Kultur, Kunst, Nach(t)kritik

front:text:kontext: Kunst in Zeiten wie diesen?

Schon am ersten Wochenende des Literaturfestes wurden die wirklich wichtigen und großen Fragen für die Literatur(form) in Zeiten wie diesen gestellt: Wie sieht eine Poetologie in Zeiten der Flucht, des Terrors, des Krieges aus? Lassen sich die derzeitigen Zustände angemessen in Literatur, Musik, Film … überführen? –kurz: Kann Kunst helfen, die derzeitigen Tagesthemen, mit denen wir fast stündlich konfrontiert werden, besser zu verstehen, besser einzuordnen? Und wenn ja, wie sieht diese aus?

Am Samstag lud Albert Ostermaier zu einer Kontext-Reihe zu seiner front:text-Reihe des diesjährigen Literaturfestes ins Literaturhaus. In drei Panels diskutierten Künstler, Kulturschaffende und Politiker über Möglichkeiten innerhalb der Flüchtlingsthematik über eine Poetologie der Kunst, über die Rolle der Politik, sowie über die konkrete praktische Umsetzung. Hier einige der Statements.

Poetologie: Künstlerische Auseinandersetzung in Krisengebieten

Claudius Seidl moderierte das erste Panel, das sich zusammensetzte aus:

Julia Benkert, Dokumentarfilmerin, die für eine Dokumentation über den Bürgerkrieg in Nepal gerade an die Grenzen des Dokumentarischen gestoßen ist. Mit ihrem Roman “Das Flüstern des Himmels” macht sie die Zerrissenheit, die durch die Familien ging, den Schock, das Trauma der Bevölkerung, den Krieg empathisch erfahrbar.

– Wo Journalismus nicht weiter kann, hilft Literatur.

Ayman Siksecks Roman “To Jaffa” (Im Deutschen unter dem wirklich absurden Titel “Reise nach Jerusalem” veröffentlicht), englisch betitelt, hebräisch geschrieben, schließt sich Benkerts Statement an. Er erzählt gleich zu Beginn von einer Mutter, die ihr Kind tötet, um es vor dieser Welt zu bewahren. Literatur schafft es, weil sie nicht auf objektive Wahrheit angewiesen ist, diese innere Motivation, den grauenhaften inneren Kampf einer Mutter spürbar und verstehbar zu machen.

Mohamed Safi ist Musiker und DJ aus Kairo. Für ihn ist Kunst gewissermaßen ein Ventil, eine Form, durch die Menschen zusammenkommen, die Menschen verbindet. Stellvertretend dafür sind für ihn die Ereignisse, das gemeinsame Singen beim damaligen “arabischen Frühling”. Ein Song, der Menschen zusammen stärkt und etwas bewirken lassen kann.

Ali Ghandtschi, selbst ehemals Flüchtling, ist zurückgekehrt in den Iran, um Autoren zu porträtieren, ist weitergereist nach Israel, um neben den Fotos auch die Geschichten hinter den Gesichtern zu sammeln. Herausgekommen ist dabei ein Foto.Geschichtenband, der zeigt, wie Kunst es schafft, einzelne Geschichten von Menschen, so verschieden sie sein mögen, als einzelne, gleichberechtigte Wahrheiten nebeneinander zu stellen.

Martin Roth schließlich, Leiter des Victoria and Albert Museums in London, hält seine Objekte aus aller Welt nicht nur als Möglichkeit für Bildung, sondern vor allem als Spiegel, um die eigene Identität angesichts des Fremden zu bilden.

Kunst schafft es nach wie vor, etwas zu transportieren und beim Menschen ankommen zu lassen. Auch da wo die Linie zwischen Kunst und politischer Propaganda vielleicht dünn wird, so sollte nicht vergessen werden, dass Kunst immer noch Ausdruck eines Menschen ist. Denn Kunst wird immer irgendwie von irgendwas motiviert, inspiriert, beeinflusst. Wir müssen nur klug genug sein, die Linie selbst zu ziehen. Kunst ist gemeinschaftsbildend. Kunst kann verwendet werden, um Fragen zu stellen und antworten zu finden.

Fotocredits: Juliana Krohn

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