das hört: Das ist der Sound of Detroit.

Aber so was hat München ja nie gehabt. Abgesehen von Disco.

Hartwich: Was heißt „abgesehen von Disco“? Die Disco Geschichte war massiv, das war in den USA Nummer eins „Fly Robin fly“. Das war wahnsinnig erfolgreich, sehr kommerziell. Das ist für mich nach wie vor der Sound, für den München steht, da haben sich einige darauf bezogen, die Merricks, DJ Hell usw. Und genau aus dieser Historie heraus ist es auch klar, dass es in Hamburg eher Bands gibt, die mit Gitarre und Schlagzeug anrücken, als in München. Und deshalb es ist auch klar, dass es in München eher Bands gibt, die so einen Glanz in der Musik haben. So einen anderen Touch. Bei Isar 12 geht das los und geht wirklich bis zur Münchner Freiheit, das geht sogar bis zum dem Rock´n´Roll der Spider Murphy Gang, weil das auch so einen Tick Pop drin hatte.

Koch: Aber das glaube ich hatte schon mehr mit dem Lebensgefühl zu tun, als mit der Disco. Die Frage ist was war zuerst da.

Hartwich: Egal. Das hat sich gegenseitig bedingt.

Wie schreibst Du denn die Texte?

Koch: Ich schreibe über Sachen, die mich beschäftigen. Ich würde das nicht groß proklamieren, aber ich glaube schon, dass Popmusik eine Möglichkeit ist, seine Stimme geltend zu machen, sich Gehör zu verschaffen. Auch politische Haltungen zu vertreten. Und ich kann die Leute dazu bringen, darüber nachzudenken. Das sehe ich nicht als meine Aufgabe. Aber ich kann mir vorstellen, dass Popmusik politischer wird. Dass möglicherweise sogar die politische Äußerung das Entscheidende wird. Ich könnte mir vorstellen, dass das Statement, gar nicht mehr ironisch verbrämt, wieder kommt, mit mehr Bedeutung als jemals zuvor.

Hat Kritik im Pop ihren Platz?

Koch: Ja, aber bei uns steht die Musik im Mittelpunkt. Im Prinzip jedoch geht’s da auch darum, dass man sich nicht dauernd über den Tisch ziehen lässt, dass alles als schön und glänzend verkauft wird, was eigentlich hohl ist. Das sind Sachen, die einen beschäftigen. Und wenn man so einen Text schreibt, muss man sehr genau drüber nachdenken, das ist eine Auseinandersetzung mit einem Thema. Das heißt, dass sie Texte keine letztendliche Weisheit verkünden. Ich glaube, dass die Texte den Prozess der Auseinandersetzung wiedergeben. Da gibt es keine letztendlich Schlussfolgerung, sondern die Beschäftigung selbst ist das Thema.

Wie seht ihr die Situation der Popmusik aktuell?

Koch: Die Musik entwickelt sich nicht nur nicht mehr weiter, sondern sie hat nicht mehr die Bedeutung für große Teile der Jugend. Das ist jetzt eine Art der Freizeitbeschäftigung von vielen. In den 60er, 70er, 80er Jahren dagegen nahm die Popmusik auch Einfluss auf die gesellschaftliche Entwicklung. Das kann man natürlich auch kritisch sehen. Die Popkultur damals hat die Kommerzialisierung vorangetrieben. Das, was in den 60ern Revolution genannt wurde, hat ja dazu beigetragen, dass jetzt in ganz anderem Maße Freizeit konsumiert wird. Das hat den Weg bereitet für riesige Industriezweige, wo wahnsinnig viel Geld gemacht wird. Die haben zwar damals gesagt, das ist alles Müll, aber sie haben den Kapitalismus gefördert.

Nervt es Euch, dass Bands auch immer ein Geschichte brauchen, ein Image, dass die Musik gar nicht die entscheidende Rolle spielt?

Hartwich: Ich will mit diesen acht Menschen Musik machen, weil ich die gut finde, weil wir die gleichen musikalischen Vorlieben haben. Das ist unser Branding. Das steht für sich. Wir vermitteln das auch auf der Bühne. Das ist nicht aufgesetzt.

Kann Popmusik noch in irgendeiner Form die Erfahrungswirklichkeit unsere Gegenwart bündeln?

Koch: Nein, das glaube ich nicht. Ich war gerade bei MGMT auf einem Konzert. Da standen die Leute rum, waren aber nicht richtig dabei. Die schauen sich das an und finden cool, dass sie da sind. Man hat nicht den Eindruck, dass die das wirklich lieben. Die geben nicht alles. Das ist ein bisschen wie in einer Lounge. Musik ist eine Sache von vielen, neben Computerspielen und so weiter, und für kaum mehr jemanden essentiell, wie das früher vielleicht war.

Hartwich: Das ist unsere Zeit, du hast die Möglichkeit von der Techno- zur Schlagerparty zu stolpern und Spaß zu haben. So denken die jungen Leute auch. Das sollte man gar nicht negativ sehen. Das ist auch eine Freiheit, die wir haben.

cover2

Auf dem Cover des Albums sieht man die Band eine Straße entlanggehen. Wo ist das?

Koch: In Giesing. Candidplatz.

Warum habt ihrs da gemacht.

Koch: Das ist unterhalb vom Löwenstadion.

Hartwich: Ich bin Löwenfan.

Koch: Und wenn der neue Straßenkampf irgendwann kommt, dann in Giesing (lacht).

Das sieht schon ein bisschen aus wie eine Gang, auf dem Cover?

Koch: Das ist eine Blosn. So haben wir uns das gedacht.

Warum ist da oben dieses Eck nicht eingefärbt.

Koch: Das war ein Zufall. Wir haben am Computer ein bisschen rumprobiert und fanden das ganz gut.

Hartwich: Das ist auch in der Musik oft so, dass man Sachen macht, die zufällig entstehen, oft durch Fehler, die man selbst plötzlich gut, interessant, spannend, findet und sich sonst gar keine weiteren Gedanken dazu macht. Und die Umwelt liefert dann die Interpretation dazu. Im Grunde kann man dann als Band nur noch „ja“ sagen. Wenn jemand das in einer bestimmten Art und Weise sieht, dann ist das so.

Welchen Stellenwert hat Musik für Euch?

Hartwich: Auf einer Skala von eine bis zehn: zehn. Klar. Man lebt für die Musik, das macht so wahnsinnig Spaß in einer Band zu spielen, mit allen Höhen und Tiefen, das sind große Erfahrungen.

Hartwich: Es macht auch Spaß mit den Leuten zusammen zu sein. Als Teenager hängt man mit seiner Gang ab. Und dann ist das irgendwann vorbei. Mit der Band kommt das wieder.

Seht ihr das als Verlängerung der Jugend?

Koch: Finde ich schon. Aber wie Ringo Star sagt: „Als Popmusiker wird man nie älter als 24“. Früher hat mich der Begriff Berufsjugendlicher gestört. Aber es ist so: Ich hab versucht erwachsen zu werden und irgendwann habe ich gemerkt…(lacht). Ich will nicht in der Firma sitzen und für andere Leute arbeiten, damit die reich werden.

Foto: Tina Rank

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