Kultur

Koks und Kunstschnee

Regina Karl
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Katharina Herold versuchte mit “Zwei polnisch sprechende Rumänen” einen Road-Trip der besonderen Art – bei der Premiere am Samstagabend in den Kammerspielen nicht immer mit Erfolg.

rumänen

Überdimensionierte Wunderbäume hängen von der Decke. Ganz so wie in der Frontscheibe einer dieser vielen Fiat Pandas, die voll gestopft bis obenhin mit durchschnittlich 80 km/h auf der Autobahn unterwegs sind. Road Trip nach irgendwo. Ähnlich lässt sich wohl die ungewollt gewollte Reise der beiden polnisch sprechenden Rumänen beschreiben, die am vergangenen Samstag an den Kammerspielen Premiere hatte.

Der Startpunkt des Trips quer durchs polnische Grenzgebiet ist simpel: Nach einer etwas zu langen Line Koks auf einer Kostümparty finden sich zwei Polen auf einer Tankstelle wieder und wissen nicht so recht wer, wo und warum sie dort sind. Dschina, eine fiepende Jungmutter, die einem fast leid tut, wie sie da eingezwängt in ihr rotes Minikleid steht und sich zu erinnern versucht, ob sie denn ihr Kind wirklich in den Kindergarten gegeben hätte und Parcha, eigentlich Fernsehpriester, der dringend zurück ans Set muss.

Ihre Notlage macht die Gelegenheitsbekanntschaft zur Zweckgemeinschaft. Parcha schwärzt sich die Zähne, Dschina spielt, was sie eh schon ist, ein dümmlich schwangeres Mädchen. Bepackt mit einem Satz Plastiktüten geben sie vor, zwei polnisch sprechende Rumänen auf der Durchreise zu sein. Immer noch high, versteht sich. Auto um Auto wird angehalten. Bis sie am Ende bei einer alternden, von Leben und Ehemann völlig frustrierten und volltrunkenen Warschauer Lady einstiegen, die ihren Wagen frontal in einen Eber rammt. Mitten in der polnischen Pampa finden Dschina und Parcha – mittlerweile wieder runtergekommen vom Trip, deshalb aber nicht weniger orientierungslos – bei einem knorrigen Waldschrat Unterschlupf. In ihrer zweiten Nacht zusammen spricht Parcha dann Klartext: Dschina sei im Prinzip nicht mehr als eine kleine einsame Nutte, die sich allen beliebigen Männern an den Hals schmeißt, nur um ein wenig Liebe zu erfahren. Dschina verstummt, geht ins Bad und erhängt sich.

Etwas unvermittelt, aber dennoch nicht plump ist dieses Ende von „Zwei polnisch sprechende Rumänen“, dramatisches Erstlingswerk der 24-jährigen polnischen Erfolgsautorin Dorota Maslowska. Dem Stück haftet ein ganz eigener, bitterer Nachgeschmack an: Nicht einfach nur die Highs and Lows einer Drogeneskapade werden hier verhandelt. Dieser Road Trip ist substantieller, wenn er die Umwege, Sackgassen und Auswege aus der Frustration über das eigene Selbst mit einer Vehmenz beschreibt, die teilweise beängstigend ist. Porno und Drogengier im alten, neuen Osteuropa.

Schade nur, dass die Bilder, die Katharina Herold in der Abschlussinszenierung ihres Regie-Studiums an der Otto-Falckenberg-Schule für dieses Stück gefunden hat, nicht recht passen wollen. Zu durchtränkt von Klischees wirkt der Abend, wenn Dschina als quäkendes Flittchen vorgeführt wird und Parcha der ewige Grantelhuber und Frauenhasser bleibt. Die Polen-Revue mag nicht ganz aufgehen, wenn Dschina immer wieder aufs Klavier hüpft, versucht, ein paar Liedzeilen zu trällern, während Parcha dazu in die Tasten haut. Zwei Figuren, deren Charaktere durch Text- und Erzähllast zu wenig geschärft werden und die letztlich leider eine Prise zu sehr vorgeführt werden. Da reicht die weiße Linie Koks-Kunstschnee auf der Bühnemitte auch nicht mehr als Entschuldigung.

Foto: Esther Judith-Hinz

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