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Musik durch die Nabelschnur: Dillon im Technikum

Ich war 16 Jahre alt, als Dillon das Album This Silence Kills herausbrachte und mir die Zeile „You’d be thirteen / I’d be thirty-five“ ins von pubertärer Wut und Verzweiflung geknechtete Hirn pflanzte.

Dass darin, so nimmt man zumindest an, die Lücke einer wegen Fehlgeburt nie ausgereiften Liebe zwischen Mutter und Kind besungen wird, ging hermeneutisch erstmal an meinem mit Fragen zu Identität und verwirrenden Jungs aus der Parallelklasse beschäftigtem Teenagerverstand vorbei; der Eindruck schmerzvoller Melancholie aber traf genau.

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Musik durch die Nabelschnur

Vielleicht ist das gerade das Besondere an Dillon, die eigentlich den wunderbar verworrenen Namen Dominique Dillon de Byington trägt und mit vier Jahren mit ihrer Mutter aus Brasilien nach Köln kam: Sie lotet die dunkelsten Stellen in unserem Inneren aus, ohne dabei genaue Gefühlsvorgaben zu machen; ihre dunkle, ja beinahe animalische Stimme schafft eher eine den elektronischen Klangteppich ihrer Songs komplettierende Atmosphäre statt eine umfassende Exegese der Lyrics zu verlangen.

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Und so nimmt man Dillons Musik auch vielmehr durch die Nabelschnur auf statt mit einem analytischen Kopf, wie jemand, der eben nicht immer versteht, aber dafür umso intensiver fühlt.

Vom Fötus zur kindlichen Leichtigkeit

Ihr neues Album heißt nun Kind und man hört, dass bei aller Traurigkeit aus der schmerzlich-schönen Unsicherheit eines Fötus ein starkes Wesen erwachsen ist: Gewohnt zart und minimalistisch, sprechen aus Songs wie „The Present“, „Killing Time“ oder auch dem Schlaflied „Lullaby“ nicht nur die Dillon’sche Tiefe, sondern auch eine neue Kraft und Leichtigkeit; in „Contact Us“ oder „Shades Fade“ weist der elektronisch grundierte Pop mit stärkerer Rhythmisierung sogar Clubelemente auf.

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Für Dillon, immer wieder von heftigen Schreibblockaden geplagt, deren zweites Album The Unknown (2014) laut eigener Aussage eine ungeheuer schwere Geburt war, ist Kind deshalb das Zeugnis einer Musikerin, die stetig an sich selber wächst – in einem ebenso menschlichen wie organischen Prozess.

Auf ihre Frage „How tall will I grow?“ in der titelgebenden Single antwortet Tocotronic-Sänger Dirk von Lotzow im Duett: „Only time will show“. Und wir wachsen mit.

 


In aller Kürze:

Was? Dillon live

Wann? Freitag, 9. März 2017 | 20:30 Uhr | Einlass 19:30 Uhr

Wo? Technikum München

Wieviel? ab 30€, Tickets hier


Beitragsbild: © Dillon

1Comment
  • anna
    Posted at 19:42h, 13 März

    ich habe lange nicht mehr einen solch geschmacklosen satz gelesen: vom (toten) fötus zur kindlichen leichtigkeit.

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