Stadt

Die Wiederkehr der Bilder

Philipp Bovermann
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Es ist irgendeine Liebesgeschichte und deren Scheitern, die derzeit auf der Bühne des Rationaltheaters in Schwabing gespielt wird. Irgendeine, sie könnte irgendwo passiert sein und irgendjemand, der sich darin erkennt, ist man höchstwahrscheinlich selbst. „Adam und Esra“ inszeniert die Urszene zwischen Mann und Frau neu und immer wieder neu.

Der Diaprojektor bildet die Bühnenbeleuchtung, Adams Erinnerung ist der Schauplatz. Tatsächlich: wie verwaschene Dias wirken die fragmentarisch aus der Vergangenheit auftauchenden Szenen, unscharf oder überbelichtet, dann wieder mit absurd grellen Farben, weil sie alle im Sommer aufgenommen wurden – weil es immer ein viel zu schöner Sommer ist, der den Hintergrund für solche unglücklichen Geschichten bildet und den Kontrast nur schärft. Es geht um Fremdheit, um die fremde Geliebte im Sommerkleid, die sich nicht verstehen lässt, um plötzliche Nähe; und um die Angst, die hinter beiden steht. „Ob sie die Richtige ist?“ – das ist die offene Frage, die das gesamte (zwischenmenschliche) Drama motiviert. Adam umkreist Esra, während diese auf der anderen Seite der Bühne im Dunkel unerkennbar sitzen bleibt.

Die Szenen scheinen sich zu wiederholen und nicht vom Fleck zu kommen, manchmal wirken sie trivial, ja klischeehaft – was daran liegt, dass sie das Leben geschrieben hat. Die Romanvorlage von Maxim Biller wurde verboten, weil sie unverhohlen autobiographisch entstanden ist. „Esra“ und deren Mutter sahen ihre Persönlichkeitsrechte verletzt. Tatsächlich ist der gesamte Fortgang des Geschehens, seine innere Logik, so offenkundig und vorhersehbar, wie es nur für das „echte“ Leben gilt – das ist die umso traurigere Erkenntnis, die einem diese Szenen bieten. „Statistisch gesehen ist es doch kaum möglich, dass ich das noch mal erlebe“, sagt sie, fassungslos angesichts der ins Taumeln geratenen Zeit, deren Jahre sich im Kreis zu drehen scheinen. Das Bausteinhafte, die Austauschbarkeit der zwischenmenschlichen Dramen vermag ihnen nicht den Stachel zu nehmen, im Gegenteil. Es ist nicht der große Plot aus Hollywood, sondern diese floskelhafte Zwangsläufigkeit hier das eigentlich Niederdrückende. „Weißt du, wie schön alles werden würde?“ – „Ja, ich weiß.“

Mit den Dias sitzen die Beiden zugleich vor ihren eigenen Vorgeschichten, die ihnen im Weg stehen und stets erneut aufgerollt werden. Das dramatische Jetzt bietet die Möglichkeit zur Berührung, doch sie lassen die Chance wieder und wieder verstreichen. Als er nach der – wievielten? – Versöhnung ins Bad geht, um ein Präservativ zu holen, zieht sie sich wieder an, wirft ihm vor, zu vorsichtig zu sein, „zu deutsch“, das heißt in ihrer Sprache: zu gewöhnlich. Aber das Gewöhnliche, gerade der Liebe, ist es, dem sie nicht entkommen können.

Wer sich „Adam und Esra“ anschauen möchte, hat dazu noch heute Abend, am 11. Mai, und am Sonntag, 15. Mai, die Chance. Das Ganze findet im Rationaltheater in Schwabing statt, losgehen tut’s jeweils um 20 Uhr.

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