Kinogucken, Kultur

Heute bin ich medioker

Thomas Empl

„Jetzt fängt das Leben erst richtig an!“, schreit die 21-jährige Sophie zusammen mit ihrer besten Freundin in den Nachthimmel. Ein Neujahrswunsch, der im Nachhinein fast ein bisschen zynisch erscheint. Denn Sophie hat, wie sie wenig später erfährt, Krebs. Wie man mit so einer Diagnose umgehen kann, hat die echte Sophie, die Autorin Sophie van der Stap, in ihrem Bestseller „Heute bin ich blond“ beschrieben: Nachdem ihr die Krankheit ihre Haare nahm, wurde sie zum „Mädchen mit den neun Perücken“, wobei sie sich für jede Perücke auch eine andere Persönlichkeit ausdachte. Die brünette “Lydia” ist selbstbewusst und sexy, “Stella” das nette Mädchen von nebenan, und so weiter. So will sie trotz allem ihr Leben weiter genießen, feiern, flirten, lachen.

Sophie und Perücken

Marc Rothemund, der das ähnlich schizophrene Kunststück vollbracht hat, dass sich sowohl „Sophie Scholl – Die letzten Tage“ als auch „Harte Jungs“ in seinem Œuvre befinden, hat die Autobiographie nun verfilmt. Und auch wenn der Optimismus und die gute Laune, mit der seine Sophie dem Tod ins Gesicht lacht, in den besten Momenten des Films ansteckend sind – so krankt Heute bin ich blond doch an reichlich Klischeehaftigkeit.

Was schade ist. Denn er macht auch viel richtig. Die Rollen sind bis zum letzten Krankenpfleger mit teils richtig guten, unverbrauchten deutschen Schauspielern besetzt – so wie die Protagonistin selbst von der noch unbekannten Lisa Tomeschewski stark gespielt wird. Tomaschewski ist eine sogenannte MTA („Model turned Actress“ – danke an die Süddeutsche vom Wochenende). Selbstbewusst und sympathisch meistert sie ihre schwierige erste Hauptrolle mit Bravour – muss aber eben auch gegen einige Inszenierungsschwächen anspielen.

Neun Persönlichkeiten sollen die Perücken ja zum Beispiel symbolisieren. Im Film bleibt aber so wenig Zeit für die einzelnen Sophies, dass höchstens drei davon in Erinnerung bleiben und man sich manchmal nicht ganz sicher ist, ob das jetzt gerade „Pam“ oder „Blondie“ sein soll. Dass dieses wichtige Element zu kurz kommt, ist problematisch. Schließlich ist das Spiel mit den Persönlichkeiten ja gerade der Catch, der den Film von den zahlreichen anderen Krebsdramen abheben soll. Stattdessen verbringt er viel zu viel Zeit damit, dem Zuschauer seine Botschaften, die man eigentlich auch so hätte mitnehmen können, einzuprügeln.
Da springt Sophie dann in Zeitlupe und natürlich zu Klaviermusik durch den Park und erzählt per Voice-Over: „Lebe den Augenblick!“. Oder aber ihr Absturz wird so überspitzt, dass sie beim Feiern tatsächlich einen Typen ankotzt. Im wahrsten Sinne des Wortes. Subtil ist das nicht.

Beide, das melodramatische Krebsdrama und die Tragikomödie übers Erwachsenwerden, hat man in fast der gleichen Form einfach schon zu oft gesehen. So nimmt all das Klischee der im Grunde bewegenden Geschichte ein wenig den Wind aus den Segeln. Der Film hat seine schönen Momente, die das Leben und die Hoffnung feiern. Als Gesamtwerk ist Heute bin ich blond aber leider eher kein Film, der auch morgen noch bleibt.

Sophie-und-Rob

(Heute bin ich blond gibt’s ab morgen, dem 28.03., im Kino zu sehen)

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