Kultur, Nach(t)kritik

Kraftklub im Zenith

Cornelius Zange

Wenn man auf ein Konzert geht, hat man meistens eine Erwartung an den Abend. Schön ist es, wenn sie getroffen wird, noch schöner ist es, wenn sie übertoffen wird. Kraftklub spielten am Donnerstag im Zenith und übertrafen meine Erwartungen meilenweit.

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Nachdem Playfellow den Abend eröffneten, senkt sich ein schwarzer Vorhang. Im Puplikum herrscht eine Atmosphäre wie im Fußballstadion: auf Kraftklub-Sprechchöre folgt ein “alealealealeo BVB Hurensöhne”

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Auch wenn die Band große Hallen füllt, ist sie immer noch real, yo. Am Donnerstag waren Kraftklub zum dritten Mal in München, seitdem ihr zweites Album “In Schwarz” erschienen ist. Im vergangenen September machten sie mit ihrem Konvoi in Schwarz halt auf dem Flohmarktgelände neben dem Zenith. An einem Sonntagmorgen veröffentlichten sie damals den Ort ihres Konzerts und Fans konnten sich an den Optimolwerken ein kostenloses Bändchen für das Konzert abholen. Anstatt von ihren Fans die Kohle für ein Konzert abzuknöpfen, ließen sie sich die Tour von einem bekannten Energiebrause-Hersteller sponsoren. Einen Monat später spielten sie eins der letzten Konzerte im Atomic Cafe und brachten die Bude zum Kochen. Nennt mich naiv, aber ich glaube, wenn eine Band in einem kleinen Club spielt, obwohl sie auch eine große Halle füllen könnte, dann macht sie das, weil sie Bock drauf hat.

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Nach kurzer Zeit hatte man auch im Zenith das Gefühl in einem Club zu sein. Felix Brummer, der Sänger der Band, beherrscht den Kontakt zum Publikum perfekt und für die Tour haben sich die Jungs aus Karl-Marx-Stadt nochmal ordentlich was einfallen lassen. Felix antwortet schlagfertig auf Zwischenrufe aus dem Publikum, erzählt Geschichten und telefoniert mit Nadin, der Freundin von Max (Typ aus der ersten Reihe), die es nicht zum Konzert schaffte. Das macht auch die Pausen zwischen den Songs sehr unterhaltsam.

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Musikalisch blieben sich Kraftklub mit dem zweiten Album treu. Die Songs knüpften nahtlos an das erste Album an. Vielleicht sind die Texte ein bisschen ernster geworden. Sie treffen, so kitschig das klingen mag, den Nerv der Jugend. Rock’n’Roll entstand einst aus einer Unzufriedenheit heraus. Zu ihm gehört immer eine gewisse Portion Protest. So handelt der Song “Meine Stadt ist zu laut”, den sie am Donnerstag für das Atomic Café spielten, von Gentrifizierung und in “Schüsse in die Luft” geht es um politisch desinteressierte RTL-Zuschauer.

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Zunächst braucht das Publikum komischerweise ein bisschen, bis es in Fahrt kommt. Es wird nur kurz geklatscht und zwischen den Songs wird es manchmal fast still. Erst in der zweiten Hälfte des zweistündigen Konzerts geht so richtig der Punk ab. Der Startschuss ist passenderweise “Blitzkrieg Bop”, das sie zusammen mit der Vorband spielen. Danach spielt die Band ein Medley und verschwindet kurz. Plötzlich steht die Band ohne den Schlagzeuger auf Höhe des Mischpults mitten in der Halle. Dort spielen sie ein paar Songs und starten von dort aus ein Wett-Stagediving zurück zur Bühne.

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“Mittlerweile zahlen die ernsthaft 30 Euro für ne Karte” – Unsere Fans

30 Euro sind kein Cent zuviel. Das Meiste des Eintritts scheint in Pyrotechnik investiert zu werden. Ständig knallt es, einmal stehem Männer mit Sturmmasken und Bengalos, verteilt in der Halle oder es schießen kunterbunte Schnipsel aus allen Ecken.

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Was das Publikum als Zugabe will, ist klar: Einstimmig wird die Frage mit: Randale beantwortet. Nach Scheiß in die Disko verabschieden sich Kraftklub nach 2 Stunden Show endgültig. Kaum jemand verlässt das Zenith mit trockenen Achselhöhlen. Selbst in der Ubahn beschlugen noch die Scheiben.

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Fotos: Deniz Ispaylar

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