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Essen ohne Plastik
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Die Mülldiät – ein Duell. Ein Beitrag aus dem aktuellen Mucs Magazin
Unsere Autorin Annegret Liepold wettet, eine Woche lang ohne Kunststoffe zu leben.
Seit ich den Film „Plastik Planet“ gesehen habe, frage ich mich, ob es kein Zurück mehr gibt. Müssen wir all die Plastikprodukte konsumieren oder haben wir noch die Wahl zwischen Produkten mit und Produkten ohne Plastik?
Ich beschließe, das in einem Bereich zu testen, um den wir nicht herumkommen, keinen Tag in unserem Lebens: die Ernährung. Meine Mitbewohnerin bezweifelt, dass ich es schaffe, mich eine Woche zu ernähren, ohne dass ich einen Schnipsel Plastik produziere. Deswegen – und um mich anzuspornen – fordere ich sie zu einer Wette um die Ehre heraus: mein Durchhaltevermögen gegen ihren riesigen Müllsack.
Tag 01 – Ohne Plastik? Das kann doch nicht so schwer sein
Ich habe eine Liste mit Nahrungsmitteln geschrieben, die auf jeden Fall ohne Plastik verpackt sind. Milch und Aufstrich
im Glas, Käse aus dem Biosupermarkt (in Papierverpackung), Nudeln. Die Liste ist nicht lang, aber ich bin überzeugt, beim
gemütlichen Schlendern durch den Supermarkt auf die ein oder andere Überraschung zu stoßen. Aber Schlendern mit leerem Magen? Mein Kühlschrank am Morgen gibt absolut nichts her, selbst die Milch hat überflüssigerweise einen Plastikschraubverschluss. Meine Mitbewohnerin spaziert in die Küche. „Gewappnet für die Mülldiät?“, will ich wissen. „Wieso denn ich?“, fragt sie süffisant und beißt genüsslich in ein absolut umweltschädliches Nutellabrot. Wer hat nur diesen weißen Plastikdeckel auf dem Glas erfunden? Der Einkauf wird zur Strapaze. Drei Stunden renne ich durch vier Läden. Fast jede Nudelpackung hat ein sinnloses Plastikfenster (wer weiß denn nicht, wie Nudeln aussehen?) und Käse ohne Plastikverpackung gibt es nur an der teuren Käsetheke. In meiner Tasche klimpern die Glasflaschen und insgeheim preise ich den Erfinder der PET-Flasche. Als ich nach Hause komme, habe ich sehr schlechte Laune, denn mein Magen ist immer noch leer. In der Küche hängt ein Zettel von meiner Mitbewohnerin: „GUTEN APPETIT!“.
Tag 02-Nur selbst gemacht ist sicher
Gestern habe ich mir noch einen Kaffee zum Mitnehmen gegönnt, aber natürlich auf den Plastikdeckel für den Becher verzichtet. Heute weiß ich, dass die Becher nicht durchweichen, weil sie mit Kunststoff beschichtet sind. Das heißt: früher aufstehen und Tee trinken. Mein zweites Problem: Darf ich in der Unifreistunde ins Ökorestaurant gehen, oder versteckt sich hinter der Gemüseratatouille ein Plastikberg? Warum heißt es denn „öko“? Als ich nachfrage, erfahre ich, dass sie versuchen, auf unnötige Packungen zu verzichten. Häufig jedoch wird Gemüse in Plastikverpackungen geliefert, eine Plastikschale, in der die Zucchini liegen, eine Folie rings herum noch dazu. So muss ich, wie in alten Schulzeiten, ein verpackungsarmes Pausenbrot verzehren, selbst geschmiert und in der Papiertüte hertransportiert. Meine Kommilitonen haben nicht einmal Mitleid!
Tag 03- Weniger Plastik, mehr Gelüste
Lange kann ich mir den Käse aus dem grünen Supermarkt nicht mehr leisten. Und dann – verhungern? Ich bekomme wahnsinnig Lust auf Kartoffeln mit Quark, wahlweise auch Crème fraîche oder einfach saure Sahne. Wahrscheinlich, weil ich den Versuch aufgegeben habe, Quark aus der Dose zu finden. Nudeln mit Pesto sind aber auch eine gute Wahl. Als mir am Abend auf einer Geburtstagsfeier ein Glas Wein angeboten wird, gerate ich erneut in einen Zwiespalt. Jeder Korken ist von Plastik umwickelt. Die sichere Seite heißt: Bier.
Tag 04-Die Diät weitet sich aus
Jeden Morgen ärgere ich mich, dass ich kein Müsli finden kann, das nicht noch in Plastik eingepackt ist. Die morgendliche Alternative
zum Käsebrot ist Joghurt aus dem Glas mit vielen Früchten. Eigentlich sehr empfehlenswert. Trotzdem: Warum habe ich so Heißhunger auf Müsli? Mittlerweile habe ich vom vielen Glasflaschenschleppen Rückenschmerzen. Ein Bonuspunkt der Mülldiät hingegen ist der erzwungene Verzicht auf Süßigkeiten – Gummibärchen ohne Plastikhülle existieren einfach nicht. Unfreiwillig wird es eine Diät in doppelter Hinsicht.
Tag 05- Die Konkurrenz kocht auch nur mit Plastik
Meine Vorräte sind aufgebraucht und der Müllsack meiner Mitbewohnerin bei weitem nicht so voll, wie ich es erwartet hatte. Hat sie heimlich Müll gespart? Als wir gemeinsam kochen, werde ich enttäuscht. In Windeseile schiebt sie eine Fertiglasagne in die Mikrowelle. Ein ganzer Verpackungsberg bleibt übrig! Energisch schneide ich Zwiebeln, Tomaten, rühre die Béchamelsauce, reibe Käse, schichte Lasagne-Platten: Hoch lebe die selbst gemachte Speise! Man tut es ja auch für den besseren Geschmack…
Tag 06- Alles hat ein Ende, nur die Wurst…
Ich kapituliere! Ich will Mozzarella essen und dazu Gummibärchen. Außerdem habe ich Lust auf Quark mit Nutella und möchte für meinen Einkauf nicht mehr als fünf Minuten brauchen. Meine Mitbewohnerin hat die Wette gewonnen, obwohl mein Müllsack mit kleinen Ausnahmen absolut recycelbar ist. Plastik und Essen gehören bei uns wohl irgendwie zusammen. Aber hoffentlich nicht mehr lange.
Annegret Liepold, 20, Komparatistik- und Politikstudentin,
kocht gerne mit Freunden und macht
den besten Schafskäsedip der Welt.
Fotos: Pascale Arnold
Mucs Magazin als pdf zum online lesen
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Fakten zum Plastik
Verschmutzte Meere: pro Quadratkilometer treiben bis zu 18.000 Plastikteile im Meer.
Quelle: UN-Umweltorganisation UNEP
Laut The Wall Street Journal verbrauchen allein die USA 100 Milliarden Plastiktüten jährlich. Um diese Anzahl an Tüten herzustellen, benötigt man 1,5 Milliarden Liter Öl.
Quelle: www.reluma.de, Firma für Recycling-Plastikbauträger, aber auch auf Bund.de
Jährlich werden weltweit schätzungsweise bis zu 240 Millionen Tonnen Plastik produziert.
Quelle: nabu.de
Bis zu 100 Jahre dauert es, bis eine Plastiktüte kompostiert. Heutzutage befindet sich sechsmal mehr Plastikmüll in den Meeren als Plankton.
Quelle: Plastic Planet
Die Menge der in Deutschland eingesetzten Pflanzenschutzmittel beträgt 40.000 Tonnen und hat sich seit den 70er-Jahren mehr als verdoppelt.
Für die Produktion von einem Kilo Rindfleisch werden bis zu 15.500 Liter Wasser verbraucht, für ein Kilo Brot 1.300 Liter Wasser.
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MVHS-Tipp
Streng verdaulich. Was essen wir eigentlich? Der Kabarettist und studierte
Chemiker Philipp Weber zerlegt Nahrung auf humoristische Weise. 31.1.2013 / Bürgersaal Fürstenried-Ost,
Züricher Str. 35 / 19.30 bis 21 Uhr / 13.- Euro
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