tagebook des Münchner Forums

Mit dem rechten Winkel schafft der Mensch seine eigene Ordnung

le cobusier  430

Der schweizerisch-französische Architekt Le Corbusier ist mit einem berühmt-berüchtigten Vorschlag in die Geschichtsbücher eingegangen: große Teile von Paris abzureißen und durch eine monotone Ansammlung kreuzförmiger Wohnhochhäuser in rechtwinkligem Raster zu ersetzen. Bis Anfang September zeigt das Architekturmuseum der TU München in der Pinakothek der Moderne Le Corbusiers Gedankenwelt anhand eines „Gedichts über den rechten Winkel“ im Rahmen einer Ausstellung über das politische und soziale Engagement in der Architektur.

Kategorisch
rechter Winkel des Charakters
des Geists des Herzens.
Ich habe mich betrachtet in diesem Charakter
und mich darin gefunden
bei mir gefunden
gefunden
Blick waagerecht geradeaus …

So schrieb der 1887 in der Schweiz als CharlesÉdouard Jeanneret-Gris geborene Architekt und Künstler, der sich seit Anfang der 1920er Jahre in Paris Le Corbusier nannte, 1955 in einem umfänglichen, mit Lithografien auf 155 großformatigen Seiten in kleiner Auflage gedruckten Gedicht. Es wird jetzt in Deutschland erstmals komplett gezeigt – nach den Worten des Museums-Leiters Prof. Wilfried Nerdinger „eine einzige komplexe Struktur- und Gedankenwelt“ Le Corbusiers mit „unendlich vielen Motiven, die auch in seiner Architektur vorhanden sind.“

Auch wenn Le Corbusier den menschlichen Körper zum Maßstab aller Dinge erklärte und dies in den Illustrationen zu seinem Gedicht zeigte, schrieb er doch über seine Architektur:

Mathematik!
So war es: Das glückliche
vielleicht gar wunderbare Auffinden einer
Zahl unter Zahlen hat
dieses Menschen-Werkzeug hervorgebracht.

Die Bauten des nach Ansicht des Architekturmuseums „größten Architekten des 20. Jahrhunderts“ waren nach Le Corbusiers eigener Aussage auf „Poesie“ gegründet und erst durch seine freie künstlerische Arbeit möglich. Seinen Vorstellungen entsprechend präsentiert die Ausstellung seine Farblithographien in der Form eines religiös anmutenden mehrgliedrigen Kreuzes, dass Le Corbusier als Ikonostase bezeichnete. Jede Reihe ist einem Thema gewidmet:Thema gewidmet: von der Umwelt über die geistigen und körperlichen Elemente bis zum rechten Winkel, mit dem der Mensch nach Le Corbusiers Überzeugung seine eigene Ordnung schafft.

Gleichzeitig mit dieser Präsentation zeigt das Architekturmuseum Beispiele des politischen und so-zialen Engagements in der Architektur vom frühen 19. Jahrhundert bis zur Gegenwart. Es erinnert beispielsweise an Bernhard Christoph Faust, in dessen 1824 geplanter Sonnenstadt bereits hundert Jahre vor den ersten Zeilenbauten des frühen 20. Jahrhunderts alle Bauten nach Süden hätten ausgerichtet werden sollen, an pathetische Entwürfe aus dem frühen 20. Jahrhundert, die es unter einem „International World Centre“ (Hendrik Christian Andersen 1912) oder einem „Pantheon der Menschheit“ (Hendrik Petrus Berlage 1915) nicht abgehen lassen wollten, und zieht von dort den Bogen beispielsweise zur Gartenstadt Hellerau und zu den binnen eines Jahrzehnts (von 1925 bis 1934) geschaffenen 60.000 Sozialwohnungen Wiens. „L’ architecture engagée – Manifeste zur Veränderung der Gesellschaft“ ist ebenfalls noch bis zum 2. September in der Pinakothek der Moderne zu sehen.

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