Aktuell, Kultur

RODEO – das Festival für die Münchner Freie Szene

Anna-Elena Knerich

RODEO… Der Name lässt vielleicht gedanklich in den Wilden Westen abschweifen, aber das Festival für die Freie Tanz- und Theaterszene wird sich vier Tage lang ganz in München abspielen – und zwar an den verschiedensten Orten: im HochX, im schwere reiter, am Gasteig, in der Muffathalle, in verschiedenen Spielorten der Freien Szene und sogar am Hauptbahnhof.
2010 wurde das RODEO-Festival auf Initiative des Münchner Kulturreferats ins Leben gerufen, und obwohl es dieses Jahr schon zum vierten Mal ausgerichet wird, wird es wieder anders als die letzen Jahre. Das liegt nicht zuletzt an der neuen Leiterin, Sarah Israel, die das Festival noch mehr geöffnet hat: “Sinn und Potenzial des Festivals liegen darin, Künstler der Freien Szene (auch international) besser zu vernetzen und interdisziplinäre Arbeiten zu ermöglichen – dabei stehen eher der künstlerische Austausch und Arbeitsprozesse im Vordergrund.”

Über Vernetzung, Bloom Ups und künstlerische Arbeitsprozesse

Wir haben die Dramaturgin zu einem Gespräch getroffen, bei dem sie erzählte, wie sie zur Festivalleiterin wurde, was “Bloom Ups” sind und auf welche Produktionen sie sich besonders freut.

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Sarah Israel bei der RODEO-Pressekonferenz ©Konrad Fersterero

MUCBOOK: Du bist selbst Dramaturgin und hast kürzlich in Bangkok eine Performance-Produktion auf die Bühne gebracht. Gleichzeitig leitest Du die diesjährige Edition des RODEO-Festivals. Wie kam es dazu?
Sarah Israel: Ich kenne Jonas Zipf, der das Festival beim letzten Mal leitete, schon länger und habe 2014 bereits die RODEO-Masterclasses mitorganisiert. Bei intensiven Gesprächen mit den Akteuren der Münchner Freien Szene haben wir uns viel mit der Kulturpolitik und der Entwicklung der Freien Szene auseinandergesetzt und ein kleines Programm erstellt. Im Frühjahr 2015 wurde ich für die Nachfolge von Jonas Zipf angefragt – und habe zugesagt.

Ab wann habt Ihr dann an der Programmauswahl gearbeitet und wie habt Ihr diese zusammengestellt?
Ich habe das ganze Jahr über Produktionen der Freien Szene angeschaut und seit Januar das Programm zusammengestellt: Einerseits werden Produktionen zu sehen sein, die schon einmal in München gezeigt wurden. Es gibt eine Premiere und ein Gastspiel. Bei den  “Residency”-Kooperationen hingegen arbeitet immer ein Münchner mit diversen Akteuren der europäischen Freien Szene zusammen – mit dem Ziel, diese inspirierenden Arbeitsbeziehungen nachhaltig weiterzuführen. Begleitend gibt es dazu diskursive Formate.

Das klingt nach viel Arbeit. Hattet Ihr dabei Unterstützung oder seid Ihr auch mal auf Hindernisse gestoßen?
Da das Festival jedes Jahr eine neue Leitung hat, konnte es sich noch kein festes Netzwerk aufbauen – das erschwert natürlich die Vorbereitungen. Erstmals arbeiten wir mit dem Goethe Institut zusammen, was beim Netzwerken sehr geholfen hat. Auch das Budget von der Stadt hat vieles vereinfacht, aber ab einem gewissen Level sind wir trotzdem an unsere Grenzen gestoßen – wegen mangelnder “manpower”. Schließlich ist unser Team überschaubar…

Kein Showcase der Münchner Freien Szene

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Video-Music-Performance “Set fire to Flames” ©Ulrike von Theusner

Was unterscheidet das Festival von allem, was Du bisher gemacht hast?
Ich bin sonst Produktionsdramaturgin, konzentriere mich also auf ein Projekt. Bei RODEO habe ich die Verantwortung für vier Tage und auch dafür, was RODEO repräsentiert: Es wird ja oft verkauft als “beste Plattform für Produktionen der Freien Szene” – damit habe ich ein Problem, weil wir nicht alle Freie Szene Künstler erfassen, sondern lediglich eine Auswahl zeigen.

In Kooperation mit dem Goethe-Institut organisiert ihr sogenannte “Bloom Ups”: 17 Tage vor Festivalbeginn arbeiten internationale Künstler intensiv an Projekten, bei denen es nur um den künstlerischen Prozess geht. Was konkret erwartet die Besucher dann beim Festival?
Die Bloom Ups sind alle total unterschiedlich, sowohl thematisch als auch in ihrem Format: Da gibt’s einerseits Finalisierungen von bereits begonnen Projekten zu sehen, aber auch absolute Try-Outs. Wichtig ist, dass man die Zuschauer vorher darüber informiert, dass es sich nicht um eine fertige Produktionen handelt. Wir haben das alles bewusst so offen gelassen, damit es den Künstlern selbst auch etwas bringt!

BLOOM UPS: Internationale Zusammenarbeit und Arbeitsprozesse

Kannst Du uns zwei Beispiele nennen?
Sehr interessant finde ich “Get to know Kassandra”: Vier Künstlerinnen aus München, Athen, Belgrad und Budapest haben sich für ein Wochenende in Budapest getroffen, um einander kennenzulernen – nun entwickeln sie im Theater HochX 17 Tage lang eine gemeinsame Ästhetik, bei der Stimmen von Frauen aus verschiedenen europäischen Ländern sowie choreographische und performative Arbeitsweisen aufeinandertreffen. Ein spannendes Recherchelabor!

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BLOOM UP: “Get to know Kassandra” ©Daniel Dömölky

Ganz anders ist “[TITLE OF SONG]”, das sich anhand des Kolonialismus in Papua-Neuguinea mit der Darstellung, dem Erhalt und der Weitergabe von immateriellem Liedgut beschäftigt. Die Künstler Oliver Zahn, Julian Warner und Phoebe Wright-Spinks haben schon an verschiedenen Orten für dieses Projekt recherchiert und gearbeitet und zeigen nun im Museum Fünf Kontinente die Finalisierung.

Auf welche Produktionen freust Du Dich persönlich ganz besonders?
Auf “DE/FENCE” von ausbau.sechs, die ja bei RODEO 2014 schon dabei waren und beim diesjährigen Festival ihre Pemiere zeigen. Dann natürlich auf die Bloom Ups, die es so ja noch nie vorher gab. Auch spannend finde ich die Performance-Installation “WeLTMASCHINe UNTeRWeGS” sowie die Stadtspaziergänge auf den Spuren der Freien Szene, bei denen die Besucher in alte Schwabinger Kellertheater eintauchen können. Und eine große Ehre ist es, dass das “Urgestein” der Freien Szene, Alexeij Sagerer, beim RODEO-Festvial seine Biographie vorstellt.


In aller Kürze:
Was? RODEO – Münchner Tanz- und Theaterfestival
Wann? 6. bis 9. Oktober 2016
Wo? An zehn Spielstätten im Zentrum von München
Wie viel?  0 – 17 €, Tickets gibt’s hier.


Fotocredit Titelbild: “Heimatlos” ©Cem Czerwionke

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