Kultur, Nach(t)kritik

Poet an den Saiten – Renaud García-Fons

Christina Maria Bauer
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Bevor er damit an diesem Abend den ersten Ton spielte, rieb er seinen Bogen noch mal sorgfältig mit Harz ein. Erstmals seit gut zehn Jahren stand er am vergangenen Samstag auf der Bühne des Jazzclubs Unterfahrt, Renaud García-Fons, der sich in den Gefilden von Jazz und Weltmusik längst den Ruf eines der derzeit besten und innovativsten Bassisten erspielt hat. Er wurde von der International Society of Bassists (ISB) in den USA als bester Solist ausgezeichnet, seine beim Münchner Label Enja veröffentlichten Alben unter anderem mit dem Preis der Deutschen Schallplattenkritik und dem ECHO Jazz.

Da galt es im ausverkauften Club etwas einzulösen, selbst wenn der in Paris lebende Musiker aus Katalanien andernorts auf wesentlich größeren Bühnen konzertiert. Mühelos zog er die Zuhörer mit seinem Spiel in Bann, bei dem er gleich zu Anfang in die Waagschale warf, wofür er besonders bekannt ist: Den Kontrabass als lyrisches Melodie-Instrument hell, fast kristallin, singen zu lassen. So erhielt die fünfte Saite, um die er sein Instrument vor über zwei Jahrzehnten erweitert hat, bei der wohldosiert-wendig eingesetzten Bogentechnik reichlich Aufmerksamkeit. Das galt, wie sich schnell zeigte, ebenso für die fingerfertig, wahrlich kunstvoll gesetzten Pizzicato-Parts. Gerade in den Höhen schwelgte García-Fons ausgiebig, nur manchmal kontrastiert von breiten, erdigen Klängen in den tiefen Registern.

Ganz im Stil des Klangforschers bezog er einiges an Extended Techniques ein, von Slap-Techniken bis zum rhythmischen Schlagen der Saiten mit dem Bogen bei gleichzeitigem Melodiespiel. Elegant blätterte er im Lauf des Konzerts ein in dieser Form wohl einzigartiges Repertoire aus seinem Instrument, das sich in Klang und Spielweise mal einem Cello, einer irischen Fiedel, einer Gitarre oder einem E-Bass annäherte. Ein Großteil der Stücke führte durch schnelle Tempi mit vielen Wechseln, eingefangen etwa im Original „Montmartre Courante“, bisweilen kam Träumerisches zum Anklingen, vereinzelt Melancholisch-Zurückhaltendes, etwa in der fragilen Interpretation des Stückes „After the Rain.“

Zugleich transportierte der Bassist in dem neuen, in Deutschland erstmals vorgestellten Repertoire mit dem Titel „Revoir Paris“ melodische, harmonische und rhythmische Einflüsse der süd- und osteuropäischen, lateinamerikanischen und arabischen Welt in die musikalische Sprache des Jazz. Eine Entsprechung zur Vielfalt seiner Wahlheimat, die seine persönliche Musikertradition nahtlos fortführt, in der er schon immer gern die Kooperation mit Repräsentanten anderskultureller Stile suchte, etwa mit Derya Türkan an der Kemençe, dessen türkischem Landsmann Kudsi Ergüner an der Nay, dem Tunesier Dhafer Youssef an der Oud oder der vietnamesischen Sängerin Huong Thanh.

Viel solistischer Glanz also, doch García-Fons erwies sich auch als solider Begleiter, der im Hintergrund stehen kann, etwa für die Soli des Akkordeonisten David Venitucci. So konnte dieser aus der Ebene des dialogischen Verwebens seiner flächigen bis schillernden Melodielinien mit denen des Basses ab und an auch ganz in den Vordergrund treten. Bei dieser Gelegenheit demonstrierte er in fast filmmusikalischem Stil, wie sich aus einem einzigen Akkordeon ein regelrechter Sturm mit Böen, Schauern, Heulen und Seufzern herausrütteln lässt. An anderer Stelle bezauberte er mit lyrisch-poetischer Melodieführung.

Stephan Caracci verlieh dem Trio ein exaktes, rhythmisches Fundament und überzeugte als einer der seltenen Schlagzeuger, für die das Spiel mit Besen Haupt- statt Nebenbeschäftigung ist. Er zeigte sich in der Lage, auch der Bass Drum ein zartes Pulsen zu entlocken. Gerechtfertigt daher die eigene Mikrofonierung. Durch den gelegentlichen Wechsel ans Vibraphon konnte er zusätzliche Klangakzente und melodisch-sprudelnde Soloparts setzen. An ihm orientierten sich zudem die zahlreichen, komplexen Rhythmuswechsel in den Kompositionen, einschließlich der ebenso präzise wie oft eingesetzten, dramaturgie-steuernden Breaks.

Es wunderte nicht, dass die Musiker ihre erste Zugabe gleich stehenden Fußes an das reguläre Repertoire anknüpften und aufgrund der begeisterten Publikumsresonanz um zwei weitere ergänzten, bevor sie sich das verdiente Bier genehmigen durften.

 

Fotocredit: Koala Productions

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