Aktuell, Münchenschau

“Denn wütend ist jeder wegen irgendwas” – WUT, ein neues Kollektiv für mehr Frauen* in der Münchner Clubszene

 München und Subkultur. Jaja, das leidige Thema. Und eben weil es so leidig ist, wollen wir diesen Beitrag gar nicht erst mit eine Beschwerde-Tirade starten – jetzt ist nämlich Schluss mit den ständigen Beschwerden! – sondern uns dem Machen widmen. Einer ganz bestimmten Macherin nämlich: Julia Bomsdorf und WUT, einem neuen, jungen Kollektiv, das sich für Subkultur und mehr Diversity in der Musikbranche stark macht.

Julia ist 23 Jahre alt, studiert Europäische Ethnologie und organisiert Konzerte seit sie 17 ist. Für eine Frau hat sie einen echt guten Musikgeschmack, wurde ihr einmal gesagt. Und das beschreibt eigentlich auch schon das Problem. Frauen* genießen in der Musikbranche, ob nun als Künstlerinnen, Veranstalterinnen oder anscheinend auch als “Hörer”, noch nicht die selbe Präsenz und Sichtbarkeit wie ihre männlichen Kollegen. Das muss sich ändern!

Für mehr Frauen* in der Musik- und Veranstalterbranche

Nachdem ihr das Organisieren von Hardcore-Punk/Alternative Konzerten irgendwann zu einseitig wurde, widmet sich Julia der elektronischen Musik. DJ-Erfahrung hat sie schon: “Ich komme ja eigentlich aus der Goa-Szene,” sagt sie und lacht. “Ja, das leugne ich nicht! Ich finde, dazu muss man auch stehen.” Über die Jahre kam sie dann schließlich zum Techno. 2017 gründet Julia das Projekt WUT, mit dem Ziel, Frauen* Kompetenzen in möglichst vielen Bereichen der Musikbranche zu geben – vom Auflegen und Produzieren bis zum Veranstalten an sich.

Die Namensfindung gestaltete sich zunächst schwierig. HASS, wie zuerst scherzhaft angedacht, war dann doch ein bisschen zu extrem. Wütend hingegen ist jeder wegen irgendwas. “Wut muss nicht zwingend etwas Negatives sein. Bei WUT nutzen wir die Energie, die wir durch die Wut bekommen, um etwas Positives schaffen. Die Wut ist unser Antrieb,” erzählt Julia. Außerdem soll WUT zeigen, das Frauen* auch anders können als süß und schüchtern.

Wie findet und mietet man geeignete Locations? Was muss man beim Booking beachten? Woher bekommt man Personal, von der Bar bis zur Tür? Wie entwickelt man Party-Konzepte und wie realisiert man diese? Und natürlich: Wie legt man auf und wie funktioniert die gesamte Tontechnik, wie baut man eine Anlage auf? Antwort auf all diese Fragen gibt Julia gemeinsamen mit wechselnden Dozentinnen in Workshops, mit freundlicher Unterstützung der Fachstelle Pop des Feierwerks München. Der Veranstaltungstechnik-Workshop mit Dozentin Michaela Vogt war ein voller Erfolg, danach wurde gemeinsam gejammt. Im nächsten Workshop wird Petra Weigart von der Roten Sonne alles erzählen, was man über Bookings und das Veranstalten wissen muss.

In Sachen Equipment stellt sich Julia klar gegen in der Szene verbreitete Elitismen. “Es wird immer gesagt, nur Vinyl sei das Wahre. Mit dem Laptop auflegen wird verpönt. Aber wer hat – gerade am Anfang – das Geld für unzählige Vinyl-Platten?” Möglichst günstig einfach anfangen – das ist es, was Julia vermitteln will: “Es muss keine teure Technik sein, Hauptsache, man kann die Musik machen, die einem gefällt.” Ihr geht es nicht darum, 100 neue DJs groß zu machen. WUT soll Hilfe zur Selbsthilfe geben und animieren, selbst aktiv zu werden.

Nicht an bestehende Strukturen hinreden, sondern selber machen

“Es hilft nichts, immer an bestehende Strukturen hinzureden und diese verändern zu wollen. Man muss einfach selbst was starten!” So könnte man sich zum Beispiel beschweren, dass erfolgreiche Partyreihen wie Garry Klein, die Cruise oder Playground hauptsächlich auf eine schwule Zielgruppe abzielen. “Einmal stand ich mit einer Gruppe von sechs Mädels vor dem Harry. Wir wurden nicht reingelassen, mit der Begründung, dass Garry Klein eine Schwulenparty sei. Dabei hatten wir selbst ganz offensichtlich keine heterosexuellen Absichten!”

“Mehr Diversität, mehr queere Partys! Das ist es, was München braucht!” Ihre Vision sind neue Techno-Partys mit guter Musik, einer offenen Atmosphäre und Hilfe, wenn jemand blöd angeredet wird. Und dafür setzt Julia sich ein. Sie kuratiert Abende im Harry Klein und der Roten Sonne, stellt einen eigenen Podcast auf die Beine und organisiert WUT-Partys, wo DJ-Neulinge die Chance haben, ganz ohne Druck zu experimentieren und sich auszuprobieren.

Doch wie macht man den Leuten klar, welche Art von Party etwas ist, ohne dass es erzwungen wirkt? Da ist sich Julia selbst noch nicht sicher. Schilder? Im Veranstaltungstext auf Facebook – ganz kinky – auf sogenannte “Play Zones” hinweisen? Nun ja. Die optimale Methode muss wohl noch in einem der Workshops ausgearbeitet werden.

Außerdem mischt Julia bei dem internationalen Netzwerk female:pressure mit, das als weltweite Datenbank für weibliche* fungiert und legt bei Marry Klein oder Queer Squad Abenden in der Roten Sonne auf. Im April sorgt sie im Rahmen des Art + Feminismus Aktionstages im Lenbachhaus für mehr Sichtbarkeit von Künstlerinnen* und Kulturproduzentinnen*, indem sie Workshops gibt und gemeinsam mit anderen Teilnehmerinnen* in mehreren Edit-a-thon Runden Wikipedia-Artikel schreibt.

‘Learning by doing’ und eine Kombination glücklicher Zufälle

Julia im Harry Klein

Eine Ausbildung zur Event-Mangerin oder ähnliches hat Julia nicht, nur Erfahrungen gesammelt. Ihre eigenen Anfänge waren eine Kombination aus glücklichen Zufällen und Gelegenheiten, dazu kommt learning by doing.

“Bei den eigenen Veranstaltungen hilft man überall mit, so lernt man viel dazu. Auch Multitasking. Man lernt zum Beispiel, am Ende selbst noch das Klo zu putzen, während man gleichzeitig einen Nervenzusammenbruch hat, weil tausend andere Sachen schief laufen. Das wichtigste ist es wohl, zu lernen mit Stress umzugehen.”

Welche Erfahrungen man sonst noch sammelt? “Bei den Veranstaltungen läuft man meistens auf null raus, macht also keinen Gewinn, obwohl man das natürlich gerne täte. Aber man will ja auch die Künstler fair bezahlen. Donnerstags kosten die Locations weniger, dafür kommen aber unter der Woche auch nicht so viele Leute.”

 

 

 

“München muss sich neben Berlin nicht schämen!”

… mit einer klaren Ansage!

Existieren tut sie, die Subkultur in München. Da muss sich München neben Berlin nicht schämen, findet Julia. Wir haben Potential und tolle Leute. Nur wahrgenommen wird das Angebot irgendwie nicht. “Alle rennen immer nur zu den großen Namen. Am Ende quetscht man sich doch wieder mit 3000 Leuten zu Ben Klock ins MMA. Dass woanders jemand weniger bekanntes spielt, der oder die an diese Qualität aus jeden Fall rankommt, interessiert niemanden. Woran liegt das? Was das betrifft sollten die Münchner auf jeden Fall offener sein.”

München macht es einem aber auch nicht leicht. Die Lebenskosten sind so hoch, dass neben Arbeit keine Zeit für etwas anderes bleibt. Das betrifft Veranstalter gleichermaßen wie Veranstaltungsbesucher. Unter der Woche ausgehen? Geht nicht, hier hat jeder einen Job. Neben der Arbeit bzw. Arbeit und Studium noch ein Projekt starten? Schwierig, zeitlich wie finanziell.

“Die Stadt sollte mehr fördern,” findet Julia. “Aber stattdessen werden uns nur noch strengere Auflagen, noch mehr Sperrstunden und noch mehr Tanzverbote reingedrückt. Was als Kultur angesehen wird und was nicht, ist längst nicht mehr zeitgemäß. Bei Techno/Electro denken die hohen Tiere von der Stadt nur an drogennehmende Kiddies. Dabei hat das Ganze auch einen politischen Faktor.” (Finden wir auch!)

Nach einer baldigen grafischen Überarbeitung sind schon viele neue WUT-Aktionen in Planung. Man darf also gespannt sein. Wir drücken Julia und allen zukünftigen DJs und Veranstalterinnen die Daumen und freuen uns auf die kommenden Partys!

 


Beitragsbild: © Elise (thank you!)weitere: Julia Bomsdorf, Neo Vg via CC-BY-NC-SA  

Giulia Gangl
2 Comments
  • B.
    Posted at 13:58h, 08 April

    “Wir wurden nicht reingelassen, mit der Begründung, dass Garry Klein eine Schwulenparty sei. Dabei hatten wir selbst ganz offensichtlich keine heterosexuellen Absichten!“”

    Wenn ich auf eine Lesbenparty gehe, muss ich damit rechnen, dass ich abgewiesen werde. Auch wenn ich keine “heterosexuellen Absichten” habe.
    Man man man. Die haben keine Einlasspflicht. Wo ist also das Problem?

  • Giulia Gangl
    Giulia Gangl
    Posted at 13:10h, 10 April

    Das “Problem” (wenn man es so nennen kann, eher “ausschlaggebendes Ereignis”) ist, dass sich das Angebot nur an eine schwule und nicht auch an eine lesbische Zielgruppe richtet. Aber wie Julia schon sagt, sie will gar nicht versuchen, bestehende Partykonzepte zu verändern, sondern etwas Neues starten, was sich dann eben an alle richtet.

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