Kultur, Live

„Die Macht des Mittelmaßes“.

Thomas Steierer

polt08 (C) Gerald von Foris

Gerhard Polt ist eine lebende Legende. Nun hat der Autor, Kabarettist, Schauspieler und Filmemacher („Kehraus“, „Fast wia im richtigen Leben“) nach 10 Jahren einen neuen Kinofilm realisiert (Kinostart am Donnerstag, 6.2.).
In „Und Äktschn!“ (Regie Frederick Baker) spielt er den Amateurfilmer Hans. A. Pospiech, der „Hitler als Mensch“ zeigen möchte. Im Interview spricht Polt (Jahrgang 1942) über die Banalität des Bösen, seine Lieblingsfilme, Erfolgsmaßstäbe, und sein Ziele für 2014.

Nach über 10 Jahren sind Sie nun wieder auf der Kinoleinwand präsent. Auf eigenen Wunsch? Oder hat man Sie dafür gewonnen?
Es war mir ein großes Anliegen, „Und Äktschn!“ zu realisieren. Die Geschichte hat uns, dem Filmemacher Frederick Baker und mir, schon lange vorgeschwebt.

War bald klar, dass es ein Kinofilm wird?
Ich überlege, wenn ich eine Geschichte erzählen möchte, vorab, in welchem Medium ist diese gut aufgehoben: Hörspiel, Buch, Bühne? Wir wussten bald, dass das eine filmische Erzählung sein muss.

Warum muss man „Und Äktschn!“ auf der Leinwand zeigen?
Das wäre anders nicht gegangen. Man muss die Figuren unbedingt sehen. Nicht im Fernsehen, sondern bewusst im Kino. Etwa die Gisela Schneeberger, die in ihrer Rolle im Film als Amateurin, als Dilettantin Hitlers Frau Eva Braun spielt. Dass die Schneeberger die Braun als banale Person darstellt, ist, glaube ich, viel plausibler, als viele andere Filme zu diesem Thema zuvor.

Weshalb?
Die Eva Braun war keine Diva, die war ein Münchner Gewächs, eine totale Durchschnittsperson. Auch Hitler und seine ganze Entourage waren äußerst mittelmäßige Menschen, haben Banales geredet und überhaupt nichts Besonderes gewusst.

Im Kino gab es bereits einige Filme, die dieses Hitler-Phänomen beleuchtet haben, von Charlie Chaplin bis Helge Schneider. Wie ergab sich für Sie die Idee, diese Thematik aufzugreifen als Geschichte in der Geschichte?
Ich kannte in meiner Jugend einen Hitler-Biografen namens Dr. Werner Maser. Der hat Hitler anders dargestellt als üblich. Wir kennen ihn meistens im Fernsehen, in Dokumentationen als als brüllende, schreiende Figur, als Dämon. Aber er war kein Dämon, er war ein Arschloch. Wenn man Oskar Maria Grafs schöne Geschichte gelesen hat, in der er mit dem Hitler in der Kurfürstenstraße eine Schmalznudel isst, bemerkt man das niedrige Niveau Hitlers.

Das auch im Film vermittelt wird.
Ein vergleichbares Niveau hat auch der Protagonist, den ich in „Und Äktschn!“ spiele. Ein begrenzter Mensch, der stets unbelehrbar weiterfilmt. Mit diesem Dilettanten und diesem Laienbühnenniveau kommt man dem Phänomen Hitler meiner Meinung nach näher als in anderen bisherigen Versuchen.

Die Banalität spielt bei „Und Äktschn!“ eine große Rolle.
Man sollte das Banale nicht unterschätzen. Das Banale ist für mich das Irre. Dass auch die Banalität eine unglaubliche Kraft hat. Der Hitler hat weder malen können, noch etwas von Architektur verstanden, ist aber, obwohl er Blödsinn verzapft hat, unaufhaltsam seinen Weg gegangen.

Und hat leider die Massen und auch mächtige Menschen für sich einnehmen können.
Ihm ist es gelungen, Leute, die weitaus qualifizierter, gescheiter, gebildeter waren, mitzureißen. Das ist eines der Phänomene dieser Geschichte. Dass es einem Deppen, Hitler, gelingt, gescheite Leute ins Boot zu holen.

Wie erklären Sie sich das?
Selbst Hitler muss auf gewisse Art und Weise doch auch ein charmanter, sympathischer Mensch gewesen sein. Weil wie kommt es sonst, dass er bei gesellschaftlichen Größen und Millionären Gehör findet und zu Salons eingeladen wird? Die haben ihn auf den Schoß genommen, die haben ihn eingekleidet, ihm Messer und Gabel in die Hand gedrückt, die haben ihm gezeigt, wie man Krawatte bindet und wie man Hummer isst. Wenn er nur unsympathisch und blöd gewesen wäre, wäre er da nicht hingekommen. Mit seinem Geschwafel ist es ihm gelungen, bei diesen Leuten Eindruck zu schinden. Das ist das Erstaunliche.

Wie haben Sie diesen Aspekt in Ihrem Film berücksichtigt?
Im Kopf haben wir bei Hitler immer diesen Demagogen, der schreit. Die bisherigen Filme prägen unsere Vorstellung von solchen Persönlichkeiten. Darum lasse ich den Protagonisten, den ich im Film spiele, sagen: Wenn wir den Peter Ustinov nicht hätten, wüssten wir gar nicht, wer der Nero war. Das möchte ich im Film vermitteln: Dass Filme uns ein Bild von einem Menschen transportieren, das aber äußerst fragwürdig ist.

Im Film schlagen Sie die Brücke zur heutigen Digital-Native-Generation. Nach dem Motto: Nur wovon man ein Foto macht, das hat man auch erlebt.
Der Protagonist des Films, der Amateurfilmer, den ich spiele, ist auch Blogger. Ein mittelmäßiger Selbstdarsteller, der schon alles weiß. Mit einer Präpotenz ohne Gleichen, unbelehrbar. Den spiele ich mit Begeisterung.

Wie darf man sich Ihre Rolle bei der Entstehung des Films vorstellen? Hatten Sie alle Fäden in der Hand?
Regisseur von „Und Äktschn!“ ist Frederick Baker, der lange bei der BBC war. Er hat einen besonderen Zugang zur britischen Komik, nicht nur zu Monty Python. Er hat mir englische Sitcoms wie „The Office“ und „Extras“ nahegebracht. Meine Rolle war die des Mitautors und Hauptdarstellers. Wir haben das Drehbuch zu zweit erarbeitet.

Und beim Dreh?
Realisiert haben wir den Film dann nicht natürlich zu zweit. Einen Film zu machen ist immer Teamarbeit. Die Schauspieler haben wir mit einbezogen. Die sind keine Schachfiguren sondern Persönlichkeiten mit einer genauen Vorstellung von ihrer Rolle und haben sich sehr eingebracht. Es war ein gemeinsames Arbeiten, gleichwertig auf Augenhöhe.

Was ist Ihr Anspruch, Ihr Maßstab für den Erfolg des Films?
Ich habe weder einen Maßstab, noch Berechtigung auf Erfolg. Ich schwörs Ihnen: Ich erwarte nichts. Klar ist: Wenn ich Ihnen eine Geschichte erzähle und Sie lachen, dann gibt mir das Auftrieb, weiterzumachen. Aber jeder hat seinen Humor. Ich kann das nicht bemessen.

Interessieren Sie Kritikerurteile und Zuschauerzahlen?
Weder noch. Darauf habe ich keinen Einfluss.

Trotz aller stoischen Bescheidenheit, zufrieden sind Sie mit dem Film?
Ich bin ein Erzähler, dem es gelungen ist mit Hilfe anderer Leute, einen Film zu machen über die Macht des Mittelmaßes, Dilettantenorgien. Ich weiß, dass ich authentisch bin. Im Film lasse ich einen jungen Menschen fragen, ob Hitler für oder gegen die Nazis war -weil ich Leute, die solche Fragen stellen, kenne. Es gibt heute eine solche Unbekümmertheit, dass man es als komisch empfindet und nicht glauben möchte. Ich kann die Welt nicht ändern. Aber: Ich kann sagen, was ich höre und sehe. Es war eine bewusste Entscheidung den Film mit dieser Besetzung und in dieser Form zu realisieren, etwa den Film zu entschleunigen.

Gewissermaßen als Antithese zu den Schweighöfers und Schweigers des heutigen Mainstreamkinos hierzulande?
Ja, aber nicht bewusst gedacht als Antithese. Ich weiß, dass wir einen sogenannten Zeitpuls haben. Ich erzähle aber von meinem Alter und Charakter her gerne langsamer. Ich habe den Duktus des Films daher bewusst langsamer gewählt.

Wie entsteht für Sie ein guter Film?
Wie der Theaterregisseur Peter Steiner einmal gesagt hat: Entscheidend ist, ob die Konzentrationsfähigkeit da ist. Vom Autor, über den Regisseur und die Schauspieler bis zum Lichttechniker: Alle müssen sich konzentrieren. Von der Konzentration hängt die Qualität der Kunst ab.

Der Begriff kommt auch in Ihrem neuen Film vor: Dieter Hildebrand hat Sie als „Kinosaurier“ bezeichnet. Was sind Ihre filmischen Referenzen oder Vorbilder?
Ich sehe gerne schwedische Filme, etwa die Filme von Ingmar Bergmann, der auch ein langsamer Erzähler war. Ich mag italienische Komödien, vor allem die älteren, nicht zuletzt von Eduardo de Filippo. Diese Art des Erzählens gefällt mir wahnsinnig gut und kommt mir nahe. Zugegeben sind es hauptsächlich ältere Sachen, die ich nenne.

Hat sich Ihr Geschmack im Lauf der Zeit etwas verändert?
In meiner Jugend habe ich die „Gebrüder Karamarsov“ verschlungen. Vor etwa fünf Jahren habe ich versucht, diesen Roman von Dostojewski nochmals zu lesen. Da habe ich mir schwergetan. Ich spüre , das epische Erzählen, die epische Breite liegt mir nicht. Auch da man bei den vielen vorkommenden Figuren in diesen Romanen überlegen muss, wer war das noch? Da tue ich mir leichter beispielsweise, etwa bei „Don Quijote“ mit abgeschlossenen Geschichten über drei bis vier Seiten.

Hypothetisch: Was wäre aus Gerhard Polt geworden, wenn er nicht mit Mitte 30 mit dem Hörspiel „Wie wenn ich ein Dachs wär` in seinem Bau“ ins humoristische und filmische Geschäft gekommen wäre?
Ich weiß es nicht. Bei mir gibt es, wie wohl bei vielen Biografien, keine stringente Logik. Als Kind wollte ich Bootsverleiher werden. Mir hat das imponiert: Ein Mensch der nur dasitzt, souverän, auf niemanden angewiesen. Ich bin also gewissermaßen ein gescheiterer Bootsverleiher.Ich hätte vielleicht weiter als Schwedisch-Übersetzer gearbeitet. Über meine Schwedischkenntnisse habe ich die damaligen Lach-und Schieß-Gesellschaft-Größen Sammy Drechsel und Dieter Hildebrand kennengelernt. Das Schwedischlernen hat sich also auf jeden Fall gelohnt.

Ein Ausblick nachdem das lange geplante Filmprojekt „Und Äktschn!“ nun realisiert ist: Haben Sie Ziele und Wünsche filmischer oder nichtfilmischer Art?Das kann man so nicht sagen. Bleiben wir bei der Banalität, von der vorher die Rede war, auch ich werde mich im Banalen etwas verstecken: Ich werde versuchen, ein paar mal in Ruhe zu frühstücken.

Foto: Gerald von Foris

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