tagebook von Kino der Kunst

Musical im Leichenschauhaus, Porno im Museum und virtuelle Reise in die Zukunft im Ägyptischen Museum

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Avantgarde gegen Hochkultur, Underground gegen Massenmedien, Künstlerfilm gegen Hollywood. Die zweite Ausgabe von KINO DER KUNST vom 22. bis 26. April 2015 verspricht, eingefahrene Kategorien von Kunst und Kino gründlich durcheinander zu wirbeln.

Unter dem Leitmotiv neuester filmischer Erzählformen werden aktuelle Filme von Phil Collins, Pierre Huyghe oder Shirin Neshat gezeigt, dazu Weltpremieren von Jochen Kuhn, Bjørn Melhus, Saskia Olde Wolbers. Rare Installationen von Sam Taylor-Wood und Jesper Just bis Ed Atkins, Ryan Trecartin und Camille Henrot verlängern die Erzähl-Kunst in den musealen Raum.

KdK 2015_Internationaler Wettbwerb_Shirin Neshat_Illusions & Mirrors_2013_Proudctionstill

Shirin Neshat — Credit: Shirin Neshat nimmt ihrem Werk „Illusions & Mirrors” am Internationalen Wettbewerb teil. — „Illusions & Mirrors”, 2013, Production Still, © Shirin Neshat, Courtesy the Artist and Gladstone Gallery, New York and Brussels
Artwork realized with support of Dior

Gerne erinnert man sich an KINO DER KUNST 2013 zurück, als die Jurymitglieder Cindy Sherman, Isaac Julien, Amira Casar und Defne Ayas Münchens Kunstareal unsicher gemacht haben. Die Unsicherheit, ob München tatsächlich noch ein Festival braucht, ist nun überwunden und eindeutig mit ja zu beantworten. KINO DER KUNST ist weltweit das einzige Festival, das sich in dem Maße mit dem Künstlerfilm auseinandersetzt und die Mauern zwischen KINO und MUSEUM niederreißt.

Zwei Jahre später ist das Festival endgültig in München angekommen, was nicht zuletzt der offizielle Trailer zur diesjährigen Ausgabe zeigt. Cast und Team bestehen aus vielen bekannten Gesichtern der jungen Münchner Musik- und Kulturszene: Die Regisseurin Susanne Steinmaßl versammelt in ihrem ambitionierten 35mm Kunstvideo Polina Lapkovskaja, Benedikt Brachtel und Manuel da Coll von der Post Punk Disco Band Pollyester, sowie Mirko Hecktor, Jovana Reisinger, Anton Schneider aka. Fatoni, Juno Meineke und viele andere. Florian Kreier und Cico Beck von dem Experimentalpop-Trio Aloa Input liefern den vielschichtigen Sound. Seht und hört selbst:

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In diesem Jahr steht KINO DER KUNST unter dem Motto „Science&Fiction“. Das hat gute Gründe. Zum einen wird deutlich gemacht, dass der Umgang bildender KünstlerInnen mit dem bewegten Bild eine überraschend wissenschaftliche Gründlichkeit besitzt, mit der die heutige massenmediale Bildsprache analysiert wird. Und zum zweiten wird gezeigt, wie spielerisch Gegenwartskunst Fiktion einsetzt, um Realismus zu umgehen und so unsere fernsehgeplagten Sehgewohnheiten kurzzuschließen.

Das Angebot wird noch differenzierter sein, als bei der ersten Ausgabe des Festivals 2013: Es wirft einen Blick auf den Umgang mit den narrativen Formen von Heute und Morgen, indem u.a. künstlerisch relevante Beispiele des wohl wichtigsten Unterhaltungsmediums der nächsten Jahre gezeigt werden: den Videogames. Im Museum Ägyptischer Kunst versucht die Videogames-Ausstellung „Archäologie der Zukunft“ mit Videospielen von Bill Viola, Lea Schönfelder & Peter Lu oder The Chinese Room einen Vorgeschmack auf künftige Erzählformen.

KdK 2015_Ausstellung Creating Realities_Sam Taylor Wood, Stills aus „Atlantic“, 1997_3

Creating Realities — Credit: KdK 2015_Ausstellung Creating Realities_Sam Taylor Wood, Stills aus „Atlantic“, 1997_3

Die Entwicklung des narrativen Künstlerfilms der letzten 20 Jahre dokumentiert die Ausstellung „Creating Realities“. Begegnungen zwischen Kunst und Kino“ in der Pinakothek der Moderne und im Museum Brandhorst. Kuratiert wird die Ausstellung von von Bernhart Schwenk (Pinakothek der Moderne), Susanne Touw und Cornelia Gockel sowie Franziska Stöhr (KINO DER KUNST) und Achim Hochdörfer (Museum Brandhorst). In vier Kapiteln wird anhand von Künstlern wie Pierre Huyghe, Yang Fudong oder Ryan Trecartin deutlich gemacht, wie bildende Künstler Narration weiterdenken. Das erste Kapitel wurde bereits am 5. Februar eröffnet, am 10. März eröffnet das zweite Kapitel „L’Ellipse“ und lässt die Ausstellung um zahlreiche inspirierende Werke wachsen.

Um den fließenden Übergang von heute auf morgen geht es im Internationalen Wettbewerb mit rund 50 Filmen. Die diesjährige Jury – mit der bedeutenden Privatsammlerin Ingvild Goetz, dem bekannten Kurator und Ko-Direktor der Serpentine Gallery in London Hans Ulrich Obrist und einem der wichtigsten Künstler Chinas Yang Fudong – wird sich der Herausforderung stellen, die Preise im Gesamtwert von 25.000 € zu vergeben. Schon heute werden einige der teilnehmenden KünstlerInnen und Filme verraten:

Phil Collins

Der Brite Phil Collins beginnt in „Tomorrow is Always Too Long“ aus der schottischen Stadt Glasgow mit unschuldig dokumentarischer Kamera und liefert dann ein schräges Musical mit singenden Laien.

Bjørn Melhus

In dem neuesten Film von Bjørn Melhus, einer Mischung aus Musical und Science-Fiction, aufwendig gedreht in Istanbuler Modellsiedlungen und einem Berliner Leichenschauhaus, lässt der Künstler Sektengurus, Zombies und andere Puppen tanzen, natürlich alle gespielt von ihm selbst.

KdK 2015_Internationaler Wettbewerb_Bjørn Melhus_Freedom & Independence_2014

 Bjørn Melhus — Credit: Bjørn Melhus, „Freedom & Independence”, DEU 2014, 15’, Limboland Productions, Berlin

Evangelia Kranioti

Die Griechin Evangelia Kranioti reiste monatelang als einzige Frau auf Handelsschiffen mit und erzählt in „Exotica, Erotica, Etc“ von Sehnsucht, Verlangen und der Tristesse der zurückgelassenen Frauen in den Hafenbordellen rund um den Globus.

Omer Fast

Bei Omer Fast geht es in „Everything That Rises Must Converge“ um Geld und Liebe, er inszeniert im Splitscreen-Verfahren den Alltag kalifornischer Pornodarsteller.

Laure Prouvoust

Turner-Preisträgerin Laure Prouvost lehrt uns in „How To Make Money Religiously“ mit feiner Ironie, wie man Geld lieben lernt.

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Cory Arcangel, Installation view: All The Small Things, Herning Museum of Contemporary Art, Herning, Denmark, March 21–September 21, 2014, Photo: Sacha Maric, Courtesy of the artist and Gallery Thaddaeus Ropac

Eine Solopräsentation im Espace Louis Vuitton München des Preisträgers für das filmische Gesamtwerk 2015, Cory Arcangel, stellt ein weiteres Highlight des diesjährigen vielseitigen Programm von KINO DER KUNST dar. Der Amerikaner Arcangel ist mit nur 36 Jahren längst einer der Pioniere künstlerischer Auseinandersetzung mit neuen und neuesten Medien.

Also vom 22. bis 26. April 2015 Zeit nehmen und sich auf die Reise durch die Zwischenwelten von KINO und KUNST einlassen. Mehr Infos zu weiteren Highlights gibt es schon bald hier.

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