Stadt, Was machen wir heute?
Ein-Haus-Dorf für Kunst?
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“Grüne Oase mit viel Kunst”. “Subkulturelles Dorf”. So bezeichnen die Domagkler ihre alten Kasernen mitten in München. Ein Dorf? Das war die Künstlerkommune mal, aber heute gehören gerade noch zwei Gebäude dazu. Ironischer Weise auch noch mit dem Titel Haus 49 und Haus 50. Viele Ateliers mussten aus dem Areal der ehemaligen Funkkaserne weichen – für den Wohnungsbau. Nun könnte auch Haus 49 ab dem 31. April wegfallen. Die Künstler wollen den Abriss zur Stunde mit einer Demo am Marienplatz verhindern.
Besucher können sich heute Abend, 1. April, ab 19 Uhr ein Bild von den kreativen Köpfen und ihrer Kunst machen. An der Halle 50 zeigen die verschiedenen Schaffenden ihre Werke. Ebenso kommenden Samstag und Sonntag von 15 bis 18 Uhr. Wer das bedrohte Haus 49 von innen sehen möchte, kommt heute ab 21 Uhr zur Soliparty. Fünf Areas bieten Musik, Einblick und ein rießiges Lagerfeuer.
Nicht nur die Betroffenen demonstrieren gegen den Abriss des Hauses. Musiker wie Peter Horton und Konstantin Wecker schlossen sich der Protestbewegung an. KookaBurra rappte sogar dafür.
KookaBurra – München steht auf! (Rettet Haus49!) by florian gray
Demnächst erscheint auf mucbook.de eine Reportage über die Künstler im Haus 49.
Lars Mentrup hat schonmal die lange Geschichte des Funkkasernen-Areals chronologisiert:
DIE FUNKKASERNE AB 1912
Ab 1912
Königlich-Bayerischer Golfplatz
1936 – 1938
Bau der Funkkaserne im Rahmen der Kriegsvorbereitungen Hitler-Deutschlands
Mai 1945
Übernahme durch US-Army: Einrichtung eines Flüchtlingslagers (Displaced persons camp) durch die UNRRA (UN Relief and Rehabilitation Administration, heute: UN AID)
Mai 1955
Schließung des Lagers
April 1956
Ãœbernahme durch die Bundeswehr im Rahmen der Wiederbewaffnung der Bundesrepublik
Die Funkkaserne ist die erste Kaserne in München, die nach dem zweiten Weltkrieg wieder militärischer Nutzung zugeführt wurde (zunächst 184 Soldaten)
Oktober 1959
Abschluß der Erweiterung der Funkkaserne
Drei Bataillone finden Platz
1991
Erste Ateliers im Haus 50 von der Akademie der Bildenden Künste für Kunststudenten angemietet
1992
Eines der ersten Ateliers im Haus 36 in Eigenregie direkt vom Bundesvermögensamt angemietet
1993
Beginn der Auflassung der Funkkaserne
Oktober 1993
Teile von Haus 35 und 38 werden an Künstler vermietet
(Beginn der Zwischennutzung durch Künstler in großem Stil)
Januar 1994
Haus 50 wird teilweise an die Akademie der bildenden Künste, München und die Musikhochschule vermietet
September 1994
Die ersten Domagktage (Haus 38) finden parallel zur Open Art statt
1995
Gründung des ersten Kunstvereins auf dem Gelände: VAK e.V.
Juli 1995
2. Domagktage (Haus 16, 35, 38)
Mai 1996
Gründung des AKKU e.V.
Juni 1996
Die Akademie zieht sich aus Haus 50 zurück, der AKKU e.V. übernimmt die freigewordenen Räume
Juni 1996
3. Domagktage (Haus 16, 31, 33, 35, 38)
Anfang 1997
Gründung des Vereins Interkunst e.V. (Haus 35)
Juli 1997
4. Domagktage (Haus 16, 31, 33, 35, 38, 50)
Ende 1997
Die Vereine kvd e.V. sowie DoKU e.V. gründen sich
April 1998
Übernahme der Verwaltung der Häuser 45 (kvd) und 49 (DoKU) vom Studentenwerk München
Juli 1998
5. Domagktage (Haus 16, 31, 33, 35, 38, 45, 49, 50)
Juli 1999
6. Domagktage mit insgesamt ca. 100 teilnehmenden KünstlerInnen
März 2000
Gründung der Interessengemeinschaft “Kunstvereine der ehem. Funkkaserne”
15. März: Demonstration auf dem Marienplatz
Juli 2000
13. – 16. Juli: 7. Domagktage mit ca. 100 teilnehmenden KünstlerInnen
Juli 2001
19. – 22. Juli: 8. Domagktage mit ca. 120 teilnehmenden KünstlerInnen
September 2001
7. und 8. September: Workshop Zukunft Domagk
Dezember 2001
Auslobung des städtebaulichen und landschaftsplanerischen Ideenwettbewerbs “Domagkstraße” Es sind 20.000 qm Arbeitsfläche für Künstler vorgesehen
Juli 2002
5. Juli: Ergebnis des Ideenwettbewerbs “Domagkstraße” steht fest
18. – 21. Juli: 9. Domagktage
Anfang 2003
Neuabschluss der Mietverträge mit dem Bundesvermögensamt
Juli 2003
17. – 20. Juli: Domagktage X
Juli 2004
15. – 25. Juli: 11. Domagktage – Geteilt in ein leises Kunst- und ein lautes Musikwochenende
April 2005
Häuser 31, 33, 39 müssen unter der neuen Hausverwaltung Fisser geräumt werden.
(Hier beginnt die langsame Verkleinerung der Domagkateliers)
Juni 2005
28. Juni: Notarielle Beurkundung des Kaufvertrags zwischen der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA, früher: BVA) und dem Kommunalreferat der Landeshauptstadt München
Juli 2005
14. – 17. Juli: 12. Domagktage
2006
1. Januar: Eigentumsübergang der ehemaligen Funkkaserne von der Bundesrepublik Deutschland an die Stadt München
Anfang: Die IG Domagkateliers gründet sich
Mitte 2006
Einige Künstler starten den Versuch gemeinsam mit Wagnis eG ein Genossenschaftsmodell für Haus 49 zu entwickeln
Juli 2006
13. – 16. Juli: 13. Domagktage
Juli 2007
13. – 15. Juli: 14. Domagktage mit Schirmherrschaft des Oberbürgermeisters Christian Ude
2008
Haus 30 mit dem Hauptnutzer Evangeliumszentrum (Gastgeber des Workshops Zukunft Domagk in 2001) muss geräumt werden. Auch einige Künstler, die dort Räume mieteten, mussten ausziehen.
April 2008
Die Domagkateliers gemeinnützige GmbH wird gegründet.
Mitte 2008
Die Häuser 16 wird endgültig, Haus 50 zur Sanierung geräumt. Jahre der baulichen Odyssee in Haus 50 beginnen.
Juli 2008
24. – 27. Juli: 15. Domagktage finden noch in den Häusern 35, 39, 45 und 49 statt. (Haus 50 ist zu diesem Zeitpunkt zur Sanierung geräumt.)
Mitte 2009
Haus 50 kann als städtisches Ateliershaus wieder bezogen werden. Feierliche Übergabe durch Oberbürgermeister Christian Ude und Kommunalreferentin Gabriele Friedrich fand am 11. Juli 2009 statt.
Oktober 2009
8. – 11. Oktober 2009: 16. Domagktage finden noch in Haus 49 und dem sanierten Haus 50 statt.
2010
Die Häuser 35, 38 und 45 müssen geräumt werden.
Haus 50 wird als städtisches Atelierhaus eröffnet und bietet Platz für nur noch etwa 100 Künstler von ursprünglich etwa 300.
Juli 2010
15. – 25. Juli: 17. Domagktage – Geteilt in ein leises Kunst- und ein lautes Musikwochenende (Haus 49 und 50)
2011
Abriss eines Großteils des Geländes
Nach dem Scheitern der Genossenschaftsidee für Haus 49 und scheinbar drohenden Nachzahlungen für die Stadt über 500.000 Euro bei Nichtabriss des Hauses 49, hebt die Stadt einvernehmlich den Mietvertrag mit der Wagnis eG für das Haus 49 auf. Die Untermieterin der Wagnis eG, die Domagkateliers gGmbH, stimmt der Aufhebung nicht zu.
Diese Liste ist nicht vollständig, sondern bezieht sich hauptsächlich auf die im Zusammenhang mit Kunst und KünstlerInnen aufgetretenen Ereignisse.
Quellen: Süddeutsche Zeitung vom 12. November 1999, “Stechschritt und Techno-Trance”; Eigene Recherchen
Zusammengestellt von Lars Mentrup, Stand 5. April 2003; ergänzt um Angaben am 31. März 2011
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