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Braucht’s des? – “T2 Trainspotting” im Kino

Thomas Empl

In den letzten Jahren häuft sich eine (fast) neue Form der Filmfortsetzung: Der sehr, sehr späte Nachfolger. Star Wars Episode VII setzt eine 32 Jahre alte Geschichte fort, Independence Day 2, Zoolander 2, Tiger & Dragon 2 oder Findet Dorie kamen über zehn Jahre später – noch in diesem Jahr erscheint Blade Runner 2(049), 35 (!) Jahre nach dem Original. Wer von der Originalbesetzung noch lebt, darf dann neben ein paar jungen Gesichtern wieder mitmachen, alles sieht viel sauberer aus, es gibt ein paar nette Anspielungen und am Ende fragt man sich meistens:

Ja mei, hat’s des gebraucht?

Jetzt also hat auch noch Danny Boyle einen zweiten Teil zu Trainspotting (1996!) gemacht. T2 Trainspotting feierte gerade auf der Berlinale Premiere und man fragt sich: but why? Trainspotting ist doch eine abgeschlossene Geschichte, das Gegenteil eines Franchise-Films, wollte davon wirklich jemand unbedingt mehr? Spielt keine Rolle, Danny Boyle hatte Bock. Und betrachtet man einfach nur das fertige Produkt, macht T2 – trotz ein paar falschen Abzweigungen – verdammt viel richtig.

Trainspotting Drugs

Genau 20 Jahre nachdem Renton (Ewan McGregor) seine Freunde Sick Boy, Begbie und Spud verraten, den gemeinsamen Gewinn aus einem Drogendeal gestohlen hat und verschwunden ist, kehrt er nach Schottland zurück. T2 setzt fast schon behutsam ein und zeigt uns das Leben der vier Jungs. Boyle ist so klug, am Anfang seines Films auf zu viele “wink wink nudge nudge”-Selbstzitate zu verzichten. Es ist schon ein cooles Gefühl, die vier gealterten (aber nicht weiseren) ‘Freunde’ wiederzusehen: Durch dieses ruhigere Erzähltempo kann sich T2 als selbstständiger Film etablieren. Der pessimistische Grundton bleibt unverändert, aber es gibt so viel Neues auf der Welt (Fitnessstudios, Facebook, Internetpornos, Smartphones), dem gegenüber die Jungs zynisch sein können.

Ensemblestück, das allen gleich viel Zeit widmet

Gleichzeitig nimmt der Film alle vier gleichermaßen ernst, es gibt kaum neue Charaktere. War Renton in Teil 1 noch die klare Hauptfigur, ist T2 ein Ensemblestück, das allen gleich viel Zeit widmet. Boyle ist selbst gealtert und versucht, eine erwachsenere Geschichte zu erzählen. Das ist einerseits clever, weil er das Original nicht hirnlos kopiert, manchmal geht er aber etwas zu weit mit diesem Ansatz. Seine vier Hauptdarsteller scheinen kein Gramm Fett angelegt zu haben – das Drehbuch allerdings schon: Zu viele Subplots (Spud geht Boxen, Renton geht Joggen, Begbie hat Erektionsprobleme) fahren ins Nichts, und sogar der Hauptplot nimmt ein paar komische Abzweigungen. In einem seltsamen Fall von Meta-Fiktion wird etwa Spud plötzlich zum Schriftsteller, der ein Buch über die Ereignisse des ersten Teils schreibt.

Trainspotting Spud

Trotz dieser manchmal unnötigen Tempoverschleppungen ist die typische Boyle-Energie immer wieder spürbar. Der energetische Soundtrack (inzwischen auch mit Techno- und Hiphop-Momenten) treibt das Geschehen an, unerwartete Schnitte, Video-Einspieler und schiefe Kameraeinstellungen (die Kamera ist großartig!) reißen einen mit. Es macht schlichtweg Spaß, den Jungs wieder zuzuschauen. Auch weil alle vier Hauptdarsteller ihre Charaktere leben und atmen, als hätten sie 20 Jahre nichts anderes gemacht. Gerade Ewan McGregor ist einfach ein absolut überragender Schauspieler, in allem, was er hier tut.

Respektvoll

Hat’s des gebraucht? Schwer zu sagen. Leicht zu sagen aber ist, dass T2 Trainspotting ziemlich gut geworden ist: ein respektvoller Nachfolger und vor allem ein guter Film. Ein paar Ideen hauen nicht hin, ein weniger überladenes Drehbuch hätte nicht geschadet, aber meistens ist sie da, die alte Power. Muss man erstmal hinkriegen.

“T2 Trainspotting” startet am 16.02.2017 in unseren Kinos. Heute um 19:30 gibt’s eine Preview im Cinema.

Trailer:

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Fotos: © 2017 Sony Pictures Digital Productions Inc.

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