Kultur, Live

Die Stützen der Gesellschaft

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Seit September gibt es eine neue Lesebühne in München. Im Theater im Fraunhofer in der Münchner Isarvorstadt sind nun jeden dritten Dienstag im Monat Fee, Alex Burkhard, Sven Kemmler und Frank Klötgen mit eigenen Texten zu hören und zu sehen.

“Und darf ich auch werden, was ich möchte?”

“Ja, das darfst du.”

“Dankeschön. Dann möchte ich keine Stütze der Gesellschaft werden.”

“So? Warum nicht?”

“Ei, weil ich glaube, das muss schrecklich langweilig sein.”

Mit diesen Worten aus Ibsens Werk Die Stützen der Gesellschaft beginnt der Abend. Die Poeten tragen abwechselnd Texte vor, die überwiegend selbst geschrieben sind. Jedesmal wird eine neue ‘Stütze’ vorgestellt. So war es am Premierenabend Henrik Ibsen und am zweiten Abend Erich Kästner. Die einzige Voraussetzung, außer natürlich der Kompetenz zur Gesellschaftsstütze: Die Person muss eine Zeit lang in München gelebt haben. Der zweite Teil nach der Pause wird durch den sogenannten ‘Tee mit Fee’ eröffnet, zu welchem – neben Tee – auch Antworten gegeben werden, auf in der Pause abgegebene Fragen an die Poeten.

Das Programm profitiert besonders von seiner Abwechslung und Vielfalt. Michael Sailer, Gastpoet am Premierenabend, zeigte in seinen zwei dramatischen Texten über Exhibitionismus und die unüberschaubare Begrifflichkeit von Cannabis ein breites Spektrum von Typen, die er durch schnelle Wechsel von Stimmfarbe, Ausdruck und Sprechhaltung charakterisierte. Während der zweite Gast des Premierenabends, Sebastian23 vom Poetry Slam geprägte ironische, wortspielerische Texte vortrug. Die Inhalte reichen von der Unmöglichkeit der bayerischen Gothik über Lao-Tse Zitate (Kemmler) bis zur entromantisierenden Geschichte einer Zweierbeziehung über den Widmungsspruch “Es ist wie es ist” auf einer Parkbank im englischen Garten (Burkhard). Zu einem der wirklich ernsten Momente kam es durch den Text Medea von Fee. Sie erzählte die Geschichte der Mutter, die ihre eigenen Kinder tötete, in die heutige Zeit transferiert, auf berührende und tief psychologisierende Art. Frank Klötgen bringt Kontinuität in die Abende, indem er sich jedesmal einer neuen Todsünde widmet. Man darf gespannt sein, was nach Neid und Völlerei als nächstes kommt. Auch zeigte er mit seinem Teampartner Wehwalt Koslovsky, wie man Texte zu zweit vortragen kann.

Trotz des überwiegend humoristischen Programms, ist durchwegs ein politisch-philosophischer Anspruch zu erkennen. Die Stützen der Gesellschaft ist eine Lesebühne, bei der es sich lohnt, häufiger zu kommen. Das intime Ambiente der Hinterhofbühne des Wirtshauses Fraunhofer kommt den durchwegs gelungenen Abenden zu gute.

Die nächsten Termine: 18.11.2014 – 16.12.2014 – 20.01.2015 – 17.02.2015 – 17.03.2015

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