Aktuell, Stadt, Wohnen trotz München

Alle Münchner wollen mehr Wohnraum, doch wer kümmert sich da überhaupt drum?

Julius Zimmer

Wohnraum in München – ein Thema, das allen Beteiligten langsam auf die Nerven geht: Den Menschen, die eine Wohnung suchen, der Stadt, die sich für ihre Fehler der Vergangenheit rechtfertigen muss, den Aktivisten, die Woche um Woche neue Aktionen planen und auch den Journalisten, die Jahr für Jahr heroisch gegen die Wohnungsnot anschreiben.

Ist es nicht mal höchste Zeit, Bilanz zu ziehen und zu fragen: Wie sieht die Lage aus? Was wird getan? Was wird in Zukunft passieren? Anlass dafür liefert die Tagung: “Noch mehr Platz für alle!”. Vom 13. bis 15. Januar trafen sich in der Evangelischen Akademie Tutzing Aktivisten, Experten, Künstler und Politiker, um über die infrastrukturelle Zukunft der Landeshauptstadt zu beraten. Ein richtiger Think-Tank also.

Der Untertitel: Ideen für mehr bezahlbaren Wohnraum und neue öffentliche Räume in der großen Stadt von Morgen.

Da Ideen bekanntlicherweise dazu neigen, naja, Ideen und keine Aktionen zu sein, wagen wir einen journalistischen Vorstoß und konfrontieren einige der Teilnehmer mit konkreten Fragen zu den Themen “bezahlbarer Wohnraum” und “Stadtentwicklung”. Unter den Auserwählten sind die Philosophin Marina Lessig, der ehemalige Stadtrat Wolfgang Czisch und der Künstler Konstantin Landuris.

Mucbook: Was wurde auf der Tagung “Noch mehr Platz für alle!” beschloßen? Womit dürfen wir rechnen?

Wolfgang Czisch: Die Veranstaltung hat eine Fülle von Anregungen gebracht, die allerdings nicht alle aufeinander abgestimmt sind. Es gibt aber grundsätzliche Feststellungen, die den Wohnungsbau stark ausbremsen, beziehungsweise ihn wieder flott machen können.

Mucbook: Wenn München ein brandaktuelles Problem hat, dann ist es der Wohnungsbau. Woran liegt das?

WC: Nun, zunächst einmal fehlt der Stadt ein entsprechendes Entwicklungskonzept. Die unbebauten Flächen innerhalb der Stadtgrenze gehen rapide zu neige.

Mucbook: Die Stadt wird oft als Sündenbock dargestellt. Ist sie wirklich an allem Schuld?

WC: Nein, auch der Bund ist dafür verantwortlich. Es gilt, den leistungslosen Gewinn durch Bodenspekulation zu unterbinden. Der Bodenpreis übersteigt inzwischen den Baupreis, das muss man sich mal vorstellen.

Mucbook: Was ist mit dem Platz den wir schon haben? Kann man den nicht einfach nutzbarer machen?

Marina Lessig: Damit haben wir uns auch beschäftigt – Stichwort: Nachverdichtung. Wie machen wir quantitativen Boden, qualitativ wertvoller?

Mucbook: Die Frage hätte ich jetzt gestellt.

ML: Naja, da gerade der Wohnraum im Zentrum der Stadt extrem gefragt ist, wäre es doch sinnvoll zu schauen, wie wir andere Viertel genauso aufregend gestalten. Mehr Treffpunkte für Kinder und Jugendliche, mehr öffentliche Parkanlagen, Rondellen, Spielplätze. Wir müssen den Außenraum spielerisch nutzen.

Mucbook: Jetzt sind das ja alles Forderungen, die nicht unbedingt neu sind…

ML: Das schon, aber das macht sie ja nicht weniger wichtig. Wie wäre es zum Beispiel, wenn es einen Tag im Jahr geben würde, an dem sich die ganze Stadt nur dem öffentlichen Raum widmet?

Man könnte vereinzelt den Autoverkehr einfrieren um Straßenfeste zu feiern, Fußball zu spielen oder den Wohnblock zu verschönern. Der Fantasie sind da keine Grenzen gesetzt.

“Welche Verkehrsadern sind in München verzichtbar?”

Solche Aktionen wären für uns als Akteure sehr wichtig. Wir können so besser verstehen, was passiert, wenn man Bereiche des öffentlichen Raums belegt.

Welche Verkehrsadern sind veränderbar oder sogar verzichtbar? Was passiert wenn man die Hauptadern sperrt und Radfahrern und Fußgängern mehr Raum gibt? Solche Experimente sind wichtig für die zukünftige Planung der Stadt.

Mucbook: Ist die Innenstadt wohnraumtechnisch also nicht mehr zu retten?

ML: Das würde ich so nicht sagen, aber warum sollten wir den Stadtrand nicht attraktiver machen? Ich höre von sehr wenigen Leuten, die sagen: “Riem, Neu-Perlach, wieso eigentlich nicht?”.

Diese Bezirke sind immer sehr negativ konnotiert, was einfach daran liegt, dass sie nicht gerade als “hippe” oder “schöne” Gegenden zählen. Ich bin aber der festen Meinung, dass man das ändern kann und muss.

Wir sollten nicht vergessen, dass der öffentliche Raum uns Bürgern gehört. Wir sollten das gestalten können, wann immer wir wollen. Gerade wenn man bedenkt, wer alles hierher zieht, ist es wichtig Begegnungsräume zu schaffen. Denn Begegnung schafft Integration und Toleranz.

Mucbook: Nochmal konkret gefragt – welche Impulse, die auf der Tagung diskutiert wurden, könnten in den kommenden Monaten und Jahren München verändern?

Konstantin Landuris: Ganz klar sollte das Thema Digitalisierung in der Stadt München ergründet und umgesetzt werden. Wir wurden dabei im weltweiten, sogar schon im deutschen Vergleich von anderen Städten weit abgehängt.

Gerade in einer dichten Stadt wie München kann Digitalisierung helfen, Raum optimaler zu nutzen, gerechter zu verteilen und überhaupt zu finden. Und dabei muß man die Welt gar nicht neu erfinden. Es gibt so viele gute Beispiele, wie Digitalisierung funktionieren kann und in zahllosen Bereichen eine Stadt nach vorne bringen kann.

Mucbook: Zum Beispiel?

KL: Raum als digitale Währung. Man könnte mit einer “Währung Raum” ein Raumkontingent auf alle möglichen Arten von Räumen vergeben, innen oder außen, öffentlich oder privat – auf reale Räume oder sogar digitale Räume.

Es könnte als Pendant zu einem bedingungslosen Grundeinkommen funktionieren.

Mucbook: Klingt abenteuerlich – wie genau kann das funktionieren?

KL: Die in einem System erfassten, zur Verfügung stehenden öffentlichen oder privaten Räume könnten bei Bedarf mit der digitalen “Währung Raum” getauscht werden. So wird verhindert, dass Platz ungenutzt bleibt und verfällt, wie es in München öfter der Fall ist.

“Die Bürger sollen die Gestalter ihrer Stadträume werden”

Für ein kreatives München ist es unabdingbar, Kreative zu fördern und Raum für Kreativität zu sichern. Deswegen ist und bleibt eine klare Forderung: bezahlbarer Raum für alle.

Um diesen zu erschließen, sollten entsprechende Flächen schon in Planungsprozessen gesichert und ausgewiesen werden.

Es braucht außerdem mehr “multicodierte” Räume, die verschiedene Nutzungen zulassen. Partizipatives Design ist gefordert. Ich sehe das genau wie Marina, die Bürger sollen die Gestalter ihrer Stadträume werden. Dafür setze ich mich ein!

Mucbook: Sehr spannende Ideen! Vielen Dank für eure Zeit!


Beitragsbild:Ștefan Jurcă (CC 2.0)

2 Comments
  • samy
    Posted at 18:31h, 12 Februar

    Danke, das sind gute Interviews!! ✓

  • Gerlind Hector
    Posted at 13:01h, 28 Februar

    Spannendes Thema! Aber warum so viele Rechtschreib- und Kommafehler? Wer checkt bei Euch die Texte? Da wirken die schönsten Geschichten und spannendsten Interviews gleich weniger seriös. Bitte macht weiter so – aber ohne diese blöden Fehlerchen.

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