Leben

“Wir sollten nicht vergessen, Mann zu sein”

Theresa-Maria Werner
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Am 30.10.2013 liest Bernhard Blöchl im Literaturhaus aus seinem Erstlingsroman “Für immer Juli”. Das Buch thematisiert die Folgen der Emanzipation aus Sicht der Hauptfigur Juli, die große Verunsicherung der modernen Männer, die ihr Idealbild zwischen verständnisvollem Softie und testosterongesteuerten Macho suchen. Mit uns hat er vorab über seinen Debütroman gesprochen.

Stichwort „Chat-Sex-Go“, das Kapitel in deinem Buch, in dem es um  Dating-Chats geht. Durftest du im Rahmen der Recherchen deine ganz eigenen Erfahrungen im Chatroom machen?

Bernhard Blöchl: Ich persönlich kenne nur allgemeine Chats. Es reicht aber, wenn man weiß, wie Chats funktionieren. Denn in erster Linie wollte ich mit der Form spielen und einen Chatverlauf in eine Romanhandlung einbauen. Ich bin der Meinung, man sollte als Autor alles tun, um nicht zu langweilen. Ich mag das auch als Leser gern, etwa bei Wolf Haas, der einen auch immer wieder überrascht. Er ist einer meiner Lieblingsautoren, einer, der so wunderbar mit den Formen des Erzählens spielt. Das finde ich großartig. Und mein Chat-Kapitel ist auch so ein Experiment.

Juli – die Hauptfigur begibt sich auf eine Reise nach Wien, um dort bei einem Pick-up-Workshop sein neues Wissen umzusetzen. Er versucht sein Glück in einem Café und scheitert am Objekt seiner Begierde auf lustige Art und Weise. Wie kam es zu diesem Szenario? Durftest du das persönlich erleben?

(lacht) Nein, das habe ich nicht selbst ausprobiert. Hier habe ich mich ganz auf mein theoretisches Wissen verlassen. Ich habe „Die perfekte Masche“ von Neil Strauss gelesen, ein sehr erschütterndes, aber auch erhellendes Buch. Der Autor durchleuchtet darin die amerikanische Pick-up-Szene. Ich habe dann recherchiert, ob es diese Aufreißer-Szene auch bei uns gibt – und natürlich gibt es die auch bei uns. Allein in München finden permanent Seminare statt, bei denen die Teilnehmer losziehen und auf dem Marienplatz zehn Frauen in zehn Minuten ansprechen sollen, um „Opener“ und „Dämpfer“ zu trainieren. Dieses umstrittene, weil sexistische, gleichwohl sehr präsente Thema wollte ich unbedingt in meinen Roman einbauen – auf einer ironisch überhöhten Ebene freilich. Dass das Szenario in Wien spielt, war letztlich mein Wunsch. Da habe ich Theorie und Phantasie miteinander verknüpft.

Und warum das Cafe Savoy – ein Hotspot für Homosexuelle?

Ich wollte eine Szene schaffen, die zeigt, dass bei all diesen Pick-up-Geschichten Männer immer wieder auf die Schnauze fallen, zu hoch pokern oder sich in Missverständnisse verstricken. Ich wollte verdeutlichen, dass rein theoretisches Wissen, wie man eine Frau rumkriegt, in der Praxis nicht immer reicht. Da darf man den Leuten keine Illusionen machen. Als ich das Kapitel schrieb, habe ich mich an meine Besuche in Wien erinnert. So kam ich auf das Café Savoy, ein herrliches Wiener Kaffeehaus, das gerne auch von Homosexuellen besucht wird. Ein idealer Ort also, um mit Klischees zu spielen. Juli versucht dort die weibliche Begleitung eines Schwulen anzubaggern, verzettelt sich dann aber im Gespräch mit dem Typen, von dem er nicht weiß, dass er homosexuell ist, und wird schließlich von ihm angemacht – und die Freundin verschwindet. Eine lustige Idee, wie ich fand.

Dein Buch ist auf eine wirklich witzige Art geschrieben. Man bekommt immer wieder das Gefühl, gerade einen Film zu sehen. Hast du schon darüber nachgedacht, deinen Roman verfilmen zu lassen? Vielleicht mit Doris Dörrie als Regisseurin?!

Ha, schön wär‘s! Ich fänd‘s großartig, wobei ich beim Schreiben nicht an einen möglichen Film gedacht habe. Ich schreibe zwar filmisch, steige also gerne szenisch in die Kapitel ein. Aber eine Verfilmung ist schon noch mal ein eigenes Kaliber. Das Buch ist ja erst kürzlich erschienen, zunächst denke ich nur daran, es bekannter zu machen. Am 30. Oktober darf ich es im Literaturhaus vorstellen, gerne würde ich noch mehr lesen. Das macht mir großen Spaß.

So eine Art Lesung a lá „Caveman“?

(lacht) Nein, keine Show-Lesung – eine Lesung. Wobei dein Gedanke gar nicht so verkehrt ist. Ich mag Lesungen, die nicht zu lang oder eintönig sind. Etwas mehr Abwechslung schadet nicht. Sei es, dass man Musikstücke einspielt – Juli trägt ja im Roman viele Songfetzen mit sich herum. Oder man holt sich noch eine zweite Person mit auf die Bühne, die die Frauenstimme liest. Zum Beispiel.

In deinem Buch geht es um den Weg zur ganz eigenen Männlichkeit im Allgemeinen und Besonderen. Könnte man sagen, du möchtest mit deinem Buch der Feministin Alice Schwarzer die Rote Karte zeigen?

Ganz und gar nicht! Ich schätze Alice Schwarzer als Person, respektiere sie sehr und bewundere sie für das, was sie geleistet hat. Deshalb ist mein Roman eher als eine Art Hinterfragen zu verstehen: Was hat die Emanzipation in den vergangenen 20 Jahren nicht nur mit den Frauen, sondern mit den Männern gemacht? Das ist meine Kernfrage gewesen.

Und das Männerbild insgesamt – wie hat der moderne Mann nun zu sein?

Männer sollten emanzipiert sein, wie ich finde, und Gleichberechtigung sollte selbstverständlich sein. Dennoch sollten wir dabei nicht vergessen, Mann zu sein und ruhig wieder etwas mehr Männlichkeit zu wagen.

Das Interview führte Annett Pachulski.

Bernhard Blöchl liest am Mittwoch, 30.10.2013, im Literaturhaus München. Beginn: 20 Uhr.

www.bernhardbloechl.de

www.maroverlag.de

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