Kultur, Live, Nach(t)kritik

Gelungene Spielpause

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Polica_live_muc

Poliça
Support: Scarlett O’Hanna
Strom, München, 24.06.2014

Eine gute Terminplanung kann für das Gelingen einer Konzertreise – sagen wir es vorsichtig – von Vorteil sein. Die Booking-Agentur der amerikanischen Band Poliça hat, zumindest mit ihren deutschen (und englischen, haha!) Terminen, soweit keinen Fehler* gemacht, wäre der Auftritt der Band auf zwei Tage später gelegt worden – nun, man hätte nach dem Umzug von der Freiheizhalle ins kleinere Strom vielleicht noch einmal umbuchen müssen, der Ballsport diktiert dieser Tage schließlich den Lebensrhythmus.

Nun will man den griechischen und japanischen Kickern nicht zu nahe treten, aber die Entscheidung für zwei späte Stunden mit Channy Leaneagh und ihren Kollegen war in jedem Falle die richtige, wo sich die einen sang- und klanglos vom Spielbetrieb verabschiedeten oder auf unschöne Art eine Runde weitermauerten, bewies das Quintett aus Minneapolis beachtliche Geberqualitäten und bescherte allen Anwesenden einen mehr als erfreulichen Abend.

Man übertreibt sicher nicht, wenn man behauptet, Poliça seien auf der Bühne ein Ereignis. Allein die zwei Drumsets mit Drew Christopherson und Ben Ivascu reichen, um den Zuhörer zu beeindrucken – die beiden trommeln sich unter ihren Kopfhörern, um im Bilde zu bleiben, in eine Art Kahn’schen Konzentrationstunnel und fast vergißt man, wie wichtig ihr präzises Zusammenspiel für den kraftvollen, perkurssiv angelegten Sound der Band ist. Einen weiteren wichtigen Aktivposten bekommt man an diesem Abend fast gar nicht zu Gesicht, Ryan Olson, verantwortlich für die synthetischen Arrangements, wurde wegen Platzmangels kurzerhand in einen schwer einsichtigen Bühnenwinkel verräumt, seine Arbeit hat er auf dieser Position trotzdem tadellos gemacht. Und so konzentrierte sich die Aufmerksamkeit vornehmlich auf Bassist Chris Bierden und Sängerin Leaneagh – auch das nicht von ungefähr. Bierden ist als Taktgeber, Antreiber und Stimmbegleitung unverzichtbar, er lenkt den Abend und baut mit seinem grollenden Viersaiter für jeden Song das entsprechende Gerüst.

Channy Leaneagh wiederum erscheint auf den ersten Blick als größtmöglicher Kontrast zum gewaltig pumpenden Elektroniksound ihrer Band, die zarte, kleine Frau, deren Gestik immer auch an die einer Gebärdendolmetscherin erinnert, besitzt aber eine Präsenz und Ausstrahlung, die keine Zweifel zuläßt, wer diese Gruppe wirklich führt und wie ernst sie die Dinge meint, von denen sie auf ihren bisherigen beiden Alben singt. “Shulamith”, das zweite, ist ja nicht nur durch Titel und Optik noch eine ganze Ecke politischer als der Vorgänger, und auch wenn Leaneagh den Begriff Feministin wohlweislich scheut, der (ganz persönliche) Kampf für die Rechte der Frau und gegen jede Art von physischer und psychischer Gewalt bleibt ihr das allererste und wichtigste Anliegen.

Und diesem verleiht sie auch auf der Bühne energischen Ausdruck, Stücke wie das dunkel zuckende “Amongster” oder auch “Dark Star”, “Leading To Death” und “Smug” geraten neben der eher poppigen Single “Chain My Name” zu leidenschaftlichen Abrechnungen und Anklagen. Am Klarsten wird Leaneagh ganz zum Schluß, wenn sie mit “Warrior Lord” und dem wundervollen Lesley-Gore-Cover “You Don’t Own Me” ein Gegensatzpaar als Zugabe intoniert. Das eine getragen, düster und dramatisch, das andere ungewohnt liedhaft, fast ein Chanson, wenn auch der Text – hier bleibt sie sich treu – bekanntlich eine andere, ernstere Sprache spricht. Es sei ihr ein Hauptanliegen, so die Sängerin kürzlich, zusammen mit ihrer Band auf eine Weise zu musizieren, die auch dem Publikum einen emotionalen Zugang zu den Stücken ermöglicht und so vielleicht teilhaben läßt an dem, was sie als eine Art von allabendlicher Meditation empfände – für München jedenfalls scheint das in dieser Nacht geglückt.

* PS: Kleiner Hinweis noch an’s Management: Beim Konzert am Samstag im niederländischen Ewijk nicht mit allzu pünktlichem Beginn rechnen – an diesem Abend will Oranje gegen Mexiko schließlich in die nächste Runde…

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