Kultur, Nach(t)kritik

“Isch mag Muschis”

Josephine Musil-Gutsch
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„Hi, I am Soko.“ Ein wenig schüchtern stellt sich das kleine Mädchen mit der Stupsnase und dem sehr langen, dunklen Wallehaar vergangenen Sonntag bei ihrem Konzert im Ampere vor. Wie der erste Eindruck doch täuschen kann.

Die in sämtlichen Feuilletons gefeierte Songwriterin bittet das Publikum, nett zu dem Überraschungsgast zu sein, es sei ihr Bruder. Daraufhin summt sie leise zu seinem Gitarrenmusik-Gemurmel ins Mikrophon. Mit dem zu großen Holzfällerhemd, der quer gestreiften Baumwollhose und den depressiven Songs liegt ihre Erscheinung zwischen verniedlichtem Grunge und betrübtem Hippie. Die gebürtige Pariserin, die derzeit in Los Angeles lebt, singt heiser und kehlig zu anmutig gezupften Gitarrenklängen. Zeitweise flüstert sie und wenn ihre Stimme bei den hohen Tönen bricht, klingt das nach viel Herzschmerz.

Sie gibt sich Mühe mit ihren Fans. Zwischen den Liedern fragt Soko immer wieder, ob ein weiteres depressives Lied okay sei. Für die, die wegen ihrer älteren, naiv-fröhlichen Lieder gekommen sind, die von Erdnussbutter und Verliebtsein handeln, ist es eigentlich nicht okay. Aber jemandem, der das ganze Publikum in sein Wohnzimmer einlädt, kann man eigentlich nicht böse sein. Soko animiert ihre Gäste zum Song ihres neuen Albums „I thought I was an alien“ so wie Außerirdische zu tanzen und erklärt, die Hälfte des Publikums für liebe Zombies. Dann lacht sie genau so wie sie singt: heiser, charmant, authentisch.

Soko ist nicht das zarte Mädchen, das wohl viele im Publikum erwartet haben. Lieber sitzt sie am Schlagzeug und haut lachend die Basedrum kaputt. Während traurige kalifornische Strandmusik aus dem Keyboard dudelt, flirtet Soko mit den Mädchen im Publikum und holt sie auf die Bühne. Schüchtern ist sie nicht mehr als sie die beiden auffordert, eine lesbische Orgie zu feiern und gleich noch mit auf den Weg gibt, wie man seinen Eltern erklärt, dass man lesbisch ist. „Ich mag Muschis“, ruft sie laut, den einzigen Satz, den sie auf Deutsch sagen kann. Dann singt sie wieder zuckersüß – als der Song aus ist rülpst sie. Hilft ja auch gegen die Zombies im Publikum. Soko besitzt mädchenhaften Charme und authentischen Witz, nur klingt ihre Musik, als sei sie in Kalifornien ein wenig traurig geworden.

Hier ein Video-Mitschnitt aus München

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Und das war sie in Berlin

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