Kultur, Live

Rasante Rollenjagd sorgt für et(t)liches Gelächter

Perplex im Heppel&Ettlich

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Münchens Hebbel am Ufer schreibt sich mit Doppel-P, heißt Heppel&Ettlich und will hoch hinaus: In der 1. Etage im Schwabinger Kleinkunstbühnen- und Kneipenviertel gelegen, mit Bar, Restaurant im Erdgeschoss und Tabakkiosk ausgestattet, wird auf der Bühne das bunte Gemisch aus Perplex von Marius von Mayenburg in Regie von Christine Neuberger gegeben. Ein hübsches Zuckerl, während alle anderen Theater in der Sommerpause sind.

Das Stück ist neu (erst 2010 führte Mayenburg selbst bei der Uraufführung Regie) und absolut zeitgenössisch. Es ist ein schnelles Verwechslungsspiel mit metatheatraler Ebene; der obligatorische Nazi darf genauso wenig fehlen wie der Quotennackte. Über die Bühnensituation wird reflektiert, über die Vierte Wand und die Rolle des Regisseurs.

Dabei kommt das Stück aber nicht doktrinär und trocken-philosophisch daher, sondern streut gesellschaftliche Momente locker flockig in die Dialoge, die von Mayenburgschem Sprachwitz ummantelt, sich wie bunte Bonbons aneinanderreihen. Längen? Gibt es keine. Kaum sind die Lacher, die das vorhergegangene Bonbon hervorgerufen hat, verklungen, kaut das Publikum schon wieder am nächsten Süßli.

Nicht zuletzt trägt die einfache, sich aufs Wesentliche fokussierende Inszenierungsästhetik von Christine Neuberger dazu bei, dass sich das Verwirrspiel gekonnt entfalten kann.

 

Ein Handlungsstrang? Tausend!

 

Es beginnt alles ganz konventionell als Melda und Chris (ja, es sind die Namen der wirklichen Schauspieler, die die Rollen – alle Rollen – nach dem Vorbild der Mayenburgschen Inszenierung betiteln) aus dem Urlaub in ihr trautes Heim zurückkehren. Denken sie! Die Nachbarn, Sylvia und Christoph, schauen vorbei und nehmen langsam das azurblaue Sofa in Beschlag und – schwups – ist es ihr Wohnzimmer, Melda und Chris müssen das Haus verlassen. Das Hä? des Publikums wird im Folgenden Programm: Chris tritt von der anderen Seite wieder auf und zwar als Sohn der beiden, Melda ist plötzlich das Au-Pair-Mädchen, aber nicht lange – zack! – ist sie Christophs Ehefrau und das Wohnzimmer ist auf einmal eine Skihütte.

Sylvias nächster Auftritt ist der einer Nazibraut und Christoph beschließt erst einmal zu duschen – um dann natürlich nackt aufzutreten und einen langen Monolog zu halten, warum er Darwins Konzept der Evolutionstheorie gerade erfunden hat. Moment! Monologe gibt es eigentlich nicht, unterrichtet ihn Melda. Schließlich möchte er ja nicht mit einer Wand reden, der Vierten Wand. Okay. Was nun? „Es wird schon jemand kommen, mit dem du reden kannst. War ja bisher auch so.“, sagt Melda.

Der Treppenaufgang zum Bühnenraum ist mit den Plakaten zu kommenden Darbietungen gepflastert: Kleinkunst & Kabarett.

Der Treppenaufgang zum Bühnenraum ist mit den Plakaten zu kommenden Darbietungen gepflastert: Kleinkunst & Kabarett.

Die Kostüme (Andreas Schwark), eins zu eins abbildend, sind absolut ernst zu nehmen. So tritt Christoph unter anderem im Ganzkörperkostüm eines Elchs auf, schläft mit Chris hinterm Sofa, woraufhin dieser mit ihm in den hohen Norden ziehen will. „Aber ich bin gar kein echter Elch! Das ist doch nur eine Verkleidung!“, ruft Christoph.

Es sind kleine dramaturgisch-sprachliche Kniffe des Stückes, die die Darsteller performativ in andere Rollen schlüpfen lassen, die Struktur des gesamten Systems Theater-Spielen augenzwinkernd thematisieren.

Verwirrend? Halb so schlimm. Die Darsteller spielen mit vollem Engagement eine jede Rolle, in die sie gerade geschlüpft sind. Die Brüche zwischen den Figuren fließen, die Inszenierung hat Tempo, es ist eine beschwingte Bühnenpartie – oder besser gesagt: Bühnenparty. Erzählebenen überlagern sich, rutschen ineinander; trotzdem wird das Sprechgewitter durch einen gewissen Spannungsbogen elektrifiziert, der durch die unerwarteten Rollen- und Ortswechsel ausgelöst wird.

Irgendwann ist dann aber wirklich Schluss: Christoph kommt im schlabbrigen Techniker-T-Shirt auf die Bühne und fängt an abzubauen. Der Regisseur kotze sonst in die nächste Reihe, wenn er das Bühnenbild noch drei Minuten länger ansehe. Um die petroleumfarbene Wand, die als Hintergrund fungiert, ist es wirklich nicht schade – um die rasante Rollenjagd, die die Schauspieler sich liefern, schon.

Fazit: Leichte Kost einer süßen Sprach-Bonbonkette macht einen guten Unterhaltungsabend.

 

Durch den Speisesaal eines Restaurants, am Tabakkiosk in einem kleinen Flur vorbei, die nostalgische Wendeltreppe nach oben ins Heppel&Ettlich...

Durch den Speisesaal eines Restaurants, am Tabakkiosk in einem kleinen Flur vorbei, die nostalgische Wendeltreppe nach oben ins Heppel&Ettlich…

 

MIT Melda Hazirci, Sylvia Weikert, Chris Mancin, Christoph Pabst
REGIE: Christine Neuberger
BÜHNE, KOSTÜME: Andreas Schwark

Premiere: 13. August 2014
Weitere Termine:
Do 14. – Sa 16. – Do 28. – Sa 30. August 2014
Do 4. – Sa 6. September 2014

 

 

 

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