Kultur

33 1/3 Jahre Spex – das Buch, die Lesung, die Konfusion

Jonas Bock
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Spex Lesung

Wer Hipster ist oder einer werden möchte, beschafft sich die neuesten Trends in Sachen Musik, Mode und Kunst über diese Zeitschrift. Doch natürlich wird deren Lektüre stets geleugnet, schließlich will man ja nicht andere Köpfe als Vordenker preisgeben. Gute 33 Jahre gibt es die Spex nun schon. Zu diesem doch nicht mehr so jungen Schnappszahl-Geburtstag spendierte man den Lesern nun ein ganzes Spex-Buch mit ausgewählten Artikeln aus den letzten Jahren. Am Dienstag fand dazu im Literaturhaus mit Schreibern der Spex eine Lesung statt. Wer dabei den Durchblick behalten konnte, verdient meiner Meinung nach einen Kasten Bier und den Posten der Chefredaktion.

Man lag krank im Bett und brauchte Beschäftigung. Der Vater sollte das Sounds-Magazin vom Kiosk holen, kam dann jedoch mit der Spex an, so der ehemalige Chefredakteur Max Dax. Bei Popautor Andreas Neumeister war es hingegen eine Rock-Verdrossenheit und die Faszination mit der New Wave-Musik Anfang der 80er, die ihn zur Spex trieb.

So divers wie die ersten Kontakte mit dieser Zeitschrift ausfielen waren auch die Texte, die das Spex-Team unter der Moderation von Jens Christian Rabe vortrug. Mit einem Bericht über ein Interview mit der Industrial-Band Throbbing Gristle startete Andreas Neumeister. Planloses Wandeln über ein menschenleeres Lagerhausgelände im Londoner East End des Jahres 1980, dann tauchen plötzlich zwei Gestalten in Kampfanzügen aus dem Dunkel einer Halle auf, die sich als Bandmitglieder herausstellten. Wilfried Rüttens Beschreibung dieses Trips bestimmt in etwa den Ton, der auch in den Anfangstagen der Spex die Redaktion beherrschte: Do-it-yourself, hohe Ambitionen in Sachen Schreibstil, die jedoch nicht selten in verkopften Plauderein ausarteten … und vor allem die Erfindung einer Popsprache, wie Max Dax niemals müde wird, immer wieder zu betonen.

Spex Lesung 2

Anne Waaks vorgetragener Artikel von Clara Drechser fährt da eine stringentere Linie. In einem “Mission Statement” zieht sie 1981 ein Fazit über das erste Jahr der Spex. Belächelt von anderen Redaktionen, ohne finanziellen Background und ohne Konzept konnte sich das Magazin trotz allem über Wasser halten und sich sogar eine kleine Nische schaffen. Doch allerlei Gefahr droht nicht nur von aussen, wie Clara Drechsler über die Konflikte mit freien Journalisten aus Berlin schildert. Statt selbstverliebter Blasenspuckerei und Name-Dropping interessiert die Autorin vielmehr, welche Kriterien und welcher Kunstbegriff sich für das damals noch junge Magazin festsetzen sollte. Klar, die bombensichere Definition eines Kunstbegriff hat noch kein journalistisches Medium gemeistert, doch die Kriterien, mit denen die Spex arbeitet, fallen laut Drechsler relativ simpel aus: Persönliche Begeisterung soll stets die Perspektive des Spex-Schreibers sein.

In Max Dax’ Vortrag eines selbstverfassten Artikels will diese Begeisterung jedoch nicht so zu Tage treten – oder lag es am Blick der Zuhörer, der ständig auf das Handydisplay zum Punktestand des Champions-League-Spiels wanderte? Sein Artikel berichtete von einem Interview mit Nick Cave und seiner Nullerjahre-Band Grinderman, durch das er sich kämpfte. Der Ausdruck ‘kämpfen’ ist leider nicht übertrieben, Nick Cave warf in dem Interview wild mit Assoziationen und Begriffen aus dem Fachwissen um sich, denen Max Dax kaum Herr werden konnte. Ja, da ist sie wieder, diese Spex-Gedankenfreiheit, der man als Leser im Magazin und eben auch als Zuhörer in den Zwischengesprächen der Lesung teilweise nur schwer folgen konnte.

Da half es dann leider auch nicht, dass die anwesenden Autoren die grundsätzlichen Fragen und Problematiken des Magazins (also beispielsweise die Schwierigkeit des Schreibens bzw. die Daseinsberechtigung einer Popsprache) in den Unterhaltungen zwischen den Artikeln lediglich anschnitten, abblockten oder einfach in andere Fragen umdrehten. Ebenso schaffte es Jens Christian Rabes Moderation nicht, eine Struktur in den Talkpart der Lesung zu bringen.

Was letztendlich zurückblieb von der Lesung, war ein etwas bitterer Geschmack auf der Zunge wie von pechschwarzem Kaffee: In seiner vergeistigten Art und Weise treu zu den Wurzeln der Spex, aber leider nicht sehr magenfreundlich.

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