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“Jeder Arztbesuch birgt für Illegale ein Riskio”

Hannes Kerber
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Am Freitag wird im Ampere karitativ gefeiert. Der Eintritt wird an „open.med“ gespendet, ein Projekt, das „Illegalen“ in München durch kostenlose medizinische Grundversorgung hilft. Projektkoordinatorin Marion Chenevas, 27, erklärt, um was es dabei genau geht.

openmed

In München gibt es wohl etwa 30.000 „Illegale“ – also Menschen ohne Aufenthaltserlaubnis. Aus medizinischer Sicht gesehen: Was sind ihre größten Probleme?

Diese Menschen haben nur im Notfall auf medizinische Hilfe Anspruch. Wenn sie sich also den Arm brechen, können sie schon in die Notaufnahme gehen und werden auch behandelt. Die Kosten können, wenn sie kein Geld haben, dann auch durch das Sozialamt getragen werden. In allen anderen Fällen ist es aber sehr problematisch: Wenn es kein Notfall ist, müssen die Daten an die Ausländerbehörde weitergegeben werden. Jeder Arztbesuch, der kein Notfall ist, birgt also für Menschen ohne Aufenthaltserlaubnis das Risiko der Abschiebung. Aus Angst gehen also die meisten nicht zum Arzt.

Aus diesem Grund habt Ihr von Ärzte der Welt in München das Projekt „open.med“ gegründet?

Genau! Die Idee war eine medizinische Grundversorgung für diese Menschen anzubieten. Neben dem Zugang zur Allgemeinmedizin haben wir aber aber auch ein Netzwerk von Fachärzten aufgebaut. Gleichzeitig wollten wir unseren Patienten Beratung zukommen lassen, die über das Medizinische hinausgeht, um die Leute in die Gesellschaft zu integrieren.

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Marion, 27, Projektkoordinatorin von “open.med” bei Ärzte der Welt

Was würde passieren, wenn ein „Illegaler“, der Zahnschmerzen hat und zu Euch kommt. Wie würde er behandelt?

Zusammen mit einer zweiten Organisation bieten wir zwei Mal pro Woche offene Sprechstunden an: dienstags von 17 bis 20 Uhr und freitags von 10 bis 23 Uhr im „café 104“ in der Görresstraße 43. Drei Stunden lang kann jeder ohne Anmeldung kommen. Zuerst wird der Patient aufgenommen – dabei wollen wir feststellen, wo die Probleme liegen: Warum kann die Person nicht zum Arzt gehen? Nach dieser Sozialanamnese kann der Patient dann einen Arzt sehen. Bei Zahnschmerzen müssten wir den Patienten aber weiterschicken.

Bezahlt ihr die Ärzte?

Wir arbeiten mit 15 Ärzten zusammen, die alle ehrenamtlich arbeiten. Im Fall von Zahnschmerzen könnten wir den Patienten an einen von fünf Ärzten in München weiterschicken, die mit uns zusammenarbeiten und dann kostenlos behandeln. Wenn man aber eine Krone machen müsste, würden wir das schon irgendwie finanzieren müssen. Die Materialkosten können die Ärzte selbstverständlich bei uns abrechnen.

Wie viele Leute kommen jede Woche zu den Sprechstunden?

Das ist sehr unterschiedlich. Jeweils kommen wohl so zwischen 10 und 20 Patienten. Der häufigste Grund ist Schwangerschaft, weil man das nicht verschieben kann: Auch wer Angst hat, muss dann zum Arzt. Außerdem gibt es viele Zahnprobleme. Der dritthäufigste Grund dürften orthopädische Probleme darstellen. Das liegt wohl an den Arbeitsbedingungen. Dann gibt es viele, die wegen psychologischer Probleme zu uns kommen.

Kommen vor allem „Illegale“?

Es ist eine bunte Mischung – es kommen auch viele Menschen, die in München legal leben, aber keine Versicherung haben und deswegen von anderen Ärzten oder Krankenhäusern abgewiesen wurden. Meist sind das Selbstständige, die Schulden bei der Versicherung haben, weil sie ihre Beiträge nicht mehr zahlen können. 10 bis 15 Prozent unserer Patienten sind Deutsche. Etwa 20 Prozent der Patienten haben gar keine Papiere. Dann gibt es noch EU-Bürger und Asylbewerber.

Die „Soulmates“ und DJ Scarlett treten am Freitag, den 15. Januar, im Ampere (Zellstraße 4, neben der Muffathalle) auf. Der Einlass öffnet um 19.30 Uhr. Das Grußwort spricht Margarete Bause, Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bayerischen Landtag. Der Eintritt ist „eine nach oben offene Spende von 10 Euro“ – zugunsten des Projekts „open.med“ der Ärzte der Welt.

(Fotos: Ärzte der Welt)

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