Kultur

Ludwig Thoma: “Die Münchnerinnen”

Piritta Kleiner
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München in Büchern und  Münchner Autoren: Die Autorin erliest sich München. Aus alten und neuen, guten und schlechten, dicken und dünnen Büchern. München literarisch – das MucBuch.

 Ludwig Thoma: “Die Münchnerinnen”

Diesen Sommer horchten liierte Münchner Männer misstrauisch auf: Laut einer Umfrage leben in der bayerischen Landeshauptstadt die untreuesten Frauen. Oh weh, dachte sich wohl da der eine oder andere Münchner.

Den Katerjammer hätten sich die gemütlichen Herren sparen können, die es jetzt für geboten hielten, die Handtaschen ihrer Freundinnen zu durchkramen, und – es bleibt einem aber auch nichts erspart – sich durch die alle Zeichen auskostenden SMS ihrer Frauen zu kämpfen, wenn, ja wenn sie vorher Ludwig Thoma gelesen hätten. Denn nach der Lektüre der „Münchnerinnen“ hätten sie gewusst: So manch schöne Oberbayerin sucht sich hin und wieder ein G’schpusi.

Die adrette Paula, Frau des Spezereiwarenhändlers Benno Globerger, wird erst durch ihre Freundin Resi auf den Geschmack gebracht. Lange grämt sich die Unglückliche, gefangen in ihrem Leben mit einem Mann, der seine Zeit lieber in Wirtshäusern verbringt, als sich mit ihr zu beschäftigen: „Nur ganz allmählich setzte sich in ihr eine leise Missachtung gegen den Mann fest, der immer von Grundsätzen und vom Ernst des Lebens sprach, wenn er seinen nichtssagenden Freuden nachging und sie vernachlässigte.“ Während sich ihre Freundin Resi mit „Ottibubi“ vergnügt, findet Paula ihr Glück bei dem feschen Studenten Franz. Die einfach Bürgersfrau verwandelt sich, beflügelt durch ihren gebildeten Student aus besserem Hause. Sie kleidet sich anders, verwendet „lauter Ausdrücke, die man im Hause noch nicht gehört hatte“, stört sich an Bennos schlechten Tischmanieren und gibt auf einmal so scharfe Antworten, wie man sie von dem eigentlich ruhigen, gutmütigen Frauenzimmer nicht kennt. Doch Paulas ungewöhnliches Verhalten bemerkt leider nur Bennos Mutter: „Dem Benno natürlich fiel nichts auf, der wollte nur seine Ruhe haben.“

 

Ludwig Thoma, Bild von Karl Klimsch (1909)

Ludwig Thoma, Bild von Karl Klimsch (1909)

 

 

Benno dagegen stürzt sich in waghalsige Spekulationsgeschäfte, will ans große Geld. Und neben den schönen Münchnerinnen greift Thoma auch hier ein ewiges Münchner Thema auf: die Klage über die Verschandelung des schönen Isar-Athens durch geldgierige Spekulanten. So spricht wohl Thoma durch den alten Major Prechtl, wenn er – heute so aktuell wie damals – schreibt: „Universität, Bibliothek, für Kunstsammlungen die Glyptothek, die Pinakotheken, net wahr, die haben unserm München den bestimmten Charakter geben sollen: Kunststadt (…) Das alles hat größere Zwecke verfolgt, is ins Große gangen. Was baut ma denn jetzt? Kaffeetempel, Bierpaläste (…) als dass des ganze Jahr ein Freß- und Saufkarneval is?“

Doch Ludwig Thoma würde sich bestimmt freuen, wenn er wüsste, dass sein Isar-Athen heute mehr Isarmetropole als griechische Hauptstadt ist. Denn während man das heutige Athen wohl ohne schlechtes Gewissen als „Hinterhof der Großstädte“ bezeichnen kann, hat sich München, trotz einiger architektonischer Sünden, noch viel Charme bewahrt.

Ludwig Thoma war kein Münchner Kindl, aber zeitlebens mit der Stadt verbunden. In München hörte er Vorlesungen über Schiller, dort heiratete er die Tänzerin Maria Trinidad de la Rosa und bezog mit ihr eine gemeinsame Wohnung. Und in Stadelheim saß er wegen Beleidigung von Vertretern der Sittlichkeitsvereine. Das wilde Treiben der Stadt, die Cafés und Bierhäuser, das alles zog ihn an aber stieß ihn wohl auch ab, denn 1908 zog er sich in die Natur an den Tegernsee zurück.

Ob Benno sich an der Stadt „vergeht“, und sich den Verlockungen des Geldes beugt, erfahren wir nicht, der Roman blieb Fragment. Paulas Glück ist jedenfalls nur von kurzer Dauer. Der Student lässt sie sitzen. Und die Resi lässt Thoma am Ende resigniert sagen: „Die meisten Ehen taug´n nix, und die Verhältniss’ erst recht net.“ Vielleicht ein Trost für die gemütlichen Münchner Männer: man kann alles aussitzen, also ruhig Blut.

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