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Kinogucken: Warum man von “The Big Short” Seitenstechen bekommt

Thomas Empl

Adam McKay hat zusammen mit Will Ferrell ein paar der witzigsten amerikanischen Komödien der letzten Jahre gedreht (vor allem: Anchorman!) und steigt jetzt in den Drama-Ring. Mit einer krassen A-List-Besetzung (Christian Bale, Steve Carell, Ryan Gosling, Brad Pitt, everyone) startet sein Film The Big Short basierend auf einer wahren Geschichte über den Finanzcrash 2007 pünktlich zur Award-Saison in den Kinos. Klingt doch erstmal gut, oder?

Wir beginnen also mit Ryan Gosling, der uns die Geschichte von einigen Typen erzählen will, die den Crash vorhergesehen, gegen den Markt gesetzt haben und so reich wurden. Wir werden bombardiert mit Börsenbegriffen, von denen wir die Hälfte nicht verstehen. Und Goslings Erzähler weiß das und deshalb: “Here’s Margot Robbie in a bubble bath explaining this to you!” Witzige Idee. Die schöne Frau soll uns davon ablenken, dass Dialoge über die Börse für 99 Prozent des Publikums langweilig sind. Das funktioniert einmal. Und wird danach zum grundlegenden Problem.

Denn McKay versucht im Prinzip den ganzen Film über, seine Zuschauer abzulenken: alle zwei Sekunden ein Schnitt, hektische Kameraschwenks, lizensierte Musik in Endlosschleife (teils zwei Songs gleichzeitig), visuelle Spielereien, parallel laufende Szenen, die gegeneinander anzuschreien scheinen, Promi-Gastauftritte … Seine Figuren reden über fast nichts anderes als Finanz- und Bankgeschäfte, aber damit wir uns nicht langweilen, tun sie das in Strip-Clubs, Casinos oder Fitnesscentern. Das klingt wiederum notwendig, ist aber wenn nicht langweilig, so doch äußerst anstrengend.

Christian BaleMan checkt, was McKay machen wollte: Die wechselnden Voice-Over-Erzähler, die Musik, die Energie sollten sein wie bei Scorsese. Nur wirkt sein Regiestil eher, als hätte Michael Bay ein Musikvideo über die Wirtschaftskrise gedreht. McKay lässt seine Szenen nicht atmen, der übertriebene Schnitt erdrückt auch sein beeindruckendes Ensemble. Als Steve Carells Figur in einem der ganz wenigen persönlichen Momente der Geschichte ihre Ohnmacht gegenüber dem Selbstmord ihres Bruders zugibt, könnte das eine wichtige Szene sein und ist stark gespielt; aber McKay ruiniert sie, indem er die ruhigen Momente zwischen dem Gesprochenen rausschneidet und den Dialog pausenlos hin- und herspringen lässt, während die Kamera um die Sprechenden kreist.

Christian Bale als fast autistisches Außenseiter-Genie, das alles durchschaut, ist wie immer einzigartig, aber außer dieser oberflächlichen Beschreibung erfahren wir nicht viel über seine Rolle. Noch viel weniger über Ryan Goslings oder Brad Pitts oder die der zahlreichen unwichtigen Nebencharaktere, die alle nur dazu da sind, um sich gegenseitig in Finanzjargon anzufluchen.

McKay hat erkannt, dass seine Geschichte, deren Ende und Moral wir von Anfang an kennen, schnell ermüdend werden könnte. Doch vielleicht gerade durch seinen Versuch, mit einer völlig hyperaktiven Regie davon abzulenken, richtet er noch mehr Schaden an: The Big Short ist ein Film, so atemlos, dass man vom Zuschauen Seitenstechen bekommt.

(Kinostart ist der 14. Januar 2016.)

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Fotocredit: http://www.thebigshortmovie.com

2 Comments
  • Linette Heimrich
    Posted at 21:32h, 19 Januar

    Die schlechte Filmkritik kann ich überhaupt nicht nachvollziehen. Ich habe den Film gesehen und war begeistert, wie es McKay schafft, dieses hochkomplexe und stock nüchterne Thema spannend wie ein Thriller umzusetzen. Die Umsetzung des Films war vollkommen anders als ich es erwartet hätte. Und ich war positiv überrascht. Am Ende bleibt beim Zuschauer ein recht bedrückendes Gefühl. Weil The Big Short die Finanzwelt als das enthüllt, was sie ist: Ein einziger großer Zirkus. Voller grotesker Figuren und Illusionen. Meine Beurteilung lautet ganz klar: Sehenswert!

  • Thomas Empl
    Thomas Empl
    Posted at 13:09h, 21 Januar

    Danke für deine Meinung. Ich denke, selbige gehen in dem Fall extrem auseinander, weil man entweder mit McKays Regiestil klarkommt oder nicht und damit dann auch der ganze Rest steht oder fällt. Ich fand’s aber leider sehr ermüdend.

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