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Neues Gebot der MVG: Stehengeblieben!

Jan Krattiger

Wie wird man doch angefaucht und angerempelt, wenn man verträumt vor dem ersten Kaffee einmal aus Versehen auf der Rolltreppe links stehen bleibt. Und zu recht: “Rechts stehen, links gehen” ist das Mantra, das uns von klein auf eingehämmert wird, damit die gestressten Rolltreppenbenutzer ihren Anschluss erwischen und die gemütlichen Sonntags-Rolltreppenfahrer ihre Fahrt regungslos genießen können.

Und jetzt soll plötzlich alles anders sein?

Ja, zumindest wenn man dieser Tage am Hauptbahnhof unterwegs ist und mit U1/ U2 oder U4/U5 fährt. Denn da kleben unübersehbar an allen Rolltreppen diese Hinweise:

mvg_hinweis

Erster Reflex: Lese ich richtig? Ich soll mich einfach links hinstellen und den Weg blockieren? Hat sich da vielleicht irgendein Aktionskünstler einen Scherz erlaubt?

Eine kurze Anfrage bei der MVG ergibt: Nein, das ist durchaus ernst gemeint. Denn noch bis Ende August ist der Übergang zwischen U1 / U2 und U4 / U5 wegen Bauarbeiten gesperrt und wir müssen über das Sperrengeschoss zur anderen Linie wandern.

“Dies hat zur Folge, dass gegebenenfalls noch mehr Fahrgäste als sonst die verbleibenden Rolltreppen nutzen (müssen). Um dieses Mehr an Fahrgästen auf den verbleibenden Rolltreppen möglichst gut zu bewältigen, sollen die Kapazitäten dieser Rolltreppen möglichst gut, also vollständig, genutzt werden. Daher sind alle Fahrgäste aufgerufen, auch die linke Seite zu nutzen, also links und rechts zu stehen, so dass jede Stufe belegt ist.” schreibt MVG-Sprecher Matthias Korte auf Anfrage. “Somit sollte sich der Rückstau am Anfang der Rolltreppe schneller auflösen und den Bahnsteig rascher freimachen.”

Müssen wir jetzt komplett umdenken?

Höchstwahrscheinlich nicht. Denn es sei derzeit nicht geplant, dieses System auch auf andere Bahnhöfe zu übertragen. “Gleichwohl beobachten wir natürlich mit Interesse, ob der Appell fruchtet und was er bewirkt. In London wurden positive Erfahrungen in einem Pilotprojekt gesammelt (jedenfalls in Hauptverkehrszeiten)”, so Korte. (Eine Studie hierzu aus London und die Kritik daran wird hier beschrieben.)

Erste persönliche Erfahrungen (mehrmals täglich) zeigen, dass die “Links gehen, rechts stehen”-Regelung dermaßen in den Köpfen der Pendler verankert ist, dass keiner den neuen Vorschlag der MVG wahrnimmt und links stehen bleibt. Was sicher auch mit dem Rudelverhalten der Menschen zu tun hat. Und wer will schon der Rebell sein, der dem Systemwechsel der MVG folgt, nur um  den frühmorgendlichen Zorn der anderen Pendler auf sich zu ziehen?

Das Fazit:

Ob es wirklich schneller und reibungsloser geht, wenn die Rolltreppen komplett stehend benützt werden, werden wir wohl nie erfahren. Denn es hält sich schlicht niemand an das Gebot der MVG …

Bonusrunde:

Das Gebot hat auch sicherheitstechnische Hintergründe, wie Matthias Korte von der MVG mitteilt:

Grundsätzlich gilt: Wer eine Rolltreppe benutzt, sollte sich einen sicheren Stand verschaffen und sich festhalten. Wir weisen mit einem Piktogramm an jeder Rolltreppe auf dieses Gebot hin. Es liegt in der Natur der Sache, dass man beim Gehen auf einer Rolltreppe einem tendenziell höheren Unfallrisiko ausgesetzt ist als beim Stehen, zumal sich viele „Geher“ nicht mal am Handlauf festhalten. Gut zu wissen: Eine Rolltreppe kann im Notfall auch abrupt stehenbleiben, zum Beispiel durch Betätigung des Nothalts in einer Gefahrensituation oder durch eine technische Störung. Schon aus diesem Grund gilt: Bitte hinstellen und festhalten!

In dem Sinn: frohes Weiterpendeln!


Fotos: © Jan Krattiger

1Comment
  • Stephan Meyer
    Posted at 23:17h, 03 August

    Ein kurzer Nachdenker bringt zu Tage, dass das Argument so nicht unbedingt richtig ist: Wenn auf jeder Stufe jemand steht, heißt nicht dass die Kapazität maximal ausgelastet ist. Es geht vielmehr um die Anzahl pro Zeit “wegbeförderter” Passagiere, und somit addieren sich die Raten, die sich durch die Rolltreppe (Förderband) und das Gehen / Treppen Steigen ergeben.

    Man müsste als MVG schon argumentieren, dass beim Gehen der Befüllungsgrad reduziert ist, sprich, gehende Leute brauchen einen so großen Abstand dazwischen, dass die erhöhte Rate mehr als zunichte gemacht wird.

    Noch besser könnte es sein, wenn beide Seiten gehen würde.

    Doch das ist ja laut MVG wiederum lebensgefährlich. Ich empfehle: Rolltreppen nur stehend betreiben!

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