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„Mit Schmäh klappt alles besser“.

Thomas Steierer

In seinem neuen Film, der schwarzhumorigen Tragikkomödie „Wilde Maus“ (Kinostart in Deutschland am 9. März), agiert Josef Hader erstmals auch als Regisseur. „Indien“, jener Kultfilm aus dem Jahr 1993, machte den österreichischen Kabarettisten Josef Hader schlagartig bekannt. Über die Kabarettbühnen im deutschsprachigen Raum hinaus. Es folgten zahlreiche preisgekrönte Kabarettprogramme und Filme (unter anderem die Wolf-Haas-Roman-Verfilmungen), mit Josef Hader als Schauspieler und Drehbuchautor.

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Im Interview spricht Josef Hader über Rache, Humor als Ventil, das Schreiben eines Romans und seinen verstorbenen Freund Helmut Dietl.

In Ihrem aktuellen Film wie in ihrem bisher bekanntesten Filmerfolg Indien, dem Kultfilm aus dem Jahr 1993, der Sie und Alfred Dorfer schlagartig über die Kabarettbühnen hinaus bekannt machte, spielen sie mehr oder weniger sympathische Loser und Zyniker. Sind sie selbst auch ein Stück weit einer geworden im Lauf der Zeit oder eher Optimist geblieben?

(lacht) Ich bin eigentlich ein Zweckpessimist. Das heißt: Ich bin jemand, der sich immer vorstellt, es wird gleich das Schlimmste passieren. Dadurch passt man sehr auf und das Schlimmste passiert meistens nicht. Etwa wie ein Bergsteiger, der mit viel Angst klettert und daher selten oder nie abstürzt.

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Wie unterscheiden sich ihr Indien-Protagonist Heinz Bösl und der Protagonist Georg, frischentlassener Ex-Kulturkritiker im aktuellen Film?

Der Bösl stammt aus einem Milieu, das nicht ganz meins ist. Er ist jünger, etwa Mitte 40. Jetzt spiele ich jemanden der Mitte 50 ist, der ein viel verschlossenerer Mensch als der Bösl ist.

Der mit seinen Emotionen nicht aus sich herauskann und deswegen leitet er seine Wut in ganz seltsame Aktionen. Das würde dem Bösl aus Indien nie passieren. Der würde sofort zum Schimpfen anfangen, da würde sich nie etwas aufstauen.

Wie war es erstmals als Drehbuchautor und Regisseur zu agieren? Was macht für Sie den Reiz dieser Tätigkeit aus?

Es war am Anfang sehr überfordernd. Aber nach drei Tagen wusste ich: Ich mag das Regie führen sehr gerne. Nicht weil ich alle kontrollieren kann, das kann man eh nicht, sondern weil man als Regisseur die Stimmung vorgeben kann, die am Set herrscht. Ich habe versucht, eine freundliche aber konzentrierte Stimmung zu verbreiten.

Ich wollte immer Meinungen einholen, dass alle mitdenken, sich verantwortlich fühlen und dass alle Spaß haben. Dass jeder sich traut seine Meinung zu sagen, wenn er etwas nicht so gut findet, auch wenn das gar nicht sein Arbeitsbereich ist. Es geht nicht um Kontrolle, die Filmerei ist Teamwork. Deswegen würde ich auch nie aufs Plakat schreiben Ein Film von Josef Hader. Sondern Buch und Regie Josef Hader.

Was haben sie von den Regisseuren ihrer bisherigen Filme gelernt, unter anderem Paul Harather (Indien) Wolfgang Murnberger (bei den Haas-Verfilmungen), David Schalko (Aufschneider), zuletzt auch Maria Schrader (Vor der Morgenröte)?

Sehr wichtig war für mich der erste Film Indien, bei dem der Paul Harather uns unerfahrene Schauspieler unglaublich beschützt hat, sehr darauf geachtet hat, dass wir unsere Konzentration bewahren können. Er hat unglaublich auf die Schauspieler geschaut.

Das war mir ein Vorbild für alle weiteren Filme, die ich gemacht habe. Die Schauspieler sind nicht die allerwichtigsten am Set. Aber die Einzigen, die im Film zu sehen sind. Sie brauchen für ihre Arbeit eine bestimmte Umgebung und dürfen nicht erdrückt werden von der Technik.

Helmut Dietl ist im Abspann der Film gewidmet. Was bleibt von Helmut Dietl für Sie?

Große Fernsehserien und große Filme. Und für mich persönlich eine wunderbare persönliche Begegnung in seinen letzten zwei Lebensjahren. Das war auch einer, der auf seine Schauspieler geschaut und sie geliebt hat, das spürt man in allen seinen Filmen.

Mit Pia Hierzegger, Georg Friedrich und Nora von Waldstätten etwa sind alte Hader-Film-Bekannte dabei. Wie kam der Cast zustande?                  

Für mich war es hilfreich, einige zu besetzen, mit denen ich schon gearbeitet habe. Mit denen im Kopf man auch schon ein Stück weit das Drehbuch schreibt. Dann gab es Schauspieler, die hatte ich beim Schreiben nicht im Kopf, die habe ich mir dann gesucht.

Die Schauspieler haben alle zum Drehbuch beigetragen. Ich habe lange mit ihnen über ihre Dialoge geredet, was fällt ihnen leicht, wo finden sie den Dialog schwierig, was haben sie für Vorschläge. Ich habe die letzte Drehbuchfassung dann so geschrieben, dass sich das Buch auf die Schauspieler zubewegt.

Wie kam es zu der Film-Musikauswahl, die bis auf wenige Ausnahmen (u.a. ein Bilderbuch-Song) klassisch gehalten ist passend zum Beruf des Protagonisten als Kritiker für klassische Musik. (Händel, Schubert, Beethoven, Vivaldi)?

Ich wollte keinen durchkomponierten Soundtrack haben, bei dem jede Szene mit irgendeiner Szene aufgefettet wird. Stattdessen wollte ich einen Film machen, wo die Schauplätze die Musik machen. Für bestimmte Szenen wollte ich eine klassische Musik haben, die ordentlich fetzt. Keine beruhigende Musik wie man sie in Fahrstühlen hören kann, sondern eine aufregende Musik.

Angesichts des desillusionierten Antihelden im Film samt skurrilem Selbstmordversuch eine Grundsatzfrage: Hilft Humor gegen Tristesse?

Mir hilft Humor eigentlich immer. Auch beim Filmemachen hilft es, alles mit Schmäh anzugehen, weil dann alle besser drauf sind und alles besser klappt. Insofern mag ich Humor gern. Wenn ich allein bin, brauch ich Humor nicht so. ich finde, Humor ist etwas Gutes fürs Zusammenleben, für alles, was Menschen miteinander machen.

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Was wäre aus Ihnen geworden, wenn Sie keinen Humor gehabt hätten?

Dann wär ich vermutlich ein schlechter Lehrer geworden. Denn ich wollte ursprünglich Lehrer werden. Das kann man ohne Humor auch werden, aber dann wird man eben ein schlechter Lehrer.

Ihr Filmprotagonist versucht sich an seinem Ex-Chef, der ihn entlassen hat, zu rächen. Was halten Sie von Rache und Ausflippen?

Ich habe es nie notwendig gehabt. Weil mir von Menschen erstaunlich wenig angetan wurde in meinem Leben. Das liegt auch daran, dass ich es privat in Konfliktsituationen oder bei Trennungen geschafft habe, dass man danach noch miteinander reden kann.

Beruflich habe ich von Anfang an als junger Kabarettist darauf geachtet, dass ich sehr unabhängig bleibe, nicht von einzelnen Menschen nicht zu stark abhängig bin. Selbst wenn ein Kritiker meine Filme verreißt, kann ich immer noch Kabarett spielen. Und wenn ich in Wien nicht mehr Kabarett spielen könnte, weil ich da einen mächtigen Feind hätte, könnte ich im ganzen Rest des deutschsprachigen Raums spielen. Ich habe also immer geschaut, dass ich die Abhängigkeit auf möglichst viele Gegenden und Menschen verteile.

Der Journalistenstand kommt im aktuellen Film nicht allzu gut weg. Wie bewerten sie Kritikerurteile und deren Macht?

Die Kritiker sind nicht eine abgehobene Instanz sondern Teil des Kulturbetriebes. Wenn man Künstler ist, muss man wissen, dass gute Kritiken etwas bringen. Und muss lernen mit schlechten Kritiken umzugehen. Weil es einfach dazugehört. Insgesamt ist der Kulturbetrieb ein bisschen wie ein Kasperltheater. Die Kritiker sind da wie das Krokodil, die müssen auch da sein sonst wäre das Theater fad. Man darf Kritiker nicht immer nur ernst nehmen, so wie man selbst sich nicht immer ernst nimmt.

Man muss auch damit umgehen können, dass es jemandem nicht gefällt, was man macht. Oder dass man so erfolgreich geworden ist, dass manche schon aus Prinzip sagen: Gegen den schreibe ich ein bisschen, das ist hip. Mann muss damit locker umgehen, finde ich, dann verletzt man sich nicht so.

Der Film spielt teilweise auf dem Prater. Wie sehen ihre eigene Erfahrungen aus mit Jahrmärkten und dem filmtitelgebenden Fahrgeschäft Wilde Maus?

Für mich war der Prater immer etwas Besonderes. Ich bin schon mit sechs Jahren mit dem Riesenrad gefahren. Als Student habe ich mit Freunden hier die ärgsten Sachen ausprobiert.

Wenn man in ein gewisses Alter kommt, sind die scharfen Geräte nichts mehr, weil man mit dem Magen zu kämpfen hat oder die Musik geht einem auf die Nerven. Aber ich finde den Prater immer noch eine sehr faszinierende Welt. Er ist sehr wienerisch. Eine ganz eigene Insel in der Stadt. Ich bin gerne dort.

Und die Wilde Maus?

Die Wilde Maus ist eine alte Achterbahn, aber sehr unterschätzt. Weil sie keine Loopings dreht, aber oben dermaßen scharfe Kurven hat, dass es ganz schlimm ist eigentlich. Filmisch erschien mir eine Achterbahn als geeignetsten weil da viel in Bewegung ist, es eine Metapher auf das Leben und den Filmprotagonisten, der aus der Bahn geworfen wird.

Der Protagonist gibt bei seiner Entlassung verschleiernd vor, ein Buch zu schreiben. Wäre das auch etwas für Sie?

Das ist auch ein Traum, allerdings einer, den ich wohl nicht verwirklichen werde. Wenn es darum geht, wirklich etwas so hinzuschreiben, dass dies die wirklich endgültige Form ist, dass die Buchstaben vom Papier ins Gehirn des Lesers wandern und dort die Geschichte auslösen, da weiß ich nie, wie ich’s schreiben soll.

Was würden oder werden Sie demnächst sonst zum ersten Mal machen nach der ersten Regie?

Regie zu führen, das war eine Arbeit, von der ich schon lange geträumt habe. Einen ganz eigenen Film zu machen. Seit ich als junger Kabarettist Gerhard Polts Film Kehraus gesehen habe. Da habe ich mir gedacht: So etwas würde ich gerne einmal schaffen. Es war sehr aufregend, mit der Regie einen neuen Beruf anzufangen. Das ist ein sehr spannendes Arbeitsfeld, in dem ich gerne weitermachen möchte. Das genügt mir jetzt erst einmal. 

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Welche weiteren Filme haben Sie besonders beeindruckt?

Als Kind fand ich Kinofilme immer viel spannender als Fernsehserien. Weil die Fernsehserien waren immer um viertel nach Acht, da durfte man aufbleiben. Und bei den Kinofilmen im Fernsehen, da durfte man nur in den Ferien aufbleiben. Wenn dann der Bildschirm oben und unten einen schwarzen Balken hatte und es kam dieser Cinemascope – Schlitz. Da hat man gewusst: Jetzt kommen die ganz tollen Filme. Da waren viele Filme der Siebziger, diese aufmüpfigen amerikanische Filme, die meistens schlecht ausgehen, das ist meine erste große Kinoerfahrung. Später als Student habe ich nachgeholt was es an europäischen Filmen gibt. Ich mag beides, Hollywood und europäisches Kino. Hollywood macht auch gute Filme, ich habe nichts gegen Blockbuster, wenn dem vielen Geld, das ausgegeben wird ein gewisses Hirnschmalz im Drehbuch gegenübersteht.

Welcher Film hat Sie in letzter Zeit am besten gefallen?

Sehr gut gefallen hat mir der schwedische Film „Höhere Gewalt“ über ein Touristenehepaar im Skiurlaub, weil dieser Film meinem Ideal, der äußersten Verbindung von Tragik und Komik sehr nahekommt. Bittere Beziehungsszenen wie bei Ingmar Bergmann stehen da urkomischen Szenen gegenüber. Das ist diese Art von Filmen, die ich gerne anschaue und versuche in meinen Filmen in diese Richtung zu kommen.

Was erwarten Sie sich für Ihren Film wenn er ins Kino kommt, was ist Ihr Erfolgsmaßstab?

Der erste Haupterfolg ist es, den Film überhaupt gemacht zu haben. Der zweite Haupterfolg ist, dass er ganz ordentlich geworden ist. Zumindest so ordentlich, dass gesagt werden kann: Dem können wir wieder ein Filmprojekt anvertrauen.

Und wird es nach ihren Dauerbrenner-Programmen „Hader muss weg“ und „Hader spielt Hader“, die Sie bereits jahrzehntelang spielen, demnächst ein neues Bühnenprogramm geben?

Die letzten vier Jahre war ich stark auf den Film konzentriert. Jetzt ist er fertig und ich habe eine kleine Pause, in der ich nachdenken kann. Ich bin gespannt, was mich anspringt, ob es eine Idee für einen weiteren Film oder ein neues Programm ist. Ich würde es sehr spannend finden, ein neues Kabarettprogramm zu machen, denn die momentane Zeitstimmung ist schon sehr interessant und kompliziert.


Bilder: ©Wega Film / Majestic

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