Kultur, Live

For mucbook from Marble Man with love

Nora Niedermeier
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Auf die besten Dinge im Leben muss man eben immer ein bisschen warten. Und so steigerte das Milla die Spannung auf das anstehende Konzert von The Marble Man durch große Schlangenbildung vor der Tür. Doch als sich die Türen dann endlich öffneten, war es die Warterei wert: The Marble Man und Triska auf einer Bühne!

Triska führt den Abend mit sanften Klängen ein, die wie Schneeflocken durch die dunklen Gewölbe schweben und sich als sanfte Decke über den schnell voller werdenden Raum legen. Die Stimmung des Abends ist klar: Wer wildes Gezappel und sucht, ist hier fehl am Platz. Wer allerdings nachdenkliche Texte mit unsentimentaler, liebevoll zusammengestellter Musik als Samstagabendgestaltung zu schätzen weiß, holt sich ein Glas Rotwein an der Bar und entspannt sich auf einem der großen Ledersofas des Clubs.

Und kaum haben sich die letzten besagten musikalischen Schneeflocken gelegt, fliegen schon die nächsten Töne durch die Luft: Es sind die Gamblers at Place Pigalle die jetzt den Abend übernehmen. Und spätestens jetzt ist Schluss mit gediegenem Rotwein-Schlürfen, denn die fünf Jungs wissen, wie sie ihre Songs charmant präsentieren müssen, um auch aus sanfter Melancholie mitreissende Stimmung zu erzeugen.

Das Schöne an diesem Abend war der wunderbar charmante lokale Bezug der Band. Nach dem ersten Lied begrüßt der Sänger Josef Wirnshofer das Publikum höflich mit “Hallo München, wir sind Marble Man.”. Wer sich einen Platz in den ersten Reihen ergattert hatte, konnte jetzt ein fast schelmisches Aufblitzen in den Augen des Sängers, der nicht nur Gründer der Band, sondern auch Komponist und Texter aller Songs ist, sehen: “Aber wir sind ja hier in Bayern, also kann ich ja bayrisch reden: Servus Minga, mia san The Marble Man aus Traunstein!” Darauf erst einmal den Rotwein gegen ein Augustiner getauscht. Prost!

Das weitere Konzert scheint die Zuhörer zu einem Rundgang durch die Seele des jungen Songwriters einzuladen: mal sanft und nachdenklich, mal verträumt aber immer ehrlich, ungeschnörkelt und voller Gefühl präsentieren Marble Man ihr neues Album. Dass sie ihre Record Release Party ausgerechnet an diesem Abend schmeissen, ist wohl kaum ein Zufall: München ist die Wahlheimat der Band und die neue Platte Haidhausen ist – alle München-Kenner nicken wissend mit den Köpfen – nach einem Stadtteil der bayrischen Metropole benannt. Dieses Konzert ist also nicht zuletzt auch eine Liebeserklärung an München.

Doch das Highlight des Abends ist sicherlich der Moment der zweiten, vom Publikum hartnäckig und lautstark eingeforderten, Zugabe. Auf einmal sind die Scheinwerfer aus, die Technik hat Sendepause und der Sänger Josef Wirnshofer kommt von der Bühne direkt ins Publikum. Da steht er nun, ohne Verstärker und Mikro, und singt, als gäbe es nur ihn und seine Gitarre auf der Welt. Es ist ein magischer Augenblick, der es schafft, alle im Raum zum Schweigen zu bringen. Einer der Augenblicke, in denen man das Gefühl hat, mit dem Künstler allein zu sein, als würde er nur für einen selbst spielen, ein Augenblick, der einen erinnern lässt, was den Zauber eines Live-Konzerts ausmacht. Schnüff, jetzt bloß kein Tränchen verdrücken. Die Gänsehaut allerdings ist unvermeidbar. Und der Applaus fällt dementsprechend tobend aus.

Nach dem Konzert haben wir uns den Sänger Josef Wirnshofer für ein Interview gekrallt und er und die Band hatten noch ein besonderes Geschenk für uns: Ein Konzertplakat, signiert für mucbook. Wir sagen: Dankeschön!

mucbook: Wie hat dir euere Record-Release Party gefallen?
Josef: Total gut! Ich find´ das Milla wahnsinnig schön, es hat auf der Bühne total Spaß gemacht, der Sound war super und das Publikum war klasse. Das hat mich besonders gefreut, dass die Leute so euphorisch waren.

mucbook: “Haidhausen” ist das erste Album, dass du mit der Band komplett live eingespielt hast. Was hat dich daran gereizt? Wie glaubst du hat das die Platte verändert?
Josef: Nach den ersten beiden Platten, die ich allein aufgenommen habe, war mir klar, dass ich keine Lust habe, das noch ein drittes Mal so zu machen. Ich bin ja live mit Band schon seit Jahren unterwegs und ich fand das immer total spannend, wie die Jungs selber live die Stücke interpretieren und wollte, dass das auch mal auf Platte passiert. Das Ergebnis von solchen Aufnahmen klingt dann einfach organischer und dynamischer.

mucbook: Apropos Haidhausen – Ist der Name des Albums eine Art Hommage an das Stadtviertel Münchens oder hat das auch noch einen anderen Hintergrund?
Josef: Das ist sicherlich auch davon beeinflusst, dass ich da vier Jahre gewohnt habe. Der Name kam aber mehr aus einer albernen Laune heraus: Ich habe ein Instrumentalstück aufgenommen, das sehr sperrige, düstere Sounds hat und dachte mir dann: Wie nenn ich das jetzt? Ich fand das dann eine witzige Idee, so ein düsteres Stück nach einem total schönen Familienviertel zu benennen. Haidhausen ist ja mittlerweile blitzsauber und gentrifiziert und dazu im Gegensatz so ein schweres, düsteres Stück – das war für mich einfach ein lustiger Widerspruch. Außerdem hat die Platte teilweise auch recht Krautrockige Züge und “Haidhausen” klingt für mich irgendwie krautig, drum fand ich das ganz passend. (lacht)

mucbook: Wenn man euere CD im Internet kaufen möchte, werden einem Bands wie “Arcade Fire” oder “Villagers” vorgeschlagen. Fühlst du dich wohl in der “Indie-Ecke” oder wie würdest du gerne verstanden werden?
Josef: Hm, das ist schwierig zu sagen. Wenn die Platte im Laden unter Independent steht, ist das wahrscheinlich schon passender als unter “Pop” oder “Rock”. Unsere Platte ist da auch schwer reinzudrücken, daher ist das schon ok.

mucbook: Der Song “Serenade” von eurem neuen Album ist euer erster deutscher Song. Warum singst du auf englisch?
Josef: Das liegt wahrscheinlich daran, wie ich popsozialisiert bin. Die Beatles waren für mich eine wichtige musikalische Initialerfahrung, da schien mir das ein natürlicher Reflex auf englisch zu singen. Inzwischen hätte ich aber auch mal Lust, was auf deutsch aufzunehmen – vielleicht auf der nächsten Platte?

mucbook: Deine Lieder sind meist sehr ruhig und nachdenklich. Wenn eure Band eine Person wäre, wäre sie dann ein melancholischer Grübler?
Josef: Nein. Ich denke nicht, dass man von der Musik eines Künstlers direkt auf eine bestimmte Verfassung schließen kann, das stimmt in unserem Fall sicher nicht. Wenn Marble Man eine Person wäre… (denkt lange nach) … weiß ich nicht. Aber kein trauriger Grübler!

mucbook: Du bist ja ursprünglich aus Traunstein. Was hat dich dazu bewegt nach München zu ziehen?
Josef: Das Studium. Ich hab damals überlegt entweder nach München oder nach Berlin zu gehen. Ich wollte auf jeden Fall in eine Großstadt und da war München sowohl im wörtlichen als auch im übertragenen Sinne naheliegend. (grinst)

mucbook: Wie beurteilst du die Musikszene in München?
Josef: Die Musikszene in München ist sehr heterogen, das finde ich toll! Man nimmt ja vor allem Berlin und Hamburg als Musikstädte war, aber es gibt auch in München wahnsinnig viele und unterschiedliche Sachen. Ich mag zum Beispiel “Aloa Input” und “Angela Aux” total gerne. Oder auch “The Dope” und “Candelilla”. München ist viel vielfältiger und umtriebiger als man das von außen manchmal wahrnimmt!

mucbook: Wo gehst du dann in München am liebsten weg?
Josef: Ich gehe total gerne ins Rationaltheater. Fassbinder und Achternbusch, zwei Figuren, die mir total wichtig sind, haben hier schon inszeniert. Ich mag auch das Strom sehr gerne, da war ich erst letztens beim “Tricky”-Konzert. Früher bin ich auch total gerne zu Techno-Partys in die Registratur oder in das alte Harry Klein gegangen, die es ja leider beide inzwischen nicht mehr gibt. Genauso wie das Import Export. Das war mein Lieblings-Laden!

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