Kultur, Nach(t)kritik

Broken Social Scene – Vorgetäuschte Höhepunkte

Sebastian Gierke
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Die Erwartungen waren groß. Gewaltig. Vielleicht war das das Problem. Den Broken Social Scene im Backstage waren zwar beeindruckend, aber eben nicht gewaltig.

Wäre die Bühne breit genug, würden sie sich wohl alle nebeneinander platzieren, auf einer Linie. Ohne Mittelpunkt, ohne Zentrum, ohne Hierarchie. Im Backstage ist sie nicht breit genug, nicht für acht Musiker. Oder neun? Zehn? Bei Broken Social Scene geht es auf der Bühne zu wie bei der nordkoreanischen Fußballnationalmannschaft im Strafraum. Ziemlich chaotisch.

Ständig wechseln die Mitglieder des Musikerkollektivs aus Kanada ihre Positionen. Von der Gitarre an den Sampler, an die Percussion, an die Trompete, an den Bass. Sogar der Roadie, der ständig über die Bühne wuselt, greift gegen Ende des Konzerts noch zu einem Saiteninstrument. Es sind dann insgesamt vier Gitarren, die das kanadische Kollektiv aufzubieten hat. Und alle schruppen sich wohl ein Wochenwachstum Fingernägel ab.

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Immer mehr Soundschichten werden übereinandergelegt. Dabei geht es auch um das Verschwindenlassen von zuvor Geschaffenem – und im Laufe dieses Prozesses entsteht eine große Dichte. Die Songs sind trotz ihrer Komplexität unmittelbar eingängig. Das ist das Geheimnis dieser Band, die auch immer wieder als Retter des Indierock gefeiert wird. Alles verweist aufeinander, ohne dass die Relationen eindeutig zu identifizieren sind. Nichts ist fest, sicher.

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Halt, doch. Der Schlagzeuger thront auf seinem Podest über allem, er muss als einziger seinen Platz nie räumen und hält dieses fragile Gebilde durch seinen rhythmischen Puls zusammen. Zugleich schleppend und drängend, immer wieder das Crescendo eröffnend, Werben und Locken – und dann die Erschöpfung nach dem Höhepunkt.

Doch einige Höhepunkte an diesem Abend im Backstage fühlen sich an wie vorgetäuscht an. Es fehlt eine wirklich schlüssige Dramaturgie und vor allem: der Sound ist nicht differenziert genug für die vielen Schichten. Man spürt bei diesen epischen, clever arrangierten, verschlungenen Songs die Kraft des Chaos aber keine Entwicklungsspannung – und rast deshalb einfach mit, doch nur so aus Trägheit.

[Der Text ist zuerst in ähnlicher Form in der SZ erschienen.]

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