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Kann Bach modern klingen? – Ein Gespräch mit Komponist Arash Safaian

Philomena Poetis

Arash Safaian ist 1981 im Teheran geboren, in Bayreuth aufgewachsen und lebt und arbeitet als Künstler, Komponist und Produzent seit Jahren in München. Nach einem Studium der Malerei und Bildhauereien in Nürnberg, wechselte der heute 35-jährige zum Kompositionsstudium an die Münchner Hochschule für Musik und Theater, wo er sich über die Jahre mit Kompositionsarbeiten für Filmmusik, Orchester und Ensembles einen internationalen Namen macht. Neben Auftragskompositionen, schreibt Arash Safaian für seine Firma Century Rolls Music, die er mit Freunden 2012 gegründete, Musik für Filme und Medienproduktionen.

MUCBOOK trifft den offenen und sympathischen Künstler, der gerne schwarzen Kaffee trinkt und viele Zigaretten raucht, um über sein neuestes Album ÜberBach zu sprechen. Das wird nämlich am 23. September auf dem Reeperbahnfestival in Hamburg seine Uraufführung feiern.

Ob man von der Kompositionskunst Bachs für die Zukunft lernen kann, welche Weiterentwicklungen barocke Klänge mit elektronischer Musik erfahren und dass man für die Komposition eines Albums mit 15 Stücken nur 8 Monate braucht, lest ihr hier:

MUCBOOK: Wie kommt ein junger Komponist auf die Idee ein Album über die Musik von Johann Sebastian Bach (1685-1750) zu schreiben?

Ich wurde gebeten mich mit einem klassischen Komponisten auseinander zu setzen, jedoch wollte ich nicht, dass sich mein Album nach einer zusammengestückelten Interpretation eines anderen Komponisten anhört. Beethoven und Mozart beispielsweise, haben einen so unverkennbaren und persönlichen Stil, dass es unmöglich scheint ein Stück zu komponieren, dass in sich stimmig ist, ohne kopiert zu klingen. Die Musik von Bach ist durch ihre universellen Strukturen jedoch so allgemein, dass man das musikalische Material nutzen kann, um damit etwas Neues zu kreieren.

Warum hast du dein Album ÜberBach genannt, wenn du etwas Neues kreiert hast?

Über Bach von Arash Saffian

ÜberBach von Arash Safaian mit Pianisten Sebastian Knauer, Vibraphonisten Pascal Schumacher und dem Zürcher Staatsorchester

Es ist die Betrachtung von Bachs Musik aus den Augen eines anderen Komponisten. Normalerweise gestaltet man als Musiker die Noten im Text und spricht hierbei von Interpretation. Es gibt aber – meiner Meinung nach – auch Komponisten, die interpretieren. Diese nehmen die bestehende Musik, verändern und vergleichen sie. Hierbei entdeckt der zeitgenössische Komponist das Ursprüngliche, sowie ganz neue Facetten im Ausgangsstück – eine andere Version der musikalischen Interpretation.

Hast du dann wie beim Sampling in der heutigen Elektro- und Houseszene Stücke von Bach verändert und für deine Komposition wiederverwertet?

Ja, damit kann man es vergleichen. Ich habe Teilstücke von Bach ausgesucht und diese fortgeführt; so habe ich beispielsweise Harmonien verändert, Dissonanzen verschärft und insgesamt versucht die Kompositionen höher zu setzen, um den Klang zum Glänzen zu bringen. Das hat man im Barock natürlich nicht gemacht. Aber da Bachs Themen, wie beispielswiese in der Orgel-Toccata in d-moll, so griffig und allgemein sind, kann man fast alles machen, solange es natürlich und selbstverständlich klingt.

Handelt es sich bei diesem Album dann um eine persönliche Kompositionsstudie?

Ich sehe es nicht als Studium, sondern als Möglichkeit traditionelle Musik mit meiner zu mischen. Kann die Musik und das Weltbild eines Komponisten der 400 Jahre vor dir gelebt hat mit der Musik und dem Weltbild eines Komponisten im 21. Jahrhundert positiv verschmelzen? Es geht mir hierbei nicht um die reine Gegenüberstellung von Bach vs. Moderne, sondern um die Kreation von etwas Fließendem; etwas, das wie Bach klingt, aber eben moderner.

Deswegen auch die Verwendung neuer Medien und Instrumente wie Vibraphon und Synthesizer?

Die heutige Musik geht weg vom Notentext und hin zum Klang. Das sieht man beispielsweise stark an der elektronischen Musik. Noten sind nicht mehr wichtig, sondern Sound. Du kannst eine einzelne Note im Computer eingeben, veränderst den Sound und hast eine fertige Komposition. Für mich war das Spannende an diesem Projekt nicht nur auf die Klanglichkeit, sondern auf die Noten und das Denken von Bach zu setzen. Bach ist für mich die Grammatik der Musik und man muss seine Grammatik richtig beherrschen um sprechen zu können.

Das Vibraphon und der Synthesizer sind hierbei eine moderne Weiterführung der Bachschen Methodik. Das Vibraphon, welches Bach sicherlich verwendete hätte wenn schon entwickelt, verschmilzt mit dem Klavier fast zu einem Klang, der wie ein Lichtkegel über der Komposition schwebt, diese erhellt und prickeln lässt. Der Synthesizer ist die Modernisierung der Orgel, die ja ebenfalls die mechanische, fast elektronische Tiefe charakterisiert.

Aber verlangst du bei soviel Bach nicht ein musikalisches Vorwissen von deinem Hörer?

Musik sollte man immer ohne Vorwissen genießen und erleben können. Ich finde es ein großes Problem, wenn man erst einen langen Text lesen muss um zu verstehen warum etwas gut ist. Ich finde es muss direkt übergreifen.

Wie ist das Gefühl wenn man seine Musik, die man im stillen Kämmerlein über Monate aufgeschrieben hat, plötzlich live hört?

Das ist das schönste Gefühl beim Komponieren. Bis dato hast du die Musik nur in deinem Kopf gehört und wenn Musiker deine vorher abstrakt wirkenden Ideen musikalisch umsetzen und du hörst, dass die Musik funktioniert, ist es höchst emotional. Erst die Musiker erwecken meine Musik zum Leben.

 

 

 

(c) Titelbild: Gregor Hohenberg

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