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Manifeste über Manifeste: Julian Rosefeldts Filminstallation „Manifesto“ in der Villa Stuck

Caroline Giles

Tanzend, fliegend, hypnotisierend gleiten die Feuer-Funken über die Leinwand. „I’m writing a manifesto, because I have nothing to say“ ertönt die Frauenstimme aus dem Lautsprecher über den Köpfen der Besucher. Die Flammen knistern, schön und beängstigend, während die zischende Zündschnur langsam zu Asche verfällt.

Es ist die erste Episode von Julian Rosefeldts Installation „Manifesto“, die seit letzter Woche in der Villa Stuck vorübergehend ein neues Zuhause gefunden hat. Während man in dem lodernden Feuer der Projektion zu versinken droht, wird man durch ein Wirrwarr an Stimmen und Satz-Fetzten, die aus den übrigen Episoden durch den Ausstellungsraum schweben, wieder zurück ins Hier und Jetzt geholt.

Vom 16. Februar bis zum 21. Mai könnt ihr euch von Julian Rosefeldts brillanter Film-Installation verzaubern lassen. Über zwei Stockwerke verteilt lassen sich die insgesamt dreizehn Episoden der Installation bestaunen und entführen die Besucher dabei in dreizehn verschiedene Geschichten, in sich geschlossen, aber untrennbar miteinander in das „große Ganze“ verwebt.

Das „große Ganze“ setzt sich in diesem Fall aus unzähligen Künstler-Manifesten zusammen, die – gekürzt, neu kombiniert und in schicken Monologen verpackt – von keiner geringeren als der australischen Schauspielgröße Cate Blanchett präsentiert werden.

Cate Blanchett Mal Dreizehn

In nur zwölf Tagen wurden die dreizehn Episoden im Winter 2014 mit der Hollywood-Schauspielerin in Berlin aufgenommen. Ihre Wandelbarkeit ist dabei grandios – von der rücksichtslosen Börsenmaklerin bis zur betrunkenen Punkerin, der „High Society Lady“ bis zum Obdachlosen (ein absolutes Highlight der Ausstellung!) ist sie dabei oftmals überhaupt nicht wieder zu erkennen, selbst wenn man weiß, wer unter der Perücke steckt. Neben Blanchetts schauspielerischer Leistung leben Rosefeldts Installationen außerdem vor allem von ihren atmosphärischen Inszenierungen.

Den zentralen Monologen der Episoden werden lange Passagen aus Stille und nahezu unbewegten Bildern entgegengesetzt – die Welten, die Rosefeldt so erschafft erscheinen so erst einmal banal, werden dann aber auf immer surrealere Weise verfremdet. So verwandeln sich eine Trauerrede auf einer Beerdigung, ein Arbeitstag an der Börse oder ein Segment einer Nachrichten-Sendung in komplexe Diskussionen über die Zukunft und den Stellenwert des Künstlers in unserer Gesellschaft.

„Eine Hommage an die Schönheit von Künstlermanifesten“

Die Monologe selbst setzten sich aus berühmten Künstlermanifesten zusammen: von Vertretern des Futurismus, den Dadaisten bis hin zu Dogma 95. Dabei werden die Originaltexte (zum Beispiel von André Breton, Sol LeWitt und Jim Jarmusch) zerlegt und in neue Kontexte gebracht und vereinen sich so zur Stimme einer Generation. Besonders deutlich wird das durch einen audio-visuellen Trick Rosefeldts: etwa zeitgleich blicken in regelmäßigen Abständen mehrere der Figuren direkt in die Kamera und verfallen in eine Art „Singsang“, in dem sie ihre Patchwork-Manifeste vortragen, sich gegenseitig ergänzen, widersprechen und überlagern, bis der komplette Raum von einem hypnotisierenden – und zugegeben leicht verstörenden –  Klangteppich umhüllt wird.

„The role of the artist has to be ‚the revolutionary‘.“

“It is not necessary to be an outcast, a bohemian to be an artist.”

“Dada is too shit, but from now on we want to shit in different colours.”

„Manifesto“ ist nicht nur ein wahrer Augenschmaus, sondern trotz aller Komplexität auch unglaublich humoristisch und satirisch. Münchner Kunstliebhaber (und solche, die es werden wollen) sollten sich Rosefeldts Manifest der Manifeste sowie die fantastische Cate Blanchett auf gar keinen Fall entgehen lassen!

 


In aller Kürze:

Wann: bis 21. Mai 2017
Wo: Villa Stuck
Wie viel: 9 Euro (ermäßigt 4,50 Euro)

Beitragsbild/Fotos: © Julian Rosefeldt und VG Bild-Kunst, Bonn 2017
Foto Installationen: Jann Averwerser

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