Kultur, Nach(t)kritik

Pavement – Helden der Coolness

Annette Walter
Letzte Artikel von Annette Walter (Alle anzeigen)

pavement1

Sieht so eine umjubelte Reuniontour aus? Für das zweiten der beiden  einzigen Deutschlandkonzerte von Pavement, für das Konzert in München, gibt es vor der Halle Karten zum Schleuderpreis. In der Halle kommen aber alle auf ihre Kosten. Und auf mehr.  Draußen  wollen sie überzählige Karte verscherbeln. Der FC Bayern  ist daran nicht ganz unschuldig, aber in Berlin sah es wohl ähnlich aus: Tickets im Überschuss.

Drinnen ist die Halle dann aber doch gut gefüllt und die Indie-Helden werden gebührend zelebriert, wobei sich Stephen Malkmus einen kleinen Seitenhieb auf die Fußballmanie nicht verkneifen kann. Aber wie soll man einem 43-jährigen Kalifornier, zu dessen Hobbies tatsächlich Golfspielen gehört, auch erklären, dass es beim Finale der beiden besten Mannschaften Europas um Leben und Tod geht? Oder Gladiolen und Tod.

Pavement stehen an diesem Abend in ihrer Ursprungsbesetzung auf der Bühne: Mark Ibold, Scott Kannberg, Stephen Malkmus, Bob Nastanovich und Steve West. Konzerte in Europa und den USA sowie etliche Festivalgigs folgen in diesem Sommer – die erste Tour, seit sich Pavement 1999 offiziell aufgelöst haben. Neues Studiomaterial gibt es nicht.

pavement2

Mit “Cut your hair” startet das Set, ein Manifest der Großartigkeit des Pavement-Universums. Veritable Indie-Gitarrenpop-Hits wie “Gold soundz” (einer der melancholischsten und grandiosesten Songs, dessen Lyricline “And you can never quarantine the past” dem jüngst erschienen Best-Of-Album der Band den Namen gab), “Range life”, “Shady Lane”, “Elevate me later”, die mit versunkenen Alternative-Truppen der Neunziger wie den Smashing Pumpkins oder Pearl Jam zum Glück nichts zu tun haben, stehen neben lärmenden Rocknummern wie “Stereo” und “Fight this generation”. Dass Pavement lange pausiert haben, merkt man nicht: Die Dramaturgie der Setlist ist stimmig, die Spielfreude merkbar. Ihre Bühnenpräsenz spiegelt die Magie wieder, die ihrer effortless coolness und Individualität inhärent ist: unaufgeregt Popsongs für die Ewigkeit heraushauen und dabei so slackermäßig-lässig daherkommen als scherten sie sich nicht um die Verehrung, die ihnen Blur, Radiohead und Konsorten in der Popwelt entgegenbringen. Ihr Auftritt verzichtet auf jegliche artifizielle Inszenierung, ihre Outfits scheinen die Musiker fünf Minuten vor Showbeginn zusammengeklaubt zu haben. Da mutet die Lichtinstallation mit hunderten Glühbirnen über der Bühne schon dekadent an.

Malkmus ist ein Meister der kryptischen Texte und sein enigmatischer, scheinbar ziellos mäandernder und hynotisierender Gesang macht Pavements Einzigartigkeit aus. In der letzten Konzerthälfte setzt er noch zu ein paar hübschen Solos wie “Stop Breathin” an. “Terror Twilight” scheint eher eine Randnotiz im Pavement-Universum zu sein. Vom fünften und letzten Studioalbum spielen sie in der Muffathalle nur “Spit on a stranger”. “Carrot rope” wäre doch so schön gewesen. So bleibt diese kleine Geste der Verweigerung nach 90 Minuten Heldenverehrung.

Ähnliche Artikel

1Comment

Post A Comment

Simple Share Buttons
Simple Share Buttons