Kultur

Das neue Welttheater

Regina Karl
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Das diesjährige Radikal Jung-Festival am Volkstheater gibt sich weltmännisch: Von „Peer Gynt“ bis „Dorian Gray“, über „ArabQueen“ und „Verrücktes Blut“ mäandern die Produktionen durch einen neuen Trend: das Migrantentheater

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„Ich bin nicht Stiller!“. Mit diesem Ausruf beginnt Max Frischs gleichnamiger Roman, der in einer Produktion des Schauspielhaus Zürich beim diesjährigen Radikal Jung-Festival des Münchner Volkstheaters gezeigt wird. Aufhänger des Festivals ist in diesem Jahr aber vielleicht weniger die Frage, wer wir sind, als vielmehr die Frage, wo wir sind. Das neue Welttheater heißt Migrantentheater und das wissen wir nicht erst seit dem großen Erfolg der Berliner Ballhaus-Inszenierung „Verrücktes Blut“, die als Kandidat bei den Mühlheimer Theatertagen und dem Berliner Theatertreffen schon jetzt Kassenschlager des Münchner Festivals ist.

Der türkische Regisseur Nurkan Erpulat macht Theater über Berlin, im Gegenzug inszeniert die deutsche Nicole Oder das Stück „ArabQueen“. Halb Portugiese, halb Chilene, aber in Tübingen geboren, präsentiert Antú Romero Nunes (heimlicher Liebling des Festivals im letzten Jahr) seine Version des ewigen Wanderers „Peer Gynt“.

Selbstvergessene Flaneure und Dandys findet man auch in der Bühnenfassung von „Dorian Gray“ des Wiener Burgtheaters und der Produktion „Life:Reset“, des Théâtre National Brüssel, in der eine Frau irgendwo am Rande zwischen Traum und Realität ihre Existenz zu finden versucht. Wanderschaft: offenbar ist es das, was uns in diesem Jahr radikal (und) jung macht.

Migration, Integration und Globalisierung hin oder her, auf der Reise von der Türkei nach London, über Zürich, Portugal, Brüssel und Wien nach München wird sich ja zeigen, ob wir dem, was wir sind, immer schon ein paar Meilen vorauseilen oder am Ende doch wieder nur ausgelaugt hinterhinken.

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