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Wider das Vergessen: von Auschwitz bis nach Litauen

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Der Künstler Paul Huf reist anlässlich des 70. Jahrestages der ersten Deportation jüdischer Münchner mit dem Holocaust-Überlebenden Ernst Grube zu den Zielorten der Deportationen. Die erste Station war Terezin (Theresienstadt). Der weitere Reiseweg führte nach Auschwitz und über Krakau und Lublin nach Majdanek. Wir werden regelmäßig über die Eindrücke berichten und Auszüge aus den Tagebucheinträgen veröffentlichen.

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Ernst Grube vor dem Haus in dem er gelebt hat

Eindrücke von Ernst Grube vom vierten Tag der Reise – Oswiecim:

In der Gedenkstätte

Wir begegnen fast ausschließlich jugendlichen Besuchern, die sich in Gruppen durch die Hauptausstellung bewegen. Aufmerksam hören sie zu und betrachten wie wir die Dokumente der systematisch organisierten „Endlösung der Judenfrage“ u.a. großflächige Fotografien „vor der Selektion“: Menschen um Menschen, vorne die SS – dann die Fotografie „nach der Selektion“: Menschenleere, nur noch Waggons und einige SS Angehörige, die scheinbar zufrieden den Platz verlassen. Arbeit erledigt!

Ich hoffe, dass die jungen Leute sich immer wieder erinnern und fühlen werden, was sie hier wahrgenommen haben, und dass dieses Erinnern und Wissen um die NS-Verbrechen als Barriere gegen rassistische und neonazistische Ideologie und Politik wirkt.

Eindrücke von Ernst Grube vom fünften Tag der Reise – Auschwitz:

„Jews selected by the SS for immediate death in the gas chamber of crematorium IV and V were herded along this road.”
Bildunterschrift, Foto von ungarischen Frauen mit ihren Kindern

Dieses Foto der Kinder kann ich nicht ertragen. Ihre Haltung, der Ausdruck ihrer Augen, die Hände in der Hand ihrer Mütter – ihr gewaltsames Ende.

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Zeichung: Ausschnitt der Zugfahrt Theresienstadt – Auschwitz

Eindrücke von Ernst Grube vom siebten Tag der Reise – In Lublin:

„Rosengarten“ wurde ein etwas abgesonderter Platz am Lagereingang genannt. Hier fand die Selektion aller Inhaftierten statt.

Wer als arbeitsfähig eingestuft wurde, durfte vorläufig weiterleben.

Frauen, die als arbeitsfähig eingestuft waren, und es nicht fertigbrachten, sich von ihren Kindern zu trennen, gingen zusammen mit ihnen in die angrenzende Gaskammer.

Willst du noch leben, wenn dein Kind ins Gas getrieben wird?

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Früher Herbstmorgen in Auschwitz

Eindrücke von Ernst Grube am neunten Tag der Reise – Belzec:

Vernichtungslager Belzec

Mit dem 2. Transport am 21. April 1942 wurden 700 Münchner Juden, wie ich heute weiß, in das Durchgangslager Piaski deportiert. Darunter 10 Kinder aus unserem Antonienheim. Wir noch nicht verschickten Kinder mussten nun mit den Erzieherinnen Henriette Jakobi und Alice Bendix ins Durchgangslager Milbertshofen. Die SS nutzte ab jetzt das Gebäude des jüdischen Kinderheims für den „Lebensborn“.

In der Gedenkstätte Belzec erinnern mich die Vornamen der Ermordeten an der Gedenkwand an meine Freunde aus dem Kinderheim und an meine Verwandten

Erde, bedecke mein Blut nicht, lass mein Schreien keine Ruhestatt finden.
Buch Hiob 16.18

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Zyklon B-Dosen

Eindrücke vom Team (Helga Hanusa) – 10. November:

Bei unserer Ankunft in der Jugendbegegnungsstätte haben wir Judith Hoehne getroffen, die hier in einem beruflichen Austauschprogramm tätig ist. Sie konzipiert und führt Workshops zu Auschwitz III-Monowitz durch. Begleitet von Judith erreichen wir das heutige Dorf Monowice. Zuvor waren wir kilometerlang vorbeigefahren am ehemaligen Buna-Werksgelände der IG Farben. Heute gibt es dort wieder eine riesige Chemie-Fabrik und weitere Gewerbe.

Die IG Farben haben das Dorf Monowice nach der Vertreibung seiner Bewohner zum KZ Standort für bis zu 11.000 Häftlinge bestimmt, die in Baracken und auch in Zelten zusammengepfercht waren. Um die Eroberungspläne des Deutschen Reiches zu bedienen, trieb die IG Farben die Kautschuk- und Treibstoffproduktion in den Buna-Werken voran. Unter für sie profitabelsten und für die Häftlinge tödlichen Bedingungen.

Heute ist davon am Ort nichts dokumentiert. Gleich bei der Einfahrt ins Dorf steigen wir auf der ehemaligen Lagerstraße aus und betrachten das Denkmal, das die Bewohner von Monowice „im ehrenvollen Gedenken an die Gefangenen im Lager IV in den Jahren 1941 bis 1945“ gewidmet haben.

Eindrücke vom Team (Renate Eichmeier) – 10. November

Heute Besuch in Auschwitz II-Birkenau. Ein Kleinbus von der Jugendbegegnungsstätte bringt uns hin. Vom Eingang aus überblicken wir nur einen Teil des Geländes, es reicht weit über den Horizont hinaus. Hier wurden über eine Million Menschen ermordet.

Der größte Teil des Konzentrations- und Vernichtungslagers ist nicht erhalten. Rechterhand: gute zwei Dutzend Holzbaracken, links etwa doppelt so viele Backsteinbauten, ansonsten hohe Elektrozäune, Wachttürme, Barackenreste, dazwischen große freie Flächen – und die Gleise, auf denen die Züge mit den Deportierten aus ganz Europa ankamen. Auf Höhe der Rampe: Hinweistafeln mit Fotos ungarischer Frauen und Kinder vom Juni 1944. Die SS hat sie fotografiert. Verängstigte Menschen, verstörte Gesichter. Sie wurden in den Gaskammern sofort ermordet.

Es ist kalt. Wir beschließen, nur kurz zu bleiben.

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Spion in der Gaskammer

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Denkmal Majdanek

Eindrücke vom Team (Renate Eichmeier) – 12. November

Um 9 Uhr holt uns Wieslaw Wysock im Hotel ab. Er ist Mitarbeiter im Staatlichen Museum Majdanek und führt uns heute durch die Gedenkstätte.

Mit dem Taxi fahren wir auf der Straße von Lublin nach Chelm. Etwas außerhalb der Stadt steht auf der rechten Seite ein großes Monument: Hier ist der Eingang zur Gedenkstätte, die auf dem Gelände des ehemaligen KZs errichtet wurde. Etwa 70 Holzbaracken sind zu sehen. Wieslaw Wysock zeigt uns den Platz „Rosengarten“, an dem die Selektionen stattfanden, in unmittelbarer Nähe sind die Gaskammern. Zwei dunkle Räume, die schweren Eisentüren stehen offen, jede hat ein Guckloch.

Ab Spätsommer 1941 haben die deutschen Besatzer hier zuerst sowjetische Kriegsgefangene, dann vor allem polnische Juden gefangen gehalten. Die meisten wurden ermordet. Wer nicht in den Gaskammern starb, kam bei einem großangelegten Massaker ums Leben. Am 3. November 1943 wurden unter dem Namen „Aktion Erntefest“ 18.000 Menschen erschossen.

Das KZ Majdanek war Zentrum eines Netzes von Lagern, in denen die „Aktion Reinhardt“ umgesetzt wurde: die systematische Ermordung aller Juden im Generalgouvernement.

Weitere Fotos, Eindrücke und Tagebucheinträge auf den Seiten der “Forschungsreise wider das Vergessen”:
http://www.forschungsreise-wider-das-vergessen.de

Alle Fotos von Paul Huf

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