Stadt

Helles statt Licht

Philipp Bovermann
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Nobel, nobel: Die Schwabinger Sieben, „das schwärzeste Loch der Welt“, zumindest Münchens, wurde schließlich selbst verschluckt. Die Kneipe, die so gar nicht in das Bild passen wollte, das München gern von sich hat, endete als Opfer der viel diskutierten „Luxussanierung“. Eine Spelunke wird damals  Aufhänger einer Protestbewegung, die einige Studenten organisieren, mit für sie selbst überraschendem öffentlichem Echo: Das ist der Stoff des Dokumentarfilms „Recht auf Licht“, der am Freitag im Rationaltheater vorgestellt wurde. Wir nutzen die Gelegenheit zu einer kleinen Revue.

„Heute waren wir in der Bildzeitung“, flüstert Flo Raabe über seine Schulter in die Kamera, während er sein Fahrrad die Feilitzschstraße entlang schiebt. Der in der grünen Jugend engagierte Medizin-Student und seine Mitbewohner grinsen genießerisch, als sie die Texte auf der Homepage von „Monaco München“ lesen, so der Name des geplanten Appartementkomplexes, in aneignender Anbiederung an das Lebensgefühl des ewigen Stenz: „Die großzügigen, verglasten Loggien ermöglichen es den Bewohnern somit, als Betrachter am urbanen Leben teilzuhaben.“ Flo Raabe und Tobias Rutloff wollen keine urbanen Betrachter in ihrem Viertel, und vor allem selbst keine sein; statt nur zu beobachten, ziehen sie  ins Feld gegen den geschleckten Ausverkauf Schwabings, des kläglichen Rests, den man noch in den „Lage“-Beschreibungen von Immobilienprospekten findet.

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Der Film begleitet die Studenten bei ihrem Weg durch unzählige Telefonate, schließlich auf einem Demo-Marsch die Leopold-Straße hinunter und durch Gespräche mit Politikern sämtlicher Coleur, die alle vage dafür sind, warum auch nicht, für Kleinkunst, Kiez-Charme und Subkultur, aber auch durch die Widersprüche, inwiefern sich eine eingestandenermaßen „abgeranzte Sauf-Kneipe“, das immerhin anspruchsvollere Monopol-Kino und „Mamas Kebap Haus“, die alle drei weichen sollen, zum Symbol des Widerstands gegen Finanz-Spekulation auf Kosten der Bürger machen lassen. Ein beklemmender Hauch Ironie hängt über den Positionspapieren im WG-Flur, aufgestapelt unter dem väterlichen Blick Che Guevaras, der alte Riese, den dort jemand an die Wand gepinselt hat. Andererseits: Um den Spaß geht es doch, und Humor ist ja oft genug selbst Widerstand gegen den nüchternen Ernst wirtschaftlicher und städteplanerischer Effizienz.

schwasi9„Wir wollen es schaffen, dass sich die Leute endlich selber einmischen“, sagt Flo Raabe gemessen, sonst kein Freund leiser Töne. Endlos langsam spricht er diesen Satz, dann erst richtet er seinen Blick in die Kamera, „eindringlich“, wie man so sagt, und springt auf. Er verspricht „so viel wie möglich nicht zu sagen“, doch es ist diese Pressekonferenz in der leergeräumten Schwabinger Sieben, die der Aktion einen herben Dämpfer verpasst, als Flo Raabe, ausgezehrt durch die endlosen Verhandlungen, aber auch durch die schwindelerregend abstrakte Höhe seiner Ziele, in Tränen ausbricht, während ein anderer Protestler den Pressetext verliest; die Kameras und Mikrofone halten unbeeindruckt drauf, Raabe ergreift das Wort und lässt sich dazu hinreißen, Angela Merkel die Schuld zu geben, für was genau erfahren wir nicht, denn seine Kollegen schneiden ihm das Wort ab. „Es geht nicht um Schwabing, nicht um München… auch nicht um Berlin, der ganze Dreck da oben, sondern es geht um uns“, murmelt er, mit dem Blick zum Tisch und nestelt abwesend mit den Fingern an etwas herum.

Dennoch, das Ganze rollt weiter, sämtliche Münchner Zeitungen, aber auch der Spiegel und, unter dem Titel „Schwabing 21“ auch die Zeit, berichten. Das Gefühl, dass München „immer perfekter wird“, berechtige, laut OB Christian Ude, einen Politiker aber „noch lange nicht, irgendwelche Versprechungen zu machen, die er selbst bei gutem Willen, wenn er ihn denn hätte, nicht einhalten kann“ – es geht um das Baurecht, das man nicht einfach beseitigen könne, als er seine Rede zum Auftakt der Demo hält. Der Konjunktiv bleibt der Modus, in dem der von der Aktion angestoßene Diskurs in der politischen Öffentlichkeit geführt wird: sollte, müsste, würde – vorbei an der letztlich sich immer deutlicher als unumstößlich erweisenden Sprache der juristischen Fakten. Zuletzt läuft der Protest zwar zunehmend ins Leere, erfährt andererseits aber gewaltige Sympathien der Bürger und zeigt der Politik, dass mit integrativer, heterogener Städteplanung Wählerstimmen zu gewinnen sind. Immerhin.

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Und in der Schwabinger Sieben? Werden noch ein letztes Mal die Fässer aufgemacht, was sonst. Jahrzehntelang wurde hier getrunken als gäbe es kein Morgen, diesmal ist es wirklich soweit. Ob die neue Schwabinger Sieben in der Feilitzschstraße 15 eine würdige Nachfolgerin ist, darüber kann man sich streiten, zum Beispiel bei einem Bier. Das Fehlen des Innenhofs, wie ihn die „alte Schwasi“ und der nun längliche Barbereich in einem einzigen Raum haben der Stimmung sicherlich nicht gut getan.

Das Monopol-Kino wurde in der Schleißheimer Straße wiedereröffnet, nur Mamas Kebap Haus bleibt bis dato spurlos von der Münchner Landkarte verschwunden – alles geht weiter, aber woanders, die Trias des Schwabinger Nachtlebens, bestehend aus Kebap, Kino und Hellem, versammelt in einem einzigen Gebäudekomplex direkt an der Münchner Freiheit, ist in dieser Form dahin. Sie hatte Symbolcharakter, und darin lag der Hund begraben.

Apropos „begraben“. Eine besondere Ironie besteht ja noch darin, dass Ende August auf dem Gelände des gerade abgerissenen Gebäudes eine Bombe gefunden und schließlich kontrolliert gesprengt werden musste. Die Schwasi macht es ihren Gästen vor, wie man zünftig abtritt – man bettet sich nicht zur ewigen Ruhe, nein, man explodiert. Eine kontrollierte Sprengung als i-Tüpfelchen für die lange Linie ununterbrochener allnächtlicher Verheerungen, eigentlich ein Witz: Kein Wunder, dass die umliegenden Gebäude Feuer fingen. Gute Nacht, Schwabing.

Fotocredits: “Recht auf Licht”

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