Kultur

Electric Indigo – Party, durch, dachte

Sebastian Gierke
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Techno-Musiker bewegen sich auf einem schmalen Gradt zwischen Party und Reflexion. Denn Techno war schon immer beides: Exzess und das Nachdenken über die möglichen positiven soziokulturellen Folgen des rauschhaften Lebens in der Nacht. Beides ist untrennbar miteinander verbunden, das richtige Mischverhältnis der beiden Zutaten zu finden, das ist die Herausforderung, auch für Electric Indigo, die heute in Roten Sonne ist.

Künstlerische Krisen des Techno waren jedenfalls immer dann unleugbar, wenn das Gleichgewicht verloren ging. Zum Beispiel während der Hochzeit der Love Parade, als Ende der 1990er-Jahre der brüllende Stumpfsinn einer durchkommerzialisierten Millionenparty in Berlin jeden leisen Gedanken pulverisierte. Auch aus Resignation vor diesem gewaltigen, alles niederwalzenden Techno-Monster verschanzten sich vielversprechende Künstler zur dieser Zeit im Elfenbeinturm der Intellektualität.

„Das sollte so nicht sein“, erklärte Electro Indigo in der De:Bug im Jahr 1998. „Da wird sich auf einem theoretischen Pfad bewegt, der den physischen Kick immer mehr vernachlässigt oder verleugnet.“ Electric Indigo, bürgerlich Susanne Kirchmayr, tanzt mit der Sicherheit einer noch nie gefallenen Seiltänzerin seit vielen Jahren auf dem schmalen Grad.

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Techno klingt bei der mittlerweile 45-Jährigen nie einfältig, sie verbindet ihn vielmehr mit Neuer Musik, ohne dabei zu anämisch, zu anstrengend zu werden. Die Wienerin findet im Oldschool-Techno immer noch das Besondere, weil ihre Musik eben nicht einfach alt klingt, sondern weil sie ständig an der akustischen Vertiefung der Mechanismen arbeitet, die im Club dazu führen, dass alle Arme in die Luft fliegen. Genauso wie Patrick Pulsinger und Elektro Guzzi, ebenfalls aus Wien, die zusammen mit Electro Indio in der Roten Sonne zu hören sein werden.

Pulsingers aktuelles Album “Impassive Skies” ist in seiner irrsinnigen Vielfalt und genialen Rastlosigkeit ein Beweis dafür, dass der Techno im Moment ziemlich gesund aussieht, in der Balance ist. Allerdings wurden die Versprechen in einem wichtigen Bereich noch nicht eingelöst. Elektronische Musik wollte, so hatte man sich das zumindest überlegt, mit dem machtvoll Maskulinen im Pop aufräumen, keine Geschlechteridentitäten mehr! Electric Indigo gründete auch deshalb vor über 10 Jahren female:pressure, ein Netzwerk für weibliche DJs, Produzentinnen und VJs. Mehrere hundert Mitglieder hat female:pressure, die Community brachte durch die Kombination von Techno und Feminismus Bewegung in die Diskussion. Dennoch: Die DJ ist immer noch eine Ausnahme. Electric Indigo arbeitet weiter – am Mischverhältnis.

Electric Indigo, Electro Guzzi (live) und Patrick Pulsinger, heute in der Roten Sonne, ab 23 Uhr.

[Dieser Text ist in ähnlicher Form in der SZ erschienen]

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