Kultur

“Das Internet ist eine feige Sau”.

Thomas Steierer

(C) Sven Bänziger
Michael Mittermeier zählt zu den erfolgreichsten Komikern im deutschsprachigen Raum. Aktuell ist er mit seinem neuen Bühnenprogramm „Blackout“ auf Tour. Die CD ist am 4. Oktober erschienen. Vor seinen bereits ausverkauften Auftritten im Circus Krone (7. bis 9.10.) spricht der 47-jährige Oberbayer und Magister der Amerikanistik im Interview über Blackouts im Großen und Kleinen, sein soziales Engagement, den Kick  von Auftritten in englischsprachigen Raum und die harte Ochsentour zu Beginn seiner Karriere.

Was erwartet die Zuschauer in Ihrem neuen Programm?
„Blackout“ bewegt sich zwischen Blödeln und Politik. Es beschäftigt sich mehr als in meinem letzten Programm „Achtung Baby!“ mit dem Universalen, den globalen Blackouts und den vielen Blackouts im Alltag, die es da gibt. Durch Alkohol, Angst oder wenn es ganz billig wird, dann setzt auch immer das Hirn aus. Es geht in der Show auch darum, was passiert, wenn das Internet ausfällt. Die meisten sind ja ohne das Internet gar nicht mehr lebensfähig. Es gibt ja viele, die haben gar keine Freunde mehr draußen. Die haben nur noch Facebook. Für mich als Kind war Fernsehverbot die Höchststrafe. Heute juckt das keinen mehr, da lachen die Kinder und Jugendlichen nur drüber. Internetverbot, das trifft die heute empfindlich.

In welcher Situation haben Sie selbst einmal einen Blackout erlebt?
Über meine Jugend am bayerischen Land werde ich ein paar Geschichten erzählen. Damals war quasi das Auto der Internetzugang. Wenn Du damals am Land kein Auto hattest, warst Du raus aus der Welt. Wenn Du heute kein Internet hast, bist Du quasi gar nicht existent. Klassiker beim Thema Blackout ist natürlich Alkohol. Es gibt immer einen, der am besoffensten ist. Und die anderen haben sich dann natürlich entschieden, der wird heute geschmückt. Wenn er Glück hatte, nur mit Lametta.

Sie sind regelmäßig in der Welt unterwegs. Hatten Sie auch außerhalb Deutschlands ein einschlägiges Erlebnis?
Ich war beim großen Blackout in New York 2003. Das war schon ein ganz besonderer Moment in einer Stadt wie New York und es wird plötzlich ganz dunkel. Da gehen einem die verrücktesten Gedanken durch den Kopf: Was war das jetzt, ein Terrorangriff oder Zombies? Die Ursache war dann letztlich nur ein Stromausfall. Da haben viele gedacht, jetzt klauen Einbrecher alles. Dem war aber nicht so. Es war einbruchsärmste Wochenende des Jahres 2003. Man möchte es kaum glauben.

Gibt es Blackouts in der Politik?
Im politischen Bereich stellt sich die Frage, ob sich gewisse politische Entscheidungen durch Kurz-oder Dauerblackouts erklären lassen. Ich werde im Programm beleuchten, was der europäische Rettungsschirm ESM zu tun hat mit dem bayerischen Dirndl. Beide sind sich sehr ähnlich im Stabilisieren. Beim Fall Brüderle frage ich mich, ob es ein Blackout war oder ob es nicht Normalität ist, dass Politiker nachts bestimmte Bemerkungen gegenüber Frauen machen. Andererseits stellt sich die Frage, warum ganz Deutschland durchdreht. Bei etwas, was in Bayern als reine Ehrfurchtsbezeugung gilt.

Wie ist das neue Programm entstanden, wieder mit dem Kabarettisten Sven Kemmler als Co-Autor?
Jawohl, Sven und ich haben eine bewährte Arbeitsweise. Wir schreiben gar nicht. Sondern wir treffen uns und quatschen, haben Spaß. Dabei mache ich mir Notizen. Das sind teilweise nur Ideen und Stichworte. Dann gehe ich auf die Bühne damit, probiere aus und entwickle so das Programm. Dadurch entstehen die besten Formulierungen. Ich schneide mit und notiere mir diese anschließend. Wir arbeiten zeitgleich zum deutschen Programm auch an einer englischen Version. Da fließen manche Passagen der deutschen Version in die Englische und umgekehrt.

Gerade sind Sie mit ihrer englischen Programmversion mehrmals im Soho-Theatre in London aufgetreten, zuvor auf Comedyfestivals in Südafrika, Kanada und Schottland. Was macht den Reiz der Auftritte im englischsprachigen Raum aus?
Das ist ein Traum, den ich mir gerade erfülle. Die letzte bestehende Grenze, Herausforderung ist, in einem fremden Land mit anderer Sprache und Kultur aufzutreten. Keiner kennt dich dort. Wenn Du die Leute dort zum Lachen bringst, bist Du wirklich gut. Dort lacht keiner, nur weil du der Mittermeier bist. Es ist eine Art Neustart. Das hat noch kein Deutscher gemacht.

Wie kommen Ihre Auftritte dort an?
In London kürzlich waren meine Auftritte überwiegend ausverkauft. Ich war Support für den britischen Kollegen Eddie Izzard, für mich einer der größten Comedians überhaupt. Der würde mich nicht vor sich auftreten lassen, wenn da 5000 Leute sitzen und keinen Spaß haben. Insofern muss man da liefern und das kann ich. Ob in Schottland oder in London: Die Leute kommen wegen mir, schauen sich das an und lachen. Und das bei einem Deutschen. Das ist schon Wahnsinn.

Prägen die Erfahrungen etwa auf der Insel Ihre Auftritte hierzulande?
Von diesen Auftritten profitiere ich für das deutsche Programm „Blackout“ sehr stark. Es ist eine andere Erwartungshaltung und Härte in Großbritannien. Das dortige Publikum hat alles gesehen. Die haben ein paar mehr gute Comedians wie wir. Du musst permanent liefern, jede Nummer hinterfragen. Das deutsche Programm „Blackout“ ist davon stark geprägt, im Grunde ein klassisches englisches Standup-Programm in deutscher Sprache.

Mit dem Doku-Film „This prison, where I live“, der 2010 hierzulande in den Kinos zu sehen war, haben Sie durch die internationale Aufmerksamkeit des Films dem in Burma inhaftierten Comedian Zarganar zur Freiheit verholfen. Was gibt Ihnen soziales Engagement?
Wenn man bekannt ist, wird man von vielen Menschen gehört. Das ist ein Faktor, den man einbringen kann. An dem Beispiel von Zarganar hat man gesehen, dass man tatsächlich etwas bewirken kann. Wir haben ihn jetzt nicht ausschließlich mit dem Film nicht aus dem Gefängnis geholt. Aber der Film ist von Widerstandgruppen in Burma veröffentlicht wurden, ein paar Millionen Burmesen haben den Film gesehen. Das ist schon ein Faktor, wie mir auch Zarganar, den ich letztes Jahr in London bei einem gemeinsamen Auftritt getroffen habe, bestätigt hat. Es ist fast surreal, dass der jetzige Machthaber in Burma den Film gesehen und Zarganar dafür beglückwünscht hat.

Womit lassen sich Politiker zum Einlenken bewegen?
Am Ende des Tages reagieren Politiker nur auf Wählerstimmen. Erst wenn die merken, ihnen brechen Stimmen weg, ändern die Dinge. Deswegen unterstütze ich auch Organisationen wie „www.one.org“, die Druck auf die Politiker ausüben, ihre Versprechen halten, etwa in Sachen Entwicklungshilfe. Merkel hat öffentlichkeitswirksam Millionen zugesagt und klammheimlich ein Jahr später einen Rückzieher gemacht. Das ist in den Medien dann aber keine Nachricht mehr.

Gut 25 Jahre nach Ihrem Bühneninitialisierungsmoment, als Sie 1987 bei U2-Konzert Bono auf die Bühne holte und sie wussten, das ist es. Was war und ist Ihr humoristischer Antrieb?
In erster Linie geht es um Unterhaltung. Die Zuschauer sollen zwei Stunden lang Spaß haben und ablachen, das ist die Prämisse. Ohne diese funktionieren auch politische Inhalte nicht. Auch der Kabarettist kann ohne seine Witze nicht auf die Bühne gehen. Ich bin nicht so vermessen, zu glauben, bei mir sind Leute im Programm, die hinterher sagen, jetzt wähle ich anders. Das Kabarett ändert erstmal nichts. Aber: Es regt zu Diskussionen an. Darum geht es in der Gesellschaft: Dass diskutiert wird, dass hinterfragt wird. Dass der Sohn nach der Vorstellung zum Papa sagt: Der Mittermeier hat das gesagt, was bedeutet das?

Millionen Menschen sehen via TV Ihre Auftritte, Hunderttausende live, mit dem Buch „Achtung, Baby!“ feierten Sie einen Besteller. Sie sind überaus erfolgreich. Gab und gibt es auch ernüchternde Momente?
Natürlich gab es solche Momente. Etwa, als ich über Wochen beschimpft worden bin, weil ich eine bestimmte politische Nummer oder einen Katzenwitz gemacht habe. Derartigen destruktiven Gegenwind nehme ich nur bedingt auf und scheide ihn mit dem Körper wieder aus. Das macht keinen Sinn. Das Internet ist eine feige Sau, Leute die mich dort anonym beschimpfen, die nehme ich nicht ernst –feiger geht es nicht mehr. Jeder, der mich beschimpft, sollte seinen Namen hinschreiben und mir in die Augen schauen.

Gab es am Anfang Ihrer Karriere mitunter auch Gegenwind?
Wie bei den meisten waren bei mir die ersten zehn Jahre hart, das war natürlich eine Ochsentour. Es gab Abende, da waren keine Zuschauer da und wenn zwei da waren, hast du vor zwei gespielt. Das gab es dutzende Male, hunderte Male. Der Anfang war schon hartes Brot. Ich glaube, aber dass das der natürliche Vorgang ist, am Anfang auszuprobieren. Dass keine Zuschauer kommen, keiner klatscht oder eine Nummer oder ein Programm funktioniert gar nicht. Wichtig ist, dass man immer mit Leidenschaft dabei ist.

Hatten Sie zwischenzeitlich auch mal Zweifel bzw. was hat sie dazu gebracht, durchzuhalten?
Zweifel hatte ich nie. Das Erlebnis beim U2-Konzert in der Olympiahalle 1987 war nicht der Moment, an dem ich gesagt habe, jetzt gehe ich auf die Bühne. Ich hatte damals schon in Fußgängerzonen gespielt und ein Soloprogramm gemacht. Als mich Bono aus dem Publikum auf die Bühne holte und ich auf der Bühne stand, war das aber wie eine Offenbarung, ich wusste ab diesem Moment: Es gibt keine Alternative. Das heißt: Ich habe tatsächlich, egal wie schlecht es gelaufen ist, nie auch nur eine Minute damit verbracht, zu überlegen, ob es das Richtige ist. Ich habe es gewusst. Und wenn es mal nicht gelaufen ist, ist es halt mal nicht gelaufen. Heute beschweren sich die Jungen, wenn sie nicht in irgendeiner Halle spielen dürfen. Ich sage dann: Jetzt tut halt erstmal ein bisschen was.

Foto: Sven Bänziger

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