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Das war´s dann mit Spesen, mit ewiger Jugend, mit Sinn. Die innere Leere ist dem Filmbild ebenso wie Romy, Magsta Gustav und Karlheinz anzusehen, als sie sich in der bayerischen Bergidylle enttäuscht auf die Felsen plumpsen lassen. Kein Jungbrunnen, keine Chance auf Bezahlung durch ihre Auftraggeber und nicht endende Schönheit.
Doch dann erscheint eine Hexe, lädt sich selbst auf einen Schnaps ein und offenbart ihnen – während die drei ganz geizig ihren Spiritus wegschnapseln – einer von ihnen sei auserwählt, die Reinkarnation der Kaiserin Sissi zu sein. Eine Ehre, derer man sich beweisen müsse, sonst könne es im schlimmsten Fall tödlich enden. So beginnt eine Reise auf den Spuren der Kaiserin durch die durchkapitalisierte Sissi-Tourismusindustrie.

Es ist diese Idylle, diese heile K&K vernarrte Welt, die die Regisseurin und Drehbuchautorin des Films, Jovana Reisinger, ad absurdum führt. Mit “Unterwegs im Namen der Kaiserin” hat sie den Heimatfilm gedreht, den sie schon seit langem plant. Sie stellt so ihren ersten Langspielfilm in Verbindung mit ihrem literarischen Werk, das Heimatthemen mit feministischen Ansätzen verhandelt und umgekehrt.
Der Film feiert nun am 29. Juni auf dem Filmfest München Weltpremiere, in der Heimatstadt der Autorin und Filmemacherin. Nicht einmal die Crew selbst kennt das Ergebnis ihrer Arbeit. Doch einen Vorgeschmack gab es bereits 2022, als Reisinger eine Kurzfilmversion, einen “Prequel”, veröffentlichte, der ihr den Weg zu einem 90-Minüter ebnen sollte. “Ich glaube, wir hatten eigentlich gar kein Budget und haben es super schnell und irgendwie so, wie man es als Studentin eigentlich immer macht, mit so einer punkigen Attitüde einfach heruntergedreht.” Der Kurzfilm hatte Erfolg, lief auf verschiedenen Festivals, ging in den Verleih. Die Branche wollte mehr sehen.
Ein Anti-Heimatfilm als Racheakt
Jovana Reisinger hat sich bereits als Autorin und bildende Künstlerin einen Namen gemacht. Dabei widmet sie sich immer wieder feministischen Themen, wie dem Überleben im Patriarchat in ihrem Buch “Spitzenreiterinnen” oder der Frau, die jede Form der “Pleasure” schamlos anstrebt, wie ihre neueste essayistische Veröffentlichung heißt. So inszeniert sich auch die Künstlerin, der in den Medien die angeblich paradoxe Heirat von Trash-Glamour und Intellektualität bewundernd nachgesagt wird, nachdem sie doch selbst aus viel weniger glamourösen Verhältnissen kommt.
Diese Auseinandersetzung mit Konsum, mit dem ewigen Streben nach Mehr, ist der Künstlerin auch in ihren bisherigen Kurzfilmen wichtig, die Werbung, die Schönheitsindustrie und Entertainment verhandeln. Ihre Studien an der Hochschule für Fernsehen und Film in München beendet sie nun mit einem Abschlussfilm, der diese Tendenzen weiterführt. “Mein größter Antrieb ist immer, aus einer Wut, aus einem Trotz und aus einem Rachegefühl herauszuarbeiten. Also Rache an der Sozialisierung, an der Herkunft, an der Ungerechtigkeit und so weiter. Je erfolgreicher ich werde, umso größer finde ich ist dann der Racheakt”, sagt Reisinger.
“Unterwegs im Namen der Kaiserin” ist für die Filmemacherin ein “Antiheimatfilm”, in dem sie den Sissi-Stoff, der gerade bei so vielen Produktionen eine Rolle spielt, mit “so einer spielerischen Boshaftigkeit” behandelt. “Ich komme ja immer von der Groteske, von der Satire, von so einer Gemeinheit”, sagt die Autorin und schmunzelt.
So aufgeregt diese Bezeichnungen klingen, so statisch ist die Bildsprache des Films. Große Abstände zwischen den Figuren, die auf der Suche nach Sinn in eine endlose Langeweile geraten sind, bieten viel Raum für die Absurdität der Erzählung. Während die Protagonist:innen warten und sich die Zeit mit Beauty und schönem Essen vertreiben, wird ihre Garderobe immer extravaganter, man möchte sagen, kaiserin-licher. In dem Fokus auf Mode, dem zartrosa Plastikwerbungs-Look, bricht Reisingers Handschrift durch. Kontrastiert wird die Leere auch von den Dialogen, die in geradezu überintellektueller Weise Diskurse über Kapitalismus, Schönheitswahn oder Beziehungen reproduzieren, ohne sich der Plattitüden und Postkartensprüche entledigen zu können.
In ihrem Film bringt die Drehbuchautorin und Regisseurin eine große Bandbreite an Themen unter, die man unter dem Label Feminismus subsumieren könnte. Für Reisinger ist Feminismus der Versuch nach Gerechtigkeit und Gleichheit im Allgemeinen, eine “Einladung, seine eigene Perspektive in Frage zu stellen oder zu erweitern”. Dabei geht es nicht unbedingt darum, was verhandelt wird, sondern um “eine bestimmte Form von Beiläufigkeit in Besetzungsfragen, Themenwahl und Sujet und dann aber auch in Styling und in der Handschrift oder in der Erzählweise”. Was für Reisinger einen feministischen Film ausmacht, zeigt sich auch in der Figurenzeichnung und in der Inszenierung ihres Debüts. Diese Beiläufigkeit solle sich Reisingers Meinung nach mehr in der Branche zeigen.
“Manchmal bin ich nominiert in einer Sektion wie ‘Bestes feministisches Werk’ oder in einem extra Wettbewerb für weibliche Regisseurinnen. Und ich frage mich die ganze Zeit: Warum darf ich nicht in den Wettbewerb mit den Männern? Warum muss es diese Grenzen geben, wenn wir sie gleichzeitig auch die ganze Zeit durchbrechen wollen?” Sie wünscht sich den Schritt zur Normalisierung, dabei sieht sie Rückschritte in einer zunehmend konservativen Gesellschaft. “Der Kapitalismus versucht, die Kunst wieder konservativer zu machen und auch dagegen müssen wir uns auflehnen.”
Eine neue Generation weiblicher Regisseurinnen unterwandert den Mainstream
Das künstlerische Leitungsduo des Filmfestes München, Julia Weigel und Christoph Gröner, hingegen freut sich über eine starke weibliche Beteiligung am Festival: “Wir starten die Reihe Neues Deutsches Kino gleich mit fünf großartigen Regisseurinnen. Ihre Filme könnten kaum unterschiedlicher sein, aber eines haben sie gemein: Sie porträtieren unsere Gesellschaft aufs präziseste, testen Grenzen aus, finden neue Perspektiven selbst auf bekannte Themen”, heißt es aus der Festivalleitung.
Neben “Unterwegs im Namen der Kaiserin” sind die Filme “Karla”, “Sechswochenamt”, “Holy Meat”, “Danke für nichts” und “Mädchen Mädchen” für diejenigen interessant, die eine neue Generation als eindrucksvollen Regisseurinnen kennenlernen wollen.
In dem Filmtalk “Her Take” am 2. Juli spricht Reisinger zusammen mit Christina Tournatzés, Stella Marie Markert und Jacqueline Jansen über die Notwendigkeit, Geschichten über Flinta-Personen zu erzählen, denen in der Filmbranche immer noch nicht genug Platz geboten wird.
Davon spürt Reisinger, die sich selbst das Label einer queerfeministischen Regisseurin verpasst hat, noch nichts: “Ich glaube, ich konnte mir gar keinen schöneren Eintritt in die Langfilmbranche vorstellen. Mir wird gerade mit sehr viel Wohlwollen und Aufregung begegnet.” Nach der Weltpremiere am Sonntag läuft ihr Film noch zwei weitere Male auf dem Festival, ansonsten ist eine große Kinotour geplant und eine Ausstrahlung im ZDF. Damit scheint die Filmemacherin ihrem Ziel nahe, ein großes Publikum zu unterhalten und mit ihren Themen “den Mainstream zu unterwandern”. Das Paradox zwischen Konsumkritik und Unterhaltungswille, zwischen innerer Leere und äußerem Prunk, zwischen Beiläufigkeit und Absurdität, löst Reisinger nicht auf. Sie lebt es.
Noch ein Hinweis für Theaterfreunde: Das Buch “Spitzenreiterinnen” wurde von Yana Eva Thönnes 2023 als Theaterstück adaptiert und wird am 29. Juni und 2. Juli wieder im Residenztheater zu sehen sein Die SZ fasste das Thema des Stückes recht treffend so zusammen: “eine Videospiel-Simulation über den Stress, als Frau glücklich zu sein”.

Wer jetzt noch lange nicht genug hat, von den Sätzen einer Jovana Reisinger kann hier das inzwischen legendäre Interview avon 2014 auf MUCBOOK nachlesen. Unter dem Titel “Von Plastikpferden und Pornoheften” hat Theresa-Maria Werner ihr Gespräch mit der Kreativmaschine aufgeschrieben.
Hier kannst du den ganzen Text lesen: “Von Plastikpferden und Pornoheften”
