Kultur, Nach(t)kritik

Mit dem Schnellzug durchs Wohnzimmer

Letzte Artikel von Annina Blum (Alle anzeigen)

dgi

Vorband: perfekt, Ambiente: perfekt, Sound und Licht: perfekt, Mainact: der Wahnsinn! Was ergibt das? Einen unvergesslichen Abend mit dem gezeichneten Ich.

Eigentlich besteht die Band Mobilée ja aus sechs Musikern, doch aus Platzmangel auf der kleinen Ampere-Bühne, muss improvisiert werden. Da wird mal schnell auf die Hälfte der Bandmitglieder reduziert und mit Harmonika, Drumkoffer und Tamburin bewaffnet trotzdem gerockt.

Die sympathischen Duisburger um Frontfrau Caroline Wolter liefern einen Mix aus Folk und Pop und zaubern ein Lächeln auf die Gesichter der Konzertbesucher. Es ist eine der Supportbands, die man sich gern anhört und nicht auf die Uhr schaut, wann denn endlich der Künstler auf die Bühne tritt, für den man gekommen ist. Ein Tipp also für alle diejenigen die offen für junge, talentierte Bands aus Deutschland sind, sollten sich Mobilée anschauen, noch zu sehen auf der kompletten Tour des gezeichneten Ich.

Nach der Enthüllung von futuristisch verkleidetem E-Piano und Drumset, nehmen, als Kontrastprogramm, Cellistin und Violinistin Platz, was die Neugierde auf das kommende Konzert noch mehr kitzelt.

Licht aus, Spot an, los geht’s!

Ein gut gelauntes ICH begrüßt seine Zuschauer mit unbekannten Tönen. „Fast da“ ist ein Song, der auf ein neues, kraftvolles Studioalbum hoffen lässt. Das gezeichnete Ich soll nicht nur ein Projekt bleiben, sondern Geschichte schreiben. Und diese Geschichte erzählt vom Leben, vom Leben des ICHS, gezeichnet durch Erlebnisse und Erfahrungen, die der Alltag mit sich bringt. Wie sehr die deutschen Texte und empathischen Melodien jeden Zuhörer fesseln, beweist der Singer-Songwriter aus Brandenburg in einer Art und Weise, die die Zeit vergessen lässt. Mit charismatischem Auftreten, unterstrichen von einer gemütlichen „Wohnzimmer-Atmosphäre“ spielt sich Das gezeichnete Ich in die Herzen von jung und alt.
„Wir befinden uns in einem Schnellzug, der immer weiter fährt, weiter in die Ewigkeit. Und diese Reise geht nie vorbei“, so erklärt der Künstler den Weg durch seine Melodien, die er nur zu gerne mit anderen Menschen teilt. „Jeder von euch, die ihr heute gekommen seid, ist wichtig. Wichtig für mich, sonst könnte ich nicht hier stehen und das tun, was ich am Liebsten tue: Musik“.

Ein perfekter Mix von sehr tiefgründigen und nachdenklichen Songs („Vergangenheit“, „Nebel“), bis hin zu tanzbaren Nummern wie „Halleluja“ oder „High“ garantiert ein abwechslungsreiches Konzert, das viel zu schnell vorbeizugehen scheint. Auch wenn es ein kleiner Chor ist, versteht es das Publikum mitzusingen und viel Spaß zu haben. „Ihr wisst ja, wir sind in unserem kleinen Wohnzimmer. Stellt euch einfach vor, ihr seid nackt und singt ganz laut mit“, weist der Dirigent seinen Chor an. Dieses Wechselbad der Gefühle macht den Abend unvergesslich schön.

Zudem verschafft der geheimnisvolle Künstler zumindest einen kleinen Einblick in sein Innerstes, indem der zu jedem seiner Songs eine kleine Geschichte zur Entstehung erzählt, die von Liebeskummer bis zu unendlichen Glücksgefühlen reichen. Mit solch einem Glücksgefühl lässt Das gezeichnete Ich sein Publikum stehen. Vorerst. „Ihr habt sicher gemerkt, dass ein Song noch fehlt“, grinst er.

Gemeint ist die Single-Auskopplung „Du, es und ich“, womit er bereits bei Stefan Raabs Bundesvision Songcontest, den fünften Rang erobern konnte. Doch es soll noch nicht Schluss sein. Das gezeichnete Ich verabschiedet sich mit einem ebenfalls neuen Song von seiner Wohnzimmer-Session im Ampere. „Hand in Hand“ bildet ein schönes Ende eines sehr gelungenen Abends.

Viel zu lange hat man auf einen derartigen deutschen Künstler warten müssen. Man kann nur hoffen, dass es noch Einiges mehr vom gezeichneten Ich geben wird.

dgi1

Setlist:
Fast Da
Innen
Unsichtbar
Halleluja
Beste Zeit
Durch die Blume
Lebe wohl
Ich kann warten
Lichtjahre
Nebel
Vergangenheit
High

Du, es und ich
Hand in Hand

No Comments

Post A Comment

Simple Share Buttons
Simple Share Buttons