Anzeige, tagebook von Philomena Poetis

Gedanken zu 50 Jahren deutsch-israelischen Beziehungen

Philomena Poetis

Am 12. Mai 1965 beschlossen Bundeskanzler Ludwig Erhard und Israels Ministerpräsident Levi Eschkol die deutsch-israelischen diplomatischen Beziehungen wieder aufzunehmen.

Obwohl diese Annäherung nicht die einfachste war und die Beziehungen in 50 Jahren durch die ein oder anderen politischen Höhen und Tiefen gingen, ist erfreulich, welch positive Kooperationen, Projekte und enge Freundschaften sich, auch im Bereich der Wissenschaft und Forschung, entwickelt haben.

So ist es mir eine besondere Ehre, zu einem Festbankett der Freunde der Hebräischen Universität Jerusalem in München eingeladen worden zu sein und mit Wissenschaftlern, Forschern und Studenten des israelischen Edmond & Lily Safra Center for Brain Sciences (ELSC) und des Max-Planck-Instituts für Neurobiologie die Jahre der Kooperation zu feiern – ein beeindruckender Abend mit faszinierenden Menschen, höchst spannenden Gesprächen und atemberaubenden Geschichten.

Besonders beeindruckt mich Roni Abel, erst 28 Jahre alt, aber bereits wissenschaftliche Mitarbeiterin zur Erforschung von Unterschieden in der Sinneswahrnehmung im Gehirn. Sie entwickelt ein Programm, welches Blinde mit Hilfe von Tönen sehen lässt. Durch Schallwellen und hohe und tiefe Töne kann ein Bild, sogar farbig, beschrieben werden – echt unglaublich.

Zudem habe ich das Glück neben Prof. Shaul Hochstein zu sitzen, der sich mit der Erforschung des menschlichen Visualisierungssystems, vom Einfall des Lichts im Auge bis hin zur Verarbeitung dieser Information in unseren Gehirnen, beschäftigt. Wir sprechen über Synapsen im Gehirn, die – wie Menschen – nur im Kollektiv und durch die verschiedenen Verbindungen mit- und untereinander funktionieren. Für mich als Soziologin ein neuer, sehr spannender, theoretischer Ansatz.

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mit Professor Shaul Hochstein

Schwieriger werden die persönlichen Fragen des Professors im Laufe des Abends. Er ist daran interessiert, wie ich Geschehnisse des zweiten Weltkrieges verarbeite und ob ich mich – als junge Deutsche – mit diesem Teil der Geschichte auseinandersetze.

Selbstverständlich habe ich jahrelang in Familie und Schule die Fakten gelernt und über die Gräueltaten gesprochen, aber wirklich begriffen, dass dies Teil meiner Persönlichkeit ist, habe ich es erst durch meine Schwester.

Penelope Poetis, Geschichtsstudentin in Florenz und München, hat 2013 ihr Buch Offenen Auges veröffentlicht, indem sie die Rolle der Frau und die Rolle des Münchner Gymnasiums Max-Josef-Stift während des zweiten Weltkrieges beschreibt. Funde aus dem Archiv ihrer Schule, wie Briefe und Dokumente, und Teile des faschistischen Gesetzestextes von 1933-1945 werden von ihr in eine fiktive Geschichte zwischen Freunden und Geschwistern eingebettet, die das Mädchengymnasium während der Kriegszeit besuchten.

Plötzlich waren es für mich nicht mehr nur furchtbare Geschichten und unvorstellbare Zahlen. Es waren Personen, wie du und ich, wie meine und deine Nachbarin oder Schulkameradin, die sich für den richtigen oder falschen Weg entschieden haben. Von meiner Schwester habe ich gelernt, dass man Schuld nicht bei anderen suchen kann, man immer selbst für seine Taten und Entscheidungen verantwortlich ist und es Pflicht ist, gesellschaftliche Verantwortung auch zu tragen.

Wir können die Geschichte nicht verändern, aber jeder von uns kann die Zukunft formen.

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