Kinogucken

Auf den Kopf gestellt

Thomas Empl

Wer in letzter Zeit im Kino war, hat wahrscheinlich den Trailer zu Flight gesehen. Der platziert den Film als Heldengeschichte vom sympathischen Piloten, der bei einem Flugzeugabsturz das Leben seiner Passagiere rettet, indem er den Flieger kopfüber (!) steuert, und danach von der nervigen Bürokratie geplagt wird. Ein Feel-Good-Hollywoodfilm mit dem immer sympathischen Denzel Washington also.

Denzel

Tja, und dann fängt Flight an. Der sympathische Denzel zieht sich in der linken Bildhälfte auf dem Bett eine Nase Koks, während sich in der rechten gerade eine splitternackte Stewardess anzieht. Der Flug der beiden, während dem sich der Pilot Whip Whitaker noch zwei Flaschen Wodka gönnt, geht in zwei Stunden. Ja, Whitaker kann nichts für den Absturz und er rettet viele Leben, aber nicht alle. Sechs Menschen sterben, und viele Fragen bleiben offen.

Verständlich, dass man Robert Zemeckis (Forrest Gump, Zurück in die Zukunft) Rückkehr zum Realfilm nicht als das vermarktet hat, was sie ist: Das schonungslose Portrait eines ziemlich fehlerhaften Mannes, der sich und allen anderen einredet, kein Alkoholiker zu sein. Nur sollte man Flight deshalb keinesfalls meiden. Mit Denzel Washington ist die Rolle nämlich ideal besetzt. Einerseits kennt man ihn als charismatischen Helden, der Züge, Schiffe und jetzt auch noch Flugzeuge rettet. Andererseits stellt man diesmal – so wie Whitaker selbst – irgendwann fest, dass er diesmal gar nicht „der Gute“ ist; dass dieser Mensch ziemliche Probleme hat.

Denzel stellt diesen Wandel, den zentralen Konflikt dieses Films, meisterhaft dar. Man sieht, wie er mit sich kämpft, wie er es aber viel zu lange schafft, eine Maske aufzusetzen, um seine Mitmenschen und vor allem sich selbst zu täuschen. Eine Drogenabhängige, die Whitaker nach dem Absturz im Krankenhaus kennenlernt (sogar als Drogenwrack noch bezaubernd: Kelly Reilly), nimmt ihn mit auf ein Treffen der Anonymen Alkoholiker. Der Redner fragt, wer von den Anwesenden abhängig sei. Alle heben die Hand. Außer Whip. Doch kein Held.

Washington brilliert in diesen Momenten, der Film ist trotz vieler guter Nebendarsteller eine absolute Denzel-Show. Am Ende zieht sich Flight zwar ein bisschen sehr in die Länge, sehenswert ist diese für Hollywood eher ungewöhnliche Charakterstudie aber allemal.

Denzel-mit-Frau

(Flight läuft am 24.01. an, also zusammen mit Steven Spielbergs Lincoln. Beide leben von ihren absolut großartigen Hauptdarstellern. Kann nicht schaden, beide anzuschauen.)

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