Kultur, Nach(t)kritik

Der Abstieg vom Kunsttempel

Nora Niedermeier
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Es war eine Premiere voller Prominenz: Zum ersten Mal in der Geschichte der drei bekanntesten Theater der Stadt, gab es sie alle drei zusammen auf einer Bühne: Martin KuÅ¡ej, Intendant des Bayrischen Staatsschauspiels, Johan Simons, Intendant der Münchner Kammerspiele und Christian Stückl, Intendant des Volkstheaters sprachen im Rahmen der Veranstaltungsreihe “drinnen und draußen” über das Thema “Theater und Stadt- Ein Lebensraum”.

Eingeleitet wurde diese Diskussion von einem Impulsreferats von Prof. Dr. Julian Nida-Rümelin, Professor der Philosophie an der LMU, und als Moderator fungierte Prof. Dr. Christopher Balme, Direktor des Institus für Theaterwissenschaft an der LMU.

Das Motto dieser Matinée schien ein Zitat von Herbert Achternbusch zu sein: “Du hast keine Chance, aber nutze sie!”, das Johan Simons beiläufig erwähnte. Dass Theater nie die “Einschaltquoten” eines Fernsehblockbusters erreicht, stand schon immer außer Diskussion. Die eigentlich spannenden Fragen dieses Morgens waren eigentlich: Welche Bevölkerungsschichten gehen noch ins Theater? Wie gelingt es auch die Jüngeren zu begeistern? Und welche Rolle spielt die Kulturpolitik dabei? Aber auch: Muss/ soll eine Inszenierung stadtspezifisch geprägt sein, oder sollte es einen Trend hin zu einem europäischen, oder gar Welttheater geben?

Mit der “Maske des Philosophen” eröffnete Prof. D. Nida-Rümelin die Veranstaltung und seine Prinzipien für eine gute Stadt schienen so einfach wie unabdingbar: Die Stadt soll den humanistischen Individualismus, also eine Nichtkontrolle durch Andere und freie Selbstgestaltung, fördern, zur Kooperation und Kulturoffenheit beitragen und als Raum für kulturelle Begegnungen, als Ort der Gestaltung, fungieren.

Die anschließende Podiumsdiskussion war aber nicht nur auf derartig abstrakte Themen konzentriert, eher war es eine gute Chance, die drei wichtigsten Intendanten der Stadt näher kennenzulernen. Ob Stückls schweres Erbe nach Ruth Drexel, Kochrezepten auf Martin KuÅ¡ej Webseite und Simons Kampf gegen den Fernseher- diese Gesprächsrunde war  eine Liebeserklärung ans Theater und an die Stadt München. Und eine Frage wurde dabei ganz besonders ausführlich besprochen: Wie begeistert man auch andere Bevölkerungsschichten als das “Bildungsbürgertum” für seine Inszenierungen?  KuÅ¡ej plädierte in diesem Zusammenhang für eine Öffnung des Theaters mit neuen Formaten, die das Theater vom Sockel des “Kunsttempels” herabheben. Das Volkstheater hat diesen Schritt schon getan, mit seinem Festival “Radikal jung” gibt es neuen Regisseuren eine Platform- und ein neues, junges und multikulturelles Publikum dankt es ihm. Doch ist es immer die Aufgabe des Theaters sich zu verändern? Prof. Dr. Nida-Rümelin kritisierte an diesem Punkt die Kulturpolitik, die Kultur an öffentlichen Schulen zu wenig fördert und damit die Zweibahnstraße Theater-Stadt auf ihrer Seite behindert. Und so ganz falsch ist diese Einschätzung auch sicher nicht, fast jedes Theater hat heutzutage einen Jungenclub und das Volkstheater beispielsweise stellt zu fast jeder neuen Inszenierung Unterrichtsmaterial zur Verfügung. Simons erwähnt hier eine Umfrage bei jungen Menschen, die vor allem die Länge und Komplexität von Theater beklagen. Hier wird der ansonsten ziemlich reserviert wirkende Intendant richtig aufbrausend und fordert Stücke von sechs Stunden und das Ende des Populismus, der sich an Fernsehkultur orientiert. Und auch Martin KuÅ¡ej sieht langfristig schwarz, Verflachung und Verblödung seien ohne Hilfe der Politik nur schwer aufzuhalten.

Also insgesamt pessimistische Zukunftsaussichten für das Stadtheater?

Insgesamt sprachen sich alle Teilnehmer für eine Öffnung des Theaters nach Europa hin aus, von einem “Welttheater” war die Rede und Prof. Dr. Balme gab zu bedenken, dass es heutzutage trotz Fernseher und Internet so viele Theaterformen wie noch nie in Deutschland gebe. Das Theater ist also nicht gefährdet und diese drei Intendanten haben ihre Hausaufgaben zum Thema Öffnung gemacht, jetzt ist die Politik an der Reihe, diese Entwicklung zu unterstützen. Und wie nah wir schon an einem weltoffenen Theater sind, bemerkte auch Prof. Dr. Balme sehr treffend: Die Runde bestand aus einem Neuseeländer, einem Niederländer, einem Österreicher, einem Oberbayer und einem Münchner.

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