Kultur, Nach(t)kritik

“Wir sind ja alle Oasis-Fans. Und mit wir meine ich euch.” – so war Noel Gallagher im Zenith

Benjamin Brown

“Who built the moon?” – eine einfache Frage und der Titel von Noel Gallaghers fast übermenschlichem Album.

Bei seinem dritten Soloalbum (das ja dann offiziell doch kein Soloalbum ist, schließlich arbeitet Noel jetzt mit seinen “High Flying Birds” zusammen) lässt Noel keinen Zweifel mehr an der endgültigen Distanzierung von seiner alten Band Oasis aufkommen. “Vergiss den ganzen Britpop-Kram. Es ist Zeit für etwas Neues. Für Phase zwei” – damit hat es Noel wohl selber ganz gut auf den Punkt gebracht. Mit seinen neuen Songs schlägt er eine von ihm nie gehörte Richtung ein.

Die Mischung aus voluminösen, sonst eher aus der Filmmusik bekannten Merkmalen sorgen zusammen mit Elektrobeats für einen erfrischenden und modernen Klang. Auch die Kombination aus klassisch rockigen und eher experimentellen Elementen zeigt eine ganz neue Seite des “alten” Noel auf.

Mindestens genauso beeindruckend waren auch die Videos, die seine Show begleiteten – im “Retro-Sowjet”-Look vervollständigten sie seine sowieso schon beachtliche Bühnenpräsenz perfekt. Auch wenn Noel von sich selbst behauptet, einen Antipol zur politischen und aktuell eher düsteren Rockmusik bilden zu wollen, gaben die Videos auf jeden Fall Denkanstöße. Das halbmondförmige Bühnenbild wurde zeitweise mit mondähnlichen Strukturen beleuchtet und ließ Noel daher fast ein bisschen wie den “Mann im Mond” wirken.

Fantastische Vorband: Blossoms blühen auf

Trotz der im Verhältnis zur Halle relativ kleinen Besuchermenge, war die Stimmung mehr als ausgelassen.

Nicht ganz unbeteiligt daran war mit Sicherheit die Vorband Blossoms. Die Jungs aus Stockport schienen bei jedem Song, den sie spielten, mehr aufzublühen und ließen absolut keine Zweifel an ihrem Talent aufkommen.

Vor ziemlich genau einem Jahr hatte die britische Band schon einmal in München gespielt. Damals allerdings im Strom, in einer sehr viel intimeren Atmosphäre. Als Fan erfüllt es einen daher fast ein bisschen mit Stolz, sie vor einem so viel größeren und begeisterten Publikum spielen zu sehen. Wer “Blossoms” vorher noch nicht auf dem Schirm hatte, den wird die mitreißende Performance sicherlich überzeugt haben.

Die (An-)Spannung im Zenith stieg um so mehr, als es Noels Zeit war die Bühne zu betreten.

Er öffnete mit dem eindrucksvollen Instrumentaltrack “Fort Knox”, welcher moderne, fast avantgardistische Synthesizerpassagen mit massiven, orchestral anmutenden Elementen verbindet. Ein weiteres Highlight war der Song “It’s A Beautiful World”. Mit seiner eingängigen, harmonischen Linie und dem hypnotischen Beat ist er vielleicht, im Gegensatz zu vielen anderen Songs auf dem neuen Album, keine musikalische Neuerfindung, aber mit Sicherheit ein Meisterwerk der zeitlosen Rockmusik. Dabei sind mit Sicherheit auch die eindrucksvollen Gitarren-Riffs und die französischen Interludien, welche in mehreren seiner neuen Lieder auftauchen, nicht ganz unschuldig. Der Song wird live mit Kriegsszenen, Raketenabschüssen und einer Katastrophen-Rhetorik auf der Leinwand paradox abgerundet.

Seitenhiebe gegen Oasis

Noel Gallagher kann also auch anders. Seine Zusammenarbeit mit dem irischen DJ, Komponisten und Produzenten “Holmes” (unter anderem auch bekannt für Remixes für U2) kann sich absolut sehen lassen. Holmes haucht Noels Musik noch dieses kleine bisschen mehr Leben ein und setzt neben den klassischen Rock-Elementen auch auf modernere Beats und gelassene, groovigere Teile. Diese experimentelle Stimmung steht Noel Gallagher ausgezeichnet.

Seine Absicht, sich endgültig von seiner Oasis-Vergangenheit loszusagen, machte er auch mit kleinen Seitenhieben gegen seine Fans deutlich. Der Brite hatte schon immer einen Hang zu frechen und teilweise derben Sprüchen, doch seine sichtliche Entnervtheit, mit welcher er die deutlich größere Begeisterung für alte Oasis-Klassiker kommentierte, war unverkennbar. “Oasis ist vergessen und vorbei” um es in Noels Worten zu sagen oder um beim Wortlaut des Konzertes zu bleiben: “Wir sind ja alle Oasis-Fans. Und mit wir meine ich euch.”

Trotz der experimentierfreudigen und teilweise fast psychedelischen, funkig anmutenden Ansätze, schließt Noel sein Konzert mit dem Klassiker “All We Need Is Love” von den Beatles und setzt somit zu guter Letzt noch einmal ein klares Zeichen in unserer turbulenten Welt.


Text: Lena Völk
Fotos: Benjamin Brown

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