Kultur

München migrantisch

Piritta Kleiner
Letzte Artikel von Piritta Kleiner (Alle anzeigen)

migrantisch

München in Büchern: Die Autorin erliest sich die Stadt. Das MucBuch.

In München gibt es viele Migranten: Schwaben, Preußen, Österreicher und natürlich Italiener. Soweit, so migrantisch. Wer aber tatsächlich Multikulti will, der geht lieber nach Berlin, nach Köln. Wirklich? Am Montag findet in der Glockenbachwerkstatt die Bookreleaseparty zu „München migrantisch – migrantisches München“ statt.Multikulti – ein schwieriger Begriff. Auch in München. Bereits auf der ersten Seite klärt „München migrantisch“ den Leser auf: München ist (wohlgemerkt nach Stuttgart und Frankfurt) die drittgrößte Einwanderungsstadt Deutschlands.

Wer’s nicht glaubt, sollte das gerade erschienene Buch lesen und/oder zur Party gehen und sich gemeinsam mit den Autoren ethnografischen Erkundungen über migrantischen Leben in München widmen.

Das Buch entstand im Rahmen eines Forschungsprojektes an der LMU, am Institut für Volkskunde/Ethnologie . Drei Semester lang durchleuchteten die Studierenden unter der Leitung von Dr. Sabine Hess das Thema „Migration in München“. Dabei herausgekommen ist ein Aufsatzband, der sich zu lesen lohnt, nicht nur für Wissenschaftler.

Einige der verhandelten Themen: Mit dem Thema „Multikulti“ befasste sich Veronika Knauer, sie stellt ihre Forschungsergebnisse zum Münchner Stadtteil Neuperlach vor. Vanda Melo und Olivia Reckmann nahmen Münchner Institutionen und Organisationen unter die Lupe, die die Integrationspolitik der Stadt mitgestalten. Dabei richtete sich ihr Fokus vor allem auf Gender- und Ethnizitätskonzepte. Lisa Riedner wiederum erzählt eine ganz andere Geschichte in „Wild, exotisch, erotisch, anders – Oder: The Margin Strikes Back“, nämlich die von der Mobilisierung kultureller Images. In der Münchner Innenstadt fand sie die Idee zu ihrem Thema, so weckten die Plakate „Afrika! Afrika!“, mit denen zeitweise nahezu die gesamte Innenstadt zukleistert war, ihr Interesse am afrikanischem Zirkus. Herausgekommen ist ein kluger Text darüber, wie heute immer noch mit dem Bild der in Baströcken tanzenden Afrikanern gespielt wird und welche Akteure, Interessen, Vorstellungen und Netzwerke sich dahinter verbergen.

Mitherausgeberin Maria Schwertl dagegen untersuchte Identifikationsobjekte in deutsch-/türkischen Wohnungen in München. Wie richten Türken in München ihrer Wohnungen ein? Welche Rolle spielt ihre türkische Identität? Oder ganz einfach: Wer schon immer mal wissen wollte, was sein türkischer Nachbar eigentlich da für ein seltsames Saiteninstrument in seiner Wohnung stehen hat, aber nie zu fragen wagte, dem kann dieser Aufsatz helfen – und außerdem für ein besseres Verständnis der Lebenswelt seines Nachbarn sorgen.  

Neben wissenschaftlichen Konzepten, die verhandelt werden, gibt der Band auch ganz konkrete Einblicke in alltägliche Lebenswelten. So erzählt beispielsweise Jan Kreck von zwei Tibeterinnen, die im Asylbewerberheim Schwierigkeiten mit der Nahrungsbeschaffung haben, da sie mit der heimeigenen Einkaufsliste, die sie zweimal wöchentlich bekommen, nichts anfangen können: „Erstens existiert sie [die Liste] nur auf deutsch, mit deutschen Maßeinheiten und ohne Bilder. Zweitens erklärt den Flüchtlingen niemand, ob sie jedes Mal etwas ankreuzen müssen oder dürfen (…) drittens gibt es einige Lebensmittel auf der Liste, die den Tibeterinnen vollkommen neu und unbekannt sind.“

Die Sammlung der verschiedensten Migrationsgeschichten, der überraschende Blick auf ein Thema, die verschiedenen Blickwinkel, all das kann festgefahrene Münchenbilder  erschüttern. Das gelingt nicht vielen Büchern.

Die Bookreleaseparty am Montag, 8. Februar, 18 Uhr in der Glockenbachwerkstatt.

 [Disclosure: Die Autorin arbeitete als Volkskundlerin am Münchner Institut.]

No Comments

Post A Comment

Simple Share Buttons
Simple Share Buttons