Kultur, Live, Nach(t)kritik

Kleinkrieg

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Zugezogen Maskulin
Support: Kenji451
Kranhalle, München, 9. April 2015

So, ganz genau so hatte man sich das auch vorgestellt, als einem Anfang des Jahres das neue und ohne jede Übertreibung grandiose Album von Zugezogen Maskulin unterkam: Wirrer Blick, autistische Zuckungen, Adrenalin bis unter die Halskrause – blitzgescheite, giftige Rhymes von provinzgeschulten Plattenbaukindern. Testo und Grim 104 jedenfalls kokettieren auf’s Großartigste mit den Klischees, die sie selbst bedienen: Den Berliner Hipstern geben sie die durchgeknallten Dorfdeppen, denen Langeweile und Crystal Meth die letzten Hirnzellen weggebrutzelt haben und die nach Rotkohl, Kartoffeln und Rouladen stinken, sobald sie nur ihr vorlautes Maul aufreißen. Den Münchnern wiederum präsentieren sie sich als kampferprobte Straßenköter, Kiezbewahrer und Todesdrogenjunkies, maximal geflasht, immer unter Strom und allzeit bereit, sich im Dienste der Moshpit Knochen und Stimmbänder zu ruinieren. Und auch wenn der Sound etwas schrottig, die Beats von Buddy Kenji451 eine Spur zu blechern rüberkommen – die Unterhaltung funktioniert. Stakkato-Raps feiern die neuen wie die alten Stücke, ununterbrochene Bewegung, ein Hetzen und Stolpern durch die deutsche Spießerhölle – Schnappatmung rules. „Entartete Kunst“, „Scheiterhaufen“ wunderbar – „Alles brennt“ und „Plattenbau O.S.T.“ sowieso, spielerische Authentizität, die manchmal auch wehtun muss. Nach neunzig Minuten wacht man schweißgebadet auf, wie aus einem Albtraum. Der grauweiße Rauch hat sich verzogen, der Krieg ist vorbei – für heute.

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