Was machen wir heute?

Occupy anders vorgestellt

Thomas Steierer

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Das Jonglieren mit Zahlen, Immobilien, Menschen. Sprich: Die Finanzwelt. Der Kabarettist Claus von Wagner hat sie sich vorgenommen in seinem denkanstoßend tiefgründigen wie pointenreichen neuen Programm. „Theorie des feinen Menschen“ feierte am Dienstag Premiere in der Lach-und Schieß-Gesellschaft und ist dort bis 14. April zu sehen.

Für seine Erfolgsprogramme „Im Feld“ (2006) und „Drei Sekunden Gegenwart“ (2009) wurde der in München geborene und im oberbayerischen Miesbach aufgewachsene Kommunikationswissenschaftler mit Preisen überhäuft (u.a. Bayerischer Kabarettpreis, Scharfrichterbeil, Salzburger Stier).

In „Theorie des feinen Menschen“ nun konstruiert von Wagner, wie er im Vorfeld verlauten lies, eine „Geschichte von Verrat, Familie und Geld. Im Grunde ein bisschen wie die Sopranos. Nur in live. Als hätte Shakespeare ein Praktikum bei der Deutschen Bank absolviert und aus Verzweiflung darüber eine Komödie geschrieben.“

Eine Komödie, die auch Kriminalstück ist: Der Protagonist des neuen Programms, der Wirtschaftprüfer Claus Neumann, Mitte 30 (wie von Wagner, Jahrgang 1977), entdeckt Leichen im Tresorraum einer Deutschen Bank-Filiale  In Form von verräterischen Bilanzen der Stiftung seines gerade verstorbenen Vaters, vormals ebenfalls Wirtschaftsprüfer , dem zu Ehren er eine Trauerrede schreiben soll. Da er im Tresorraum feststeckt und gezwungenermaßen dort die Nacht zu verbringen hat („Occupy hatte ich mir anders vorgestellt“), macht er sich seine Gedanken, ein tragisch-komisches Kammerspiel nimmt seinen Lauf.

Vielfach pointenunterfüttert. Etwa: Dass die Bankenaufsicht für die Deutsche Bank mit ihren 80000 Mitarbeitern aus nur 10 Mitarbeitern besteht, „das ist wie wenn man einen Schiedsrichter alle Bundesligapartien gleichzeitig pfeifen lässt –mit verbundenen Augen und an die Eckfahne gefesselt.“

In der Schule hatte er ein Jahr Wirtschaft und Recht, “lang genug um zu lernen, dass Wirtschaft und Recht getrennt voneinander sind.“

In einer als Metapher für die Eurokrise dienenden Szene mit einem abstürzenden steuerlosen Flugzeug versucht Bundeskanzlerin Merkel als Stewardess die Passagiere mit der Frage zu beruhigen: „Befindet sich in der 2. Klasse ein Flugkapitän? Nein? Vater unser im Himmel..“

Auch der bayerische Finanzminister habe nur grobe Vorstellungen von der Zukunft, „kann dies aber aufs Kommazeichen genau ausdrücken.“

Was ist von den höchst spekulativen Geldanlagefonds, den sogenannten Derivaten zu halten? „Die organisierte Suche nach dem größten Deppen.“ Derivate regulieren sich selbst? „Da kann man ja gleich einen Hund bitten, auf die Wurstvorräte aufzupassen.“ Die Anleger seien lediglich „Plankton im Meer der Finanzwale und Finanzhaie.“ Geld scheine nur noch etwas wert zu sein, „deswegen heißt das Papiergeld auch Geldschein.“

Claus von Wagner, der mit den Kollegen Mathias Tretter und Philipp Weber seit 2004 auch im Rahmen des „Erstes deutsches Zwangsensembles“ tourt, widmet sich in seinem fünften Soloprogramm erneut meisterhaft dem tagtäglichen Irrsinn des größeren Ganzen veranschaulicht am alltäglichen Kleinen. Aus lebensweltlicher Warte der jüngeren Generation. Mit philosophischer Weisheit. Zum Nachdenken anregend. Und dabei: Sehr zum Lachen. Trotz des lebensbeherrschenden allgegenwärtigen Themas mit persönlichem Vernichtungspotential: Bimbes (Helmut Kohls Terminus für Geld). „Theorie des feinen Menschen“ ist, um programmgemäß mit Wirtschaftsvokabular zu sprechen: Eine sehenswerte Win-Win-Situation. Für Lachmuskeln und Oberstübchen.

Claus von Wagner, „Theorie des feinen Menschen.“ Bis zum 14. April zu sehen in der Münchner Lach-und Schießgesellschaft: Karten kosten zwischen 12 und 22 Euro.

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