Kultur, Nach(t)kritik

An einem Abend im Cuviliéstheater, als es um Entwicklungshilfe ging……

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„Es war eine komplette Katastrophe“ – Mit diesem Satz beginnt ein Abend mit Gesprächen über Hilfe oder Nicht-Hilfe für den „Kriesenkontinent“ Afrika in Schimmelpfennigmanier.

Vier Figuren stehen verloren in einem hellausgeleuchteten Kasten.  Liz, Frank, Carol und Martin. – „Just who do they think they are?“ Unter diesem Motto wurde die Uraufführung von Roland Schimmelpfennigs Stück damals in Toronto beschlossen, das sich mit dem Verhältnis von Westen und „Schwarzem Kontinent“ auseinandersetzt. Intendant Martin Kušej inszenierte das Werk zunächst vergangenes Jahr am Deutschen Theater in Berlin. Nun ist es in seinem eigenen Haus zu sehen.

Zwei Mediziner-Paare treffen nach sechs Jahren aufeinander. Während die einen sich -ganz deutsch- Tochter und Haus mit Garage zugelegt haben, haben die anderen die Zeit in Afrika verbracht und versucht, zwecks Entwicklungshilfe, anderer Kinder Leben zu retten. An dem Ort, an dem sich die Patienten nach Entlassung gegenseitig bloß wieder umbringen und man sich die Hepatitis Ping Pong-artig hin und her spielt. Die Frage, welcher Ort nun der richtige sei und welche Lebenswirklichkeit die richtige, können sich die vier während dem verklemmten Stehempfang kaum beantworten. Stattdessen jonglieren die Figuren mit dem Für und Wider der Entwicklungshilfe hin und her.

Das rein – raus und repeat beherrschen die Schauspieler dabei zweifelsohne. Sie wirken alle auf ihre Art furchtbar nervig und hilflos zugleich, wie sie ihre Launen in klassischer Schimmelpfennigmanier auf und absetzen, von Ulrich Matthes’ angestrengtem gute Laune dürstenden Gehampel bis zu Maren Eggert’s Kinderstimmchen, mit dem sie zwischen weißer Plastikpuppe Peggy Pickit und dunklem Schnitzwerk Anny Abony verhandelt. Zwischendurch wird sie für ihre emotionalen Entgleisungen von der verwirrten Carol (Sophie von Kessel) vermehrt geohrfeigt. Ein wahrer Schlagabtausch eben, der sich anhand der kleinen Anny, für die Liz und Franz  blind Unterstützungshilfe leisten, hochschraubt. Als ein Schicksal unter vielen scheint das Leben des kleinen Mädchens nicht viel wert. So haben Carol und Martin es zurückgelassen. Was die Freunde nicht verstehen können: Es macht schlicht keinen Unterschied, ob man ein Leben mehr oder weniger rettet.

Der einzige Ausbruch aus der Käfigsituation geschieht durch das unverbindliche Hinabfallen von Müll. Das Ertönen des perversen Popsongs „We are the World“  vereinter amerikanischer Musikgrößen, zu denen sich seiner Zeit auch Michael Jackson zählte, korrespondiert vortrefflich mit den verwirrten Schauspielern, die den Müllhaufen erklimmen. Sie wissen nicht so ganz, was jetzt mit dem Problem anfangen. In Afrika sitzen und zusehen, wie sich alle selber umbringen oder in Deutschland sitzen und bewegliche weiße Gummipuppen nach Afrika schicken, wo die Kinder wie die Fliegen sterben. Es scheint irgendwie egal zu sein und so ergibt sich auch der letzte Satz:

„Es ist nicht mein Fehler.“

Ein offenes Ende beschließt die knapp 1 ½ Stunden. Was die Lösung des Problems ist, ist nicht auszumachen und so lässt einen der Abend ein bisschen indifferent. Leicht angestrengt von der sich doch irgendwie wiederholenden Thematik des sowieso-nicht-helfen-könnens aber auch mit der Frage, wie man das Thema anders hätte darstellen können, als vom Klischee angehaucht. Und was Theater in diesem Bezug überhaupt leisten kann.

Peggy Pickit sieht das Gesicht Gottes

Koproduktion mit dem Deutschen Theater Berlin

im Cuvilliéstheater

weitere Infos unter

http://www.residenztheater.de/spielplan/

Nächste Vorstellungen am

SO 06. NOV 11, 20:00 Uhr

MO 14. NOV 11, 20:00 Uhr

DI 22. NOV 11, 20:00 Uhr

DO 01. DEZ 11, 20:30 Uhr

FR 09. DEZ 11, 20:00 Uhr

Fotos: Arno Declair

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