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Die Kunst des Scheiterns – Dany (27): Ich musste scheitern

Null Bock mehr auf utopisch anmutende Erfolgsgeschichten, in denen du dich nicht wiederfindest? Auf der Suche nach inspirierenden Persönlichkeiten, mit denen du dich wirklich identifizieren kannst? Lass uns der in unserer Leistungsgesellschaft propagierten Einzelkämpfer-Mentalität den Rücken kehren – MUCBOOK ist auf der Suche nach Menschlichkeit!

 

Stachus. Auf der Suche nach einem neuen Kandidaten für meine Kolumne. Nach den üblichen geschätzt 10 Leuten, die angeblich noch nie in ihrem Leben gescheitert sind und meiner von Mal zu Mal genervter werdenden inneren Stimme, die patzig kommentiert „Schön für dich“, entdecke ich eine junge Frau.

Das Ungewöhnliche an ihr? Sie liest. Ein Buch. In der Öffentlichkeit. Ein Exemplar dieser fast ausgestorben geglaubten Art in freier Wildbahn ist ein gefundenes Fressen für mich.

Darf ich vorstellen: Dany (27)

„Der Tag, an dem mein Vater gegangen ist, da hat dieser Drang angefangen.“

Dany ist ein Scheidungskind, ihr Dad hat die Familie verlassen, da war sie etwa vier Jahre alt. Ihre Mum lehnte daraufhin aus Schmerz alles an ihrer Tochter ab, was sie an deren Vater erinnerte. In dem Kind entstand ein tiefer, aber zum Scheitern verurteilter Wunsch.
Dany wollte nur noch eines: gefallen.
Heute weiß sie, dass er scheitern musste – damit sie daraus lernen und wachsen konnte.

Hungern nach Aufmerksamkeit, essen gegen den Frust

Doch Dany war früher sehr unsicher und bereits im Kindergarten hielten sie die anderen für „zu dick“.

„So kam eines zum anderen und ich verbrachte meine Tage bis zum Ende meiner Grund- und Hauptschulzeit als ungewolltes Opfer von Hänseleien.“

Ein Gefühl der Schuld setzte sich in Dany fest, ein Gefühl, es nicht anders verdient zu haben. Ihre Familie und Freunde konnten kein Verständnis aufbringen.

„Ich habe einige Verzweiflungstaten begangen, für die ich später als Schande galt.“

Während der Mittleren Reife, der Ausbildungszeit und dem Berufseinstieg änderte sich nicht viel. Dany scheiterte an der sozialen Integration, wie sie sagt. Ich überlege, ob es nicht vielleicht die anderen, die Mobber und Ausgrenzer waren, die die Bedeutung von Integration nicht verstanden.

50 Shades of Dany

Ich frage Dany, wie sie mit dem schweren Los der Außenseiterrolle umging.

„Ich versuchte, mich so hinzubiegen um in eine Gruppe zu passen oder Leuten zu gefallen. Irgendwann hatte ich so viele Facetten an Gesichtern, Charakteren und Geschichten beisammen, dass ich selbst nicht mehr wusste, wer ich bin – wer diese Dany eigentlich ist.“

Das zu realisieren sei für sie schmerzhaft aber auch heilsam gewesen, es habe sie erst auf den Weg gebracht, wieder zu sich selbst zu finden. Dabei half ihr vor allem die Scheiß-egal-Einstellung ihrer Schwester.
Dany wurde klar, dass sie nicht auf ihr Umfeld angewiesen ist.
Ich frage sie, was sie aus diesen Erfahrungen gelernt hat, die sie als prägendste ihres Lebens bezeichnet.

„Zu sein, wer man ist, bringt Frieden“, antwortet Dany und stimmt mich damit nachdenklich. Ich möchte wissen, was einem dabei helfen kann.

„Wenn alle Stricke reißen, Game of Thrones anschauen.“ Es sei sehr hilfreich, character development auf dem Bildschirm zu verfolgen, um etwas über sich selbst zu lernen. Ich muss schmunzeln.
Ob sie wohl etwas in ihrer Vergangenheit bereut?

„Rückblickend denke ich mir: Dany? What the fuck?! Das alles hätte nicht sein müssen.“

Leben 2.0

Heute ist Dany mit sich selbst im Reinen. Sie scherzt sogar über ein „Leben 2.0“, zu dem nicht zuletzt die Auseinandersetzung mit ihrem Körper und ihrem zunehmenden Übergewicht beitrug. Durch eine Operation zur Verkleinerung ihres Magenvolumens konnte sie ihr Gewicht bereits halbieren.

Dany ist so happy wie schon lange nicht mehr.
Sie las an diesem Nachmittag einen adaptierten Manga der BBC TV Serie Sherlock. Quite cool.

 

Herzlichsten Dank und höchsten Respekt an die lieben Menschen, die bereit waren, so offen mit mir zu reden!
Möchtest du deine eigene Geschichte über das Scheitern bei MUCBOOK lesen und deine durch sie erlangten Lebensweisheiten mit unserer Community teilen? Schreib mir einfach!

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